Die Ernäh­rung auf dem Lande – Auf­zeich­nun­gen von Char­lotte Hom­feld aus Kleinenborstel

Gäste zu Besuch

Hier kann ich nicht umhin, die Erin­ne­rung an die Gäs­te­be­wir­tung nie­der­zu­schrei­ben, die frü­her auch zum Leben und Arbei­ten auf dem Lande gehörte. Nicht den Besuch von Ver­wand­ten, die mit Kut­schen kamen, meine ich, eben­falls nicht von jenen, die in den Frem­den­zim­mern her­berg­ten, weil sie sehr weit her­ka­men und län­ger blie­ben und sich den Haus­ge­wohn­hei­ten anpassten.

Im Win­ter wurde „geköp­pelt“. So nannte man das Tref­fen eines Per­so­nen­krei­ses, und das ist heute noch viel­fach üblich. Meine Eltern wech­sel­ten mit fünf bis sechs Ehe­paa­ren ande­rer Höfe Besu­che, die ein­mal nur abends und ein­mal zum Kaf­fee am Nach­mit­tag mit Abend­brot in den Häu­sern statt­fan­den. Natür­lich in den „guten Stuben“!

Spar­sam ging meine Mut­ter im Haus­halt um. Das knappe Geld gab sie mit Bedacht aus, doch gei­zig war sie ganz und gar nicht. Auf gut schme­cken­des Essen legte sie gro­ßen Wert. Die Dienst­bo­ten, das war nicht über­all so, wur­den nicht schlech­ter ver­sorgt als wir. Sie aßen mit am Tisch und saßen abends mit uns in der Stube. Auch für uns Kin­der gab es Zuwen­dun­gen und Beloh­nun­gen. Sie sel­ber gönnte sich einen star­ken Boh­nen­kaf­fee bei star­ken Kopfschmerzen.

Zu die­sen Abend­tref­fen wurde feinste Wel­fen­speise zu lecke­ren Kek­sen ange­bo­ten und das feinste Ein­ge­machte aus dem Kel­ler geholt. Alko­ho­li­sche Getränke waren weni­ger üblich, wohl ein Wein­brand mit Zigarre für die Män­ner. Da wurde es zu Kaf­fee­ein­la­dun­gen rich­tig üppig. Die Him­mel­s­torte aus sechs Böden mit geschla­ge­ner Sahne wurde gereicht, der But­ter­ku­chen war mit rei­ner But­ter geba­cken und dick belegt, der Wickel­ku­chen saf­tig mit mehr Inhalt als Teig und min­des­tens noch eine Torte, auch Bis­kuit mit Erd­bee­ren und Sahne gefüllt hatte auf dem mit bes­tem Geschirr und Lei­nen­zeug gedeck­ten Tisch zu ste­hen. Dazu gab’s Kaf­fee, wo nicht die Bohne durch­ge­bis­sen war, wie ein „Snack“ hieß, mit Zucker und Sahne.

Zum Abend­brot wurde zur Wahl das Schwarz­brot, das Grau­brot und auch Stu­ten (Weiß­brot) gereicht, und man rich­tete den Besuchs­tag mög­lichst ein, wenn frisch geba­cken wor­den war. Ein fri­sches Tisch­tuch aus Damast, ande­res Geschirr als zu Kaf­fee, blank­ge­putzte Sil­ber­be­ste­cke und die damals übli­chen fla­chen ecki­gen Por­zel­lan­tel­ler als Plat­ten mach­ten die Tafel noch­mals fest­lich. Auf Plat­ten ver­teilt lag die beste geschnit­tene Zun­gen­wurst vom Schlach­ten, die flei­schigste Sülze, die Mett­wurst in gro­ßen Schei­ben aus der Blase und Schin­ken umran­dete gewür­felt rot das Rührei. Koch­käse, gelb und kraus von viel But­ter und viel­leicht noch ein sah­nige Heck­käse mit Küm­mel stan­den dabei. Die am bes­ten gelun­ge­nen Ein­mach­gur­ken wur­den dazu ange­bo­ten. Duf­ten­der schwar­zer Tee wurde ein­ge­schenkt. Wer mochte, tat sich Rum oder Rot­wein dazu, die in Karaf­fen auf dem Tisch stan­den. So zeigte man, was man hatte und konnte. Wenn dann diese Köst­lich­kei­ten lobend bewer­tet wur­den, war Stolz der Lohn der Mühen und Ausgaben.

Abends wurde auch mal Wein und Wein­brand getrun­ken, die Män­ner spiel­ten manch­mal Kar­ten. Da war an die­sem Tag wohl nichts übrig geblie­ben, was an Unter­hal­tung mög­lich war, vom Dorf­klatsch bis zu Rezep­ten, von Besorg­nis­sen über Krank­hei­ten bis zu Erfolgs­er­leb­nis­sen. Man kam zu Fuß, man ging zu Fuß, war nie betrun­ken. das gehörte sich nicht. Wir Kin­der hat­ten beim Ein­tref­fen der Gäste „abge­sahnt“. Da waren wir schon auf dem Hof am Spie­len, damit das Mit­ge­brachte an Scho­ko­la­den und Apfel­si­nen bloß gleich an den rich­ti­gen Mann kam. So war uns die­ser Besuch nur recht!

In der Küche freu­ten wir und die Gehil­fen uns über die Reste, spä­ter auch als Erwach­sene. Nur gab es viel Arbeit und Abwasch vor– und nach­her und den gründ­li­chen Haus­putz, dazu das Füt­tern, Mel­ken und was noch alles. Die Töch­ter muss­ten die Gäste bedie­nen, da wurde geschaut, wie man sich dabei anstellte und zu was für Hand­ar­bei­ten man schon fähig war. So war das damals all­jähr­lich immer ein Prä­sen­tier­tag. Aber den hatte ja jeder vom Köp­pel zu beste­hen! Bei Besuch wurde reprä­sen­tiert, sonst wurde gespart.

Char­lotte Homfeld