Gäste zu Besuch
Hier kann ich nicht umhin, die Erinnerung an die Gästebewirtung niederzuschreiben, die früher auch zum Leben und Arbeiten auf dem Lande gehörte. Nicht den Besuch von Verwandten, die mit Kutschen kamen, meine ich, ebenfalls nicht von jenen, die in den Fremdenzimmern herbergten, weil sie sehr weit herkamen und länger blieben und sich den Hausgewohnheiten anpassten.
Im Winter wurde „geköppelt“. So nannte man das Treffen eines Personenkreises, und das ist heute noch vielfach üblich. Meine Eltern wechselten mit fünf bis sechs Ehepaaren anderer Höfe Besuche, die einmal nur abends und einmal zum Kaffee am Nachmittag mit Abendbrot in den Häusern stattfanden. Natürlich in den „guten Stuben“!
Sparsam ging meine Mutter im Haushalt um. Das knappe Geld gab sie mit Bedacht aus, doch geizig war sie ganz und gar nicht. Auf gut schmeckendes Essen legte sie großen Wert. Die Dienstboten, das war nicht überall so, wurden nicht schlechter versorgt als wir. Sie aßen mit am Tisch und saßen abends mit uns in der Stube. Auch für uns Kinder gab es Zuwendungen und Belohnungen. Sie selber gönnte sich einen starken Bohnenkaffee bei starken Kopfschmerzen.
Zu diesen Abendtreffen wurde feinste Welfenspeise zu leckeren Keksen angeboten und das feinste Eingemachte aus dem Keller geholt. Alkoholische Getränke waren weniger üblich, wohl ein Weinbrand mit Zigarre für die Männer. Da wurde es zu Kaffeeeinladungen richtig üppig. Die Himmelstorte aus sechs Böden mit geschlagener Sahne wurde gereicht, der Butterkuchen war mit reiner Butter gebacken und dick belegt, der Wickelkuchen saftig mit mehr Inhalt als Teig und mindestens noch eine Torte, auch Biskuit mit Erdbeeren und Sahne gefüllt hatte auf dem mit bestem Geschirr und Leinenzeug gedeckten Tisch zu stehen. Dazu gab’s Kaffee, wo nicht die Bohne durchgebissen war, wie ein „Snack“ hieß, mit Zucker und Sahne.
Zum Abendbrot wurde zur Wahl das Schwarzbrot, das Graubrot und auch Stuten (Weißbrot) gereicht, und man richtete den Besuchstag möglichst ein, wenn frisch gebacken worden war. Ein frisches Tischtuch aus Damast, anderes Geschirr als zu Kaffee, blankgeputzte Silberbestecke und die damals üblichen flachen eckigen Porzellanteller als Platten machten die Tafel nochmals festlich. Auf Platten verteilt lag die beste geschnittene Zungenwurst vom Schlachten, die fleischigste Sülze, die Mettwurst in großen Scheiben aus der Blase und Schinken umrandete gewürfelt rot das Rührei. Kochkäse, gelb und kraus von viel Butter und vielleicht noch ein sahnige Heckkäse mit Kümmel standen dabei. Die am besten gelungenen Einmachgurken wurden dazu angeboten. Duftender schwarzer Tee wurde eingeschenkt. Wer mochte, tat sich Rum oder Rotwein dazu, die in Karaffen auf dem Tisch standen. So zeigte man, was man hatte und konnte. Wenn dann diese Köstlichkeiten lobend bewertet wurden, war Stolz der Lohn der Mühen und Ausgaben.
Abends wurde auch mal Wein und Weinbrand getrunken, die Männer spielten manchmal Karten. Da war an diesem Tag wohl nichts übrig geblieben, was an Unterhaltung möglich war, vom Dorfklatsch bis zu Rezepten, von Besorgnissen über Krankheiten bis zu Erfolgserlebnissen. Man kam zu Fuß, man ging zu Fuß, war nie betrunken. das gehörte sich nicht. Wir Kinder hatten beim Eintreffen der Gäste „abgesahnt“. Da waren wir schon auf dem Hof am Spielen, damit das Mitgebrachte an Schokoladen und Apfelsinen bloß gleich an den richtigen Mann kam. So war uns dieser Besuch nur recht!
In der Küche freuten wir und die Gehilfen uns über die Reste, später auch als Erwachsene. Nur gab es viel Arbeit und Abwasch vor– und nachher und den gründlichen Hausputz, dazu das Füttern, Melken und was noch alles. Die Töchter mussten die Gäste bedienen, da wurde geschaut, wie man sich dabei anstellte und zu was für Handarbeiten man schon fähig war. So war das damals alljährlich immer ein Präsentiertag. Aber den hatte ja jeder vom Köppel zu bestehen! Bei Besuch wurde repräsentiert, sonst wurde gespart.
Charlotte Homfeld