Versorgung aus dem Obst– und Gemüsegarten
Jeder Hof, jeder Haushalt hatte früher seine eigenen Gewohnheiten. Was beim Schlachten, beim Brotbacken und in der Viehhaltung angeführt wurde, gilt auch für den Anbau von Obst und Gemüse.
Der Obstbau hatte schon immer eine große Bedeutung für die Selbstversorgung und viele Apfelbäume, die bei uns und in anderen Obstgärten standen, waren sehr alt. Schon 1688 ist ein Bestand von 20 Obstbäumen im Weinkaufregister einer hiesigen Hofstelle vermerkt worden („Weinkauf“ hieß früher die Entrichtung einer Gebühr an den Guts– oder Lehnsherren bei Besitzerwechsel. Hierzu sei noch bemerkt, dass schon Hopfen für’s Bierbrauen 100 Jahre vorher auf dieser Hofstelle angebaut wurde. Wie wichtig er in einer Landgemeinde war, liest man in den Protokollen des Vorstehers: Im Sommer 1887 wurde der Kleinborsteler Lehrer Hellberg im Ort für eine Schau-Kommission zum Kontrollieren der Obstbäume für die Feststellung von Blattläusen gewählt. Er erhielt eine Mark für seine Bemühung. Die Blattläuse sind wohl hartnäckige Schädlinge gewesen: 1899 wird öffentlich auf die Bekämpfung mit Desinfektionsmitteln hingewiesen und diese empfohlen. 10 Mark Unterhaltungskosten erhält der zweite Lehrer Georg Wehrmann 1903 für Kurse der Obstbaumförderung von der Gemeinde ausgezahlt, wie im Protokollbuch vermerkt ist.
Die Bemühungen zum besseren Anbau werden mit besseren Ernten belohnt und mancher kleine Landwirt fuhr im Herbst nach Bremen und verkaufte Obst auf dem Markt. Auch Kartoffeln für den Winter nahmen sie mit und trugen sie den Kunden bis in den Keller. Es gab schon seit 1907 Fortbildungsunterricht für Landwirte in größeren Dörfern. Ab 1926 wurde es für alle schulentlassenen Landwirtssöhne und Gehilfen Pflicht, einmal im Monat am Nachmittag daran teilzunehmen. Die beiden Dorfschullehrer mussten sich mit Kursen darauf vorbereiten. Sie haben es mit Begeisterung getan, wird noch heute erzählt. Unter anderem haben sie den jungen Männern das Beschneiden und Okulieren der Obstbäume beigebracht. Das hat im wahrsten Sinne des Wortes Früchte getragen, weil die sich fortan für Pflege, Veredelung und Neuanpflanzung von Obst und Beerensträuchern interessierten.
Unser Apfelhof („Appelhoff“), wie wir die Grasweide mit den Bäumen für den Sauen-auslauf nannten, hat eine merkliche Verjüngung durch meinen älteren Bruder, den Hoferben, bekommen. Die sehr alten, knorrigen, oft hohlen Bäume wurden ausgelichtet und neue Sorten gepflanzt. Zu unseren alten wie Himbeer, Glocken, Boskop Goldparmäne, Gravensteiner, den empfindlichen großen Königsapfel, der kleinen weißen „Zipollen“-Sorte mit weißem Fleisch gehörte auch der gut tragende, sehr späte Iser-Apfel, eine dunkelrote, kleinere Frucht, die den Namen „Eisen“ mit Recht trug wegen seiner Härte, und die erst im März richtig genießbar wurde. Mir wurde erzählt, mancher hätte diese noch sehr bekannte Sorte bei den Kartoffeln in Mieten gelagert, dann hätten sie gut geschmeckt. Beim Transport zum Markt sei dies die unempfindlichste Obstart gewesen. Den ebenso haltbaren späten hellen Pisonapfel habe ich erste später bei meiner in Loge verheirateten Schwester kennen gelernt. Dabei war das schon eine ganz alte Sorte, die aber nicht sehr gut auf unserem sandigen Boden gedeihen wollte. Sogar die Gärtner hätten von einer Pflanzung abgeraten, weil sie besser für kräftige Böden taugte, sagte man mir jetzt. Als junge Bäume wuchsen bei uns dann Klarapfel, Celler Dickstiel, der reich tragende Ontario und die Renetten. Man kalkte die Rinden und legte Leimringe gegen Schädlinge. Im Apfelkeller lagen auf den Regalen bald mehr Früchte bei den alten haltbaren Sorten. Der Klarapfel bescherte uns schon im August ein weißes Apfelmus. Früher hatte das erste Fall-obst, gekocht mit Schale und Kernen und dann durchpassiert, eine saure, zuckerfressende und graue Masse abgegeben. Auf dem Lande war es eine uralte Gepflogenheit, die jeweilig gerade reife Fruchtart zur täglichen Speise zu verwenden, um sie ohne Haltbarmachen zu nutzen. Vor dem Einkochen mit dem Weckapparat ist es viel geschehen, das wochenlang fast gleiches Obst oder Gemüse auf dem Tisch stand. Oft wurde gelästert, es gäbe z.B. die Äpfel, Birnen, Bohnen oder den Kohl als „Schergarn und Einschlag“. Gemeint war damit der Vergleich, dass Kett– und Schussgarn beim Weben von gleicher Art und eben ohne Abwechslung waren. Wir Kinder rannten nach jedem abgeladenen Fuder Roggen, wo wir die Garben beim Bansen zuwerfen mussten, zum Klarapfelbaum, ob nicht ein Apfel darunter lag und waren futterneidisch wegen dieser neuen, leckeren Apfelsorte. Nicht nur Äpfel gab’s. Birnenbäume, die „Köstlichen“ wuchsen im Schweinehof an unserem Stall. Die und die „Griesen“, eine gute Sorte und noch etliche kleine Sorten, die man heil gekocht als „Bratbirne“ aß, hatte wohl jeder bei seinem Hause. Mein Bruder pflanzte den „Clapp’s Liebling“ und Butterbirnen an. Aber nicht jede Sorte der neuen wollte gedeihen. Diese Erfahrung gab es auch.
Zu den vielen Zwetschenbäumen und Eierpflaumen an den Hecken und Zäunen wuchs bald bei den Äpfeln eine Eierpflaume, die Mitte bis Ende August reifte und – roh und gekocht – eine Delikatesse abgab. Pfirsiche, die „Pöschappeln“, wuchsen in manchen Gärten mit gutem Ertrag, in anderen gediehen sie einfach nicht und waren krank. Mirabellen und Bühler Zwetschen lernte ich ebenfalls erst in Loge bei meiner Schwester kennen, wo der Boden schwerer ist, als bei uns. Mein Schwager hatte durch seine landwirtschaftlichen Lehrjahre im Alten Land Obstbaumkenntnisse mitgebracht. Kirschbäume, süße, saure und Glaskirschen zum Sattessen, habe ich in meiner Jugend zu Hause vermisst. Die paar Bäume, die wir hatten, trugen nicht gut und Mutter wollte sie für’s Einmachen haben. Wie gut, dass es Bekannte, Verwandte und Nachbarn gab, die reich tragende Sorten hatten und den Kinderbauch bis zum Platzen füllten! Dann bloß kein Wasser trinken, hieß es früher! Heute stehen viele große Kirschbäume bei meinem Elternhause, die mein Bruder später pflanzte. Sorten gibt’s, die können mit den„Alt-Ländern“ konkurrieren.
Weintrauben wuchsen seit 1911 bei uns am neuen Hinterhaus., aber schon länger hinter dem Backhaus, bis zum Bombenfall. Fast an jedem Haus in unserer Gegend stand an der Sonnenseite das Rebengewächs. Die Trauben wurden meist nur in warmen Sommern und schönen Herbsten reif zum Genießen; dann schmeckten sie gut zum Naschen, und dafür wurden sie verwendet.
In den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts begann in Martfeld der Gärtner Heinrich Masemann mit dem Mosten von Äpfeln, auch mit ein bisschen Fruchtweinherstellung. Die Mosterei ist noch heute ein florierendes Unternehmen mit Fallobstannahme und Umtausch von späterem Most in Flaschen zur Auswahl der vielen Sorten an Säften, die die Firma „Ma-Ma’s“ in ihrem Getränkeladen und –handel hat. Das wird hier sehr genutzt, wo keiner mehr sein Obst verwertet wie früher. In reichen Obstjahren stauen sich die Anlieferer zu langen Schlangen bei den Annahmezeiten auf der Straße. Unsere Mutter weckte früher für die vielen Esser am Tisch für den Winter viel ein. Der Weckapparat mit dem Thermometer, die Gläser mit den Gummiringen hatten sich seit 1902 als praktische Helfer zum Haltbarmachen von Obst, Gemüse und Fleisch schnell durchgesetzt. Wenn die „Köstlichen“ Birnen reif waren, füllte Mutter sie nach und nach in Zwei-Liter-Gläser ein, geschält und geviertelt mit Zucker und einer Kaneelstange. Halbierte entsteinte Zwetschen folgten. Köstlich schmeckten diese auch abgezogen mit Stein und noch besser die Dreifrucht aus Äpfeln, Birnen und Zwetschen von besonders ausgesuchten Früchten, die sich im Glas zu einem feinen Aroma vereinten. So etwas wurde auch Gästen abends angeboten, keine Getränke, auch eingemachte Erdbeeren, evtl. zu „gelbem Pudding“, wie der Vanille-Pudding damals hieß. Birnen roh, Birnen eingekocht, Birnen getrocknet, alles konnte man genießen. Mit Zwetschen ließen sich leckere Kuchen backen, sie schmeckten eingemacht und als Essigzwetschen in Steintöpfen. Sie ließen sich prima dörren und schmeckten auch ohne Zucker reif als Zwetschenmus auf Brot. das wurde oft in großen Mengen gekocht und in Steintöpfen aufbewahrt. Eierpflaumen sind ein Delikatesse, entkernt und abgezogen und mit gleicher Menge Zucker eingedickt. Honigsüß!!
Wer reichlich Äpfel besaß und auch Obst anderer Sorten, verkauft sie gepflückt, auf Stroh abgelagert, an verabredete Käufer. Auch Eier– und Butterhändler nahmen sie gern mit zum Markt. Der Himbeerapfel sei immer der begehrteste und teuerste gewesen, hat mir jemand verraten, der früher selber mit Obst zum Markt fuhr. Straßenbahner, die die „Elektrische“ fuhren und begleiteten und vielfach von den Dörfern in die Stadt gekommen waren, seien Hauptkunden und auch Kenner gewesen. Natürlich haben wir uns erst roh an halbreifen und reifen Früchten vom Baum bedient. Jeder aß, was er mochte zu jeder Zeit. Apfelmus stand dann täglich zu allen Mahlzeiten auf dem Tisch. Getrocknet wurde später weniger, wie schon beschrieben. Das brauchte eben Zeit – und Können! Im Kellerlager wurden die Äpfel fast täglich durchgesucht. Man holte sie zum abendlichen rohen Verzehr und aß sie mit und ohne Schale bis in den Frühling hinein. Schweine und Vögel freuten sich über angefaulte und aussortierte Früchte. Gelee vom Apfel war etwas Besonderes. Der, das sei noch gesagt, gelang am Besten von säerlichen unreifen Äpfeln. Mit dem vielen Zucker dazu war das wieder eine Kostbarkeit in früheren Jahren und die gab’s sonntags auf Stuten.
Holunderbüsche standen viel wild wachsend in unserer Gegend. Mutter setzte von Blüten einen Sekt an. Beim Getreidemähen war es bei uns so Sitte geworden, dass um fünf Uhr nachmittags, ohne Arbeitsunterbrechung, jedem Binder und den Maschinenführern dieser Trank eingeschenkt wurde. Das war belebend, aber beschwipste nicht. Unsere jungen Nachbarn stellten erstklassigen Brombeerwein her, den sie manchmal beim Mähen auch um diese Zeit tranken. Das bekam ihrem Vater zuweilen nicht gut in der Hitze. Er kroch auf allen Vieren zur nächsten Kornhocke und musste pausieren, weil er gern ein Glas zu viel trank.
Von den Brombeeren, die in allen Hecken reiften, die die Wiesen und Weiden voneinander trennten, war der Saft früher genau so beliebt, wie noch heute. Aber auch die Fliederbeeren, wie wir den Holunder nannten, zu Saft bereitet, bildet heiß getrunken eine Arznei bei Erkältungen und schmeckt fast wie ein Glühwein. Kalte und heiße Suppen davon, mit Grießklösschen oder Zwieback und evtl. einem Schuss Rotwein darin, waren am Mittag Genüsse als Vorspeise nach harter Arbeit.
Viele Bewohner hatten Walnussbäume auf ihren Grundstücken stehen, das ist auch heute noch so. Haselsträucher wuchsen überall und die Nüsse wurden geerntet, wenn die Eichhörnchen („Kathekel“) nicht schneller gewesen waren. Hagebutten und Schlehen, die es überreichlich bei den vielen Knicks in unserer Landschaft gab, pflückten sich manchmal Ken-nen aus Flecken und Städten. Wir wussten sie noch nicht so recht zu verwerten und es fehlte auch Zeit, sie zu ernten. Ebenso wuchsen auch Quitten nur bei Kennern von diesem gelee in deren Gärten.
Pilze schossen überall aus dem Boden. Niemand kannte sich recht aus. Die Champignons wuchsen in feuchtwarmen Herbsten in großen Ringen in der Maase, der Wiese an der großen Forst. So ein Pilzgericht dufte erst auf den Tisch, als wir erwachsenen Kinder die Pilze sammelten und auf der Verwertung bestanden. Meine Schwester ist nach dem Kriege, von schlesischen Flüchtlingen inspiriert, zu einer leidenschaftlichen Sammlerin geworden und wusste die Arten mit Hilfe ihrer vielen Pilzbücher gut zu bestimmen.
Im Gemüsegarten, wo bei uns der Weg zum Backnachbarn hindurch ging, bestimmte die Hausfrau den Anbau an Sorten und Menge, wie sie es für den Haushalt für nötig hielt. Bei vielen Hof– und Hausstellen standen die Beerensträucher in einer Ecke des Blumengartens. Bei uns hatten sie ihren Platz zwischen dem Zaun des Apfelhofes und längs des genannten Weges. Vornan spross der Rhabarber, es folgte eine Reihe roter Johannisbeeren, dann Stachelbeeren, kleine, rote und dicke Sorten, und die Himbeeren. Die leckeren schwarzen Johannisbeeren gab es leider nicht bei uns. Sonst ließ sich alles bequem pflücken.
Das den Weg begleitende Stück Land wurde jährlich wechselnd bepflanzt. Hier wuchsen auch die Erdbeeren. Da sonst noch viel Raum in unserem Hofgarten war, wurde immer ein Stück mittelfrühe Kartoffeln für den Haushalt angebaut. Zum Fruchtwechsel gab es Seradella oder Spörgel für die Schweine zum Mähen, auch mal ein Stück Roggen und immer noch ein Stück Gemüseland zusätzlich. für größere Beete mit Erbsen, Bohnen Gurken und Kohl. Da war es weicher, weil das Land gepflügt war, während das Dauerstück gegraben wurde und Mist dahin kam, wo er nötig war, denn nicht jedes Gemüse vertrug frischen Dünger. Die Pflanzung wurde sorgfältig geplant. Nicht alles Saatgut war mehr selbst gezogen wie früher. Kleinsämereien wurden beim Gärtner und in Kaufmannsläden im Flecken schon damals in der heutigen Art angeboten. Auch Bohnen und Erbsen konnte man lose kaufen und so das Saatgut auffrischen. Dennoch reifte ein Teil der Früchte für neue Samen. Es brauchte Zeit und Sorgfalt und gutes Aufbewahren, wenn sie im nächsten Jahr keimen sollten.
Das Wetter des Frühjahrs hat schon immer die Zeit der Aussaat bestimmt. Jeder gab gern beim Nachbarn mit einer ersten jungen Kartoffelmahlzeit mit Salat Anfang Juni an. Dafür wurde extra eine Reihe ganz früh gesetzt und gehütet. Aber auch die dicken Bohnen kamen früh in die Erde, dann verlausten sie nicht so schnell. Salat, Möhren, Petersilie, Dill Schnittlauch, Maierbsen, Radieschen hatten ein Beet und wurden nach Bedarf und Gedeihen nachgesät. So wuchsen alle Sorten Salate von braunem, grünem Schnittsalat oder Kopfsalat für den Mittagstisch heran oder zu den Bratkartoffeln, angemacht wurden sie mit Flott (Rahm) und Zucker oder Dickmilch. So mochten wir ihn am liebsten. Vizebohnen durften nicht in der Himmelfahrtswoche gelegt werden, dann kamen sie ohne Kopf, hieß die alte Bauernregel. Auch der Schinken durfte erst angeschnitten werden, wenn der Kuckuck gerufen hatte. Das war so drei Tage vor dem Maitag. Um diese Zeit klapperte damals auch der Storch auf der Nachbarsscheune meist erstmalig. Die Maierbsen, ausgepahlt mit Karotten, Petersilie und Grießklößchen als Suppe mit etwas Zucker, Stück Butter und Mehl gesämt, dazu ein Stück Schinken, war im Juni fast ein Sonntagsessen.
Erbsen gab’s viele Sorten. Die zum Einmachen wuchsen an Rankhilfen aus Sträuchern oder Draht. Das Einfrieren können heute erleichtert die empfindliche Haltbarmachung. Leicht ging früher ein Glas Eingemachtes auf und war verdorben. Besonders Erbsen waren empfindlich. Reife Erbsen und Bohnen wurden zum Trocknen im Wagenschauer aufgehängt. In meinen Kinderjahren drosch meine Mutter sie im Winter auf der Diele mit dem Flegel aus. Dann wurden sie am Küchentisch verlesen. Mir ist der bitterkalte, schneereiche Winter 1928/29 in Erinnerung geblieben. Da saß auch unser Knecht mit am an den Herd gerückten Tisch zum Sortieren, denn draußen war keine Arbeit zum Aushalten. Hinaus musste er nach Mittag, ein Pferd anschirren und „scharf“ machen (Stollen in die Hufeisen drehen) und dann mit dem Schlitten meine Geschwister von der Schule in Bruchhausen holen. Das ist mir unvergesslich in Verbindung mit den vielen Gefäßen mit den verlesenen Bohnen und dem Bohnenstroh samt Hülsen und einem ungewohnten Helfer. Bohnen aus eigener Ernte wurden länger getrocknet geerntet als die Erbsen, weil die Erbsen als geschälte in den Läden angeboten wurden und bekömmlicher waren.
Zwiebeln wurden immer gebraucht zum Würzen. Die Schalotten zu Salaten und von den dicken brauchte man viel zum Schlachten. Sie wurden aufgehängt getrocknet oder in Kisten gelagert und mussten bis zum Frühjahr reichen. Wurzeln, Blumenkohl, Kohlrabi, Wirsingkohl, Rot– und Weißkohl, Rote Beten, Sellerie, Porree, das Suppengemüse, nichts durfte für die Versorgung in den Sommermonaten fehlen. Wie viel Sorten Bohnen gab es! Die ersten oft krumm und kurz. Die gelben kamen als Salatbohnen ins Glas. Bohnen für Salat, Suppe, zum Schnippeln und zum Trocknen, Buschbohnen, Stangenbohnen. Die rankten an Schechten von jungen entasteten Tannen. Die waren einige Meter lang und wurden sorgfältig in die Beete gesteckt und ebenso sorgsam für die nächste Ernte stehend gelagert. Daran rankten die langen Bohnen, die gern geschnippelt wurden. Dazu lieh man sich eine spezielle Maschine aus. Die geschnippelten Bohnen wurden mit Salz wie Sauerkraut in ein großes Steingutgefäß gestampft und dann als Gemüse süßsauer zubereitet. Gut schmeckten sie, aber bei der Entnahme aus dem großen Gefäß stanken sie entsetzlich. Gut schmeckten uns auch gestückelte grüne Bohnen gekocht mit Äpfeln und leicht gesäuert. Die Oldenburger und Ostfriesen liebten Birnen darin. Die ausgepahlten Bohnen, im Winter mit Suppenwurst, waren auch nicht zu verachten. Da gehörte Sellerie und Porree hinein, und den hatte man in Sand eingelagert. So hielt man auch die Wurzeln (Möhren) lange knackig.
Gurken wurden viel gelegt und Sorten gab es auch viele. Die empfindliche Pflanze verlangte sorgsame Pflege. Man durfte nicht auf die Ranken treten, damit die Frucht nicht bitter wurde, hieß es früher. Diese Früchte, von ganz klein bis zur gelben Reife geerntet, gaben eine Vielfalt an Genussmöglichkeiten. Die Rezepte für die kleinen Pfeffergurken, Salz-, Senf-, Zucker-, Essig– und Azia-Gurken und was es noch an Namen gibt, zu erwähnen, würde zu langatmig werden. Früher wurden sie mit Salicyl haltbar gemacht, dann kam die Einmachhilfe mit Sorbit von Dr. Oetker. Gurken wurden in Steintöpfen eingelegt und zugebunden. Man kochte sie auch in kleine Gläser ein und als Salat waren sie schon immer beliebte Beigabe zu Braten und Bratkartoffeln. Steckrüben zum Essen wuchsen meist bei den Runkelrüben. Dort war auch oft ein Geviert für den Weißkohl angelegt, den man für das Sauerkraut brauchte. Der eingestampfte gesalzene Kohl war ein ganz wichtiges Winteressen. daran hat sich nichts geändert. Nur isst man ihn heute öfters anders als früher mit dem gepökelten Schweinefleisch. Der Grünkohl war für den Winter ebenso wichtig und wurde meist als Nachfrucht gepflanzt. Die Pflanzen hatte man zuvor aus der Saat herangezogen. Da stand er oft bis ins Frühjahr hinein draußen, denn man wusste ihn noch nicht so zu konservieren, wie heute. Sehr kalte Winter zerstörten ihn und Hasen und Rehe waren auch nicht abgeneigt, dieses Grün zu genießen. Kürbisse wuchsen oft riesengroß am Komposthaufen und nahmen kein Landstück weg.
Erdbeeren und Rhabarber, die geliebten Genüsse, waren in meiner Kindheit noch Stiefkinder in der Wartung in unserem Garten und brachten deswegen nicht den gewünschten Ertrag. Da half mein Bruder mit seinem neuen Wissen von dem Fortbildungsunterricht mit Neuanpflanzung und Düngung nach. Überhaupt griff mein Bruder öfter in den Düngersack und versorgte das ausgemergelte Land mit Salpeter, Kali, Thomasmehl und Kalkstickstoff. Kalkstickstoff brachte schnelleren Wuchs der Früchte und er unterdrückte das Unkraut. Das unermüdliche Jäten, Hacken und Zupfen der vielen Unkräuter gehörte zur Bestellung und Pflege des Ackers und der Gartenfrüchte. Gespritzt wurde nicht. Hartnäckig wucherte die Quecke. Vogelfuß samte schnell, wie später das schlimme Franzosenkraut, und ließ sich schwer rausziehen, wie auch der Löwenzahn und der Schachtelhalm. Vogelmiere, Kamille, Giersch und Nachtschatten machten sich überall breit. Die so bewunderten Kornblumen störten empfindlich eine gute Kornernte für sauberes Brotmehl. Wo Hacke und Sense nicht hinkamen, wucherten Brennnesseln, Taubnesseln, Roter Hinnerk (Heinrich), Giersch und Disteln. Die Disteln im Korn machten die schwere Arbeit beim Binden, Hocken, Laden, Bansen und Dreschen zu einer ganz schmerzhaften Verrichtung. Da war eine Vernichtung vorm Ausbreiten wünschenswert. Mit der besseren Pflege gedieh der Rhabarber nun üppig bis August. Erdbeeren gab es nicht mehr zugeteilt. Sie füllten Weckgläser für den Winterpudding, schmeckten roh mit warmem Vanillepudding übergossen fabelhaft, wenn wir Kinder mittags nicht nach Hause konnten, und unsere Mutter uns dies, in kleine Weckgläser gefüllt, mitgab. Saft, Marmelade und Gelee von den Beerensträuchern und allen anderen Früchten konnten früher nicht so schnell und gut wie in die heute üblichen Schraubgläser gefüllt werden. Salicyl wurde zum Haltbarmachen hineingerührt, Salicylpapier bedeckte das Eingefüllte, ehe es mit Leinenstücken, Pergament oder Glaspapier und Bindfaden verschlossen wurde. Heute ist Salcyl nicht mehr erlaubt. Es gibt andere Hilfsmittel, wenn Zucker und Essig nicht allein die Haltbarmachung garantieren. Stundenlanges Kaltrühren löste früher den Zucker für gute Säfte auf. Sonst wurden die Früchte aufgekocht und heiß in einen durchlässigen Beutel geschüttet. Dafür war ein umgekehrter Stuhl zum Aufhängen und eine Schale zum Auffangen sehr praktisch. Der Saft wurde mit Zucker nochmals aufgekocht und heiß in Flaschen gefüllt und mit Stofflappen zugebunden. Fruchtsaft für Gelee rührte man so lange mit dem Zucker auf dem Herd, bis er endlich steif wurde. Auch Marmeladen brauchten ein langes Rühren und brannten leicht an. Wie einfach geht das heute mit den Gelierhilfen!
Spinat, Schwarzwurzeln, Rosenkohl, Tomaten und Spargel bereicherten erst nach Jahren unsere Gemüsebeete. „Watt den Buur nich kennt, dat itt he nich!!“ Da war unsere kinderlose Backnachbarsfrau schon lange mit Tomaten vertraut. Sie wird sich manchmal gewundert haben, dass ihre Ernte gering ausfiel. Als Kinder spielten wir begeistert Indianer und stromerten durch Wiesen und Äcker. Da hatten wir die roten Früchte bei ihrem Gemüsestück entdeckt, die unbedingt probiert werden mussten. Unsere Nachbarin mochte Kinder gern; wenn sie uns in Verdacht hatte, wird sie nie böse gewesen sein, beruhige ich das schlechte Gewissen. Grüne süße Erbsenschoten waren ebenfalls ein Kinderbegehren. Da sollte der Hinweis auf „Arfkenbock“ („Erbsenbock“), der uns dabei greifen würde, abschrecken. Nicht die fehlenden Schoten machten den Verlust, schlimmer war bei diesen Diebereien das Rausreißen des ganzen Strauches, der dann welkte. Man musste die Erbsen vorsichtig mit zwei Händen pflücken, um solches zu vermeiden.
Ein Überfluss an Gemüse war selten. Schweine waren gute Resteverwerter Butter-händler nahmen einiges mit zum Markt. Gemüseläden gab es in den Dörfern und Flecken nicht. Jeder Haushalt hatte dort einen eigenen Garten, oft nach Schrebergartenart. Persönliche Verbindungen vermittelten Überfluss, Manche pflanzten von vorneherein für Verwandte und Bekannte mit an.
Den ganz frühen Kartoffeln wurden immer wieder kleine Beete für den baldigen Verzehr vorbehalten. Hier wuchs meist hinterher der Grünkohl. Er waren nicht immer die ertragreichen Sorten, sondern besonders gut schmeckende und seltene, wie die „Roten Mäuse“ für Salat. Später gab es die Holländer Erstlinge und Vera. Sieglinde ist noch heute bekannt als gute Frühkartoffelsorte. An „Bona“ und „Lori“ erinnere ich mich als mittelfrühe Sorten. Auf dem Feld, für den Wintervorrat und die Schweinemast gut vorbereitet, wuchsen „Heide (a)“, „Lerche“, „Industrie“ und „Ackersegen“. In den dreißiger Jahren kam eine sehr große, ertragreiche, rotschalige, weißmehlige Sorte für die Mast auf, die die Idee zum Einsäuern aufbrachte. Sie hatte einen kurzen und mir nicht mehr bekannten Namen und verschwand auch schnell wieder aus dem Anbau aus mir unbekannten Gründen. Kartoffeln, die nicht eingesäuert wurden und für das Essen und Pflanzen gedacht waren, mussten sortiert werden, ehe sie im Keller überwinterten. Dafür gab es Rüttelmaschinen oder man verlas per Hand. Esskartoffeln und die verschiedenen Pflanzkartoffeln lagerten in Boxen unterteilt und durften nicht höher als einen Meter dick liegen. Wer keinen Keller mit guter Belüftung besaß, mietete sie ein. Bei sehr kalten Wintern konnte dort ein Verfrieren vorkommen. Hier sei erwähnt, dass es in meiner Jugend noch viele Erdkeller gab, wo alles für den täglichen Bedarf aufbewahrt wurde. Das war praktisch bei normalem Wasserstand. Sonst konnte das Betreten schwer werden und die Wasserverdunstung Fäulnis bringen.
Blumen zum Schneiden wuchsen zwischen Gemüsereihen auch früher schon. Astern und Malven wurden gesät und Dahlien, Georginen und Montbretien gepflanzt, deren Knollen im Winter im Apfelkeller lagerten. Dem Blumengarten, früher ohne Rosenfläche und mit Buchsbaumbeeten und –wegen fehlte Platz für diese Blumen. Büsche von Forsythien, weißem Schneeball, Syringen (Flieder), Lebensbaum, Geisblatt-Lauben und anderen alten Blühern umrahmten die Tellerrosen, rosa Pfingstrosen, Lupinen, Akelei, Margerithen, Rhododendron, tränende Herzen und Hortensien, wo früh Schneeglöckchen, Krokusse, Narzissen, Primeln und später die duftenden weißen Narzissen blühten. Rosen und andere Sommerblumen folgten und im Herbst die vielen Asterstauden. Wilde Primeln, Buschwindröschen und Waldmeister fanden wir bei Spaziergängen reichlich in dem nahen Forst, der „Hoyaer Weide“.
Mein Bruder hat vor 70 Jahren durch mehr Düngung mit Kunstdünger den vorher oftmals kargen Wuchs in Feld und Wiesen, bei Obst und Gemüse zu reichhaltigeren Ernten entwickelt. Das ist sicher bei meinen Ausführungen kritisch betrachtet worden. Heute ist das verpönt und nicht „in“. Bio-Erzeugnisse sollen es sein, ungedüngt. Gewiss ist ein Übermaß und falsche Anwendung von Kunstdünger abzulehnen. Die Menschen in Europa sind übersatt und ängstlich um die Speisen. Man glaubt beim Mindesthaltbarkeitsdatum schon an Verfall. Hunger würde andere Maßstäbe setzen. Wir Älteren wissen das aus Erfahrungen und wir konnten für gute und weniger gute Ernten dankbar sein.
Die Ernährung machte Mühe und Arbeit, die Mühe und Arbeit war Selbsterhaltung. Es lebten viele Menschen in einem Haushalt, viele Hände brauchte man, um alle notwendigen Arbeiten zu verrichten. Zu diesen Arbeiten gehörten früher auch der Flachsanbau bis zum Weben der versponnenen Fäden. Auch die Schafwolle musste gesponnen und verstrickt wer-den. Das Färben gehörte dazu. Müßiggang war unbekannt. Was hat hier die rasante technische Entwicklung in wenigen Jahrzehnten für Änderungen gebracht! Viel Freizeit – dafür wird gearbeitet. Satt wird man ja von ganz allein. Alles zum Lebensunterhalt gibt es zu kaufen – auch auf dem Lande. Aber wachsen und verarbeitet werden muss es noch immer.
Charlotte Homfeld im Februar 2002