Die Ernäh­rung auf dem Lande – Auf­zeich­nun­gen von Char­lotte Hom­feld aus Kleinenborstel

Über das Hausschlachten

Beim Schlach­ten war die Hand­ha­bung (wegen Platz) und die Eigen­art des jewei­li­gen Schlach­ters schon ver­schie­den. Ich habe über die Zeit zu Hause und in frem­den Haus­hal­tun­gen mit ca. sie­ben ver­schie­de­nen Haus­schlach­tern gear­bei­tet, und jeder hatte eine andere Art, seine Arbeit zu verrichten.

In der Mart­fel­der Chro­nik Bd. 3 (Mart­fel­der Höfe) fin­det man bei Hof Nr. 61 ein Foto vom Schlach­ten 1931 mit einem beson­ders gro­ßen Schwein. Aus­nahms­weise hal­fen bei uns Nach­barn nur beim Rin­der­schlach­ten oder wenn ein kräf­ti­ger Mann gerade beim Fest­hal­ten und Auf­win­den fehlte. Davon wur­den beim Rin­der­schlach­ten ein paar mehr gebraucht. Die Hel­fer kamen von den antei­li­gen Haus­hal­tun­gen, denn, weil ein nor­ma­ler Haus­halt ein gan­zes Rind im Jahr nicht ver­wer­ten konnte, wurde so ein Tier geteilt. Das geschah nach dem Aus­küh­len, meist am Tage nach dem Schlach­ten. Nach Wunsch wurde in Vier­tel, Ach­tel usw., alles gerecht auf­ge­teilt und gewo­gen und musste nach ver­ein­bar­tem Preis bezahlt wer­den. Der Schlacht­ver­an­stal­ter bekam den Schwanz und durfte auch das abge­zo­gene Fell an den Loh­ger­ber ver­kau­fen, den es vor Jah­ren ja noch auf den Dör­fern gab.

Da darf nun nicht ver­ges­sen wer­den: Vor dem Schlach­ten musste der Fleisch­be­schauer das Tier anschauen, ob es gesund war, und dann nach dem Schlach­ten Fleisch­pro­ben für die Trichi­nen­schau schnei­den, die er dann in der Küche durch sein Mikro­skop unter­suchte. Als kleine Kin­der durf­ten wir frü­her durch das Glas gucken. Auch in Lunge, Milz und Leber machte er einen Mes­ser­schnitt, um die Gesund­heit zu kon­trol­lie­ren. War alles ok, bekam des hän­gende Tier an vor­ge­schrie­be­nen Stel­len seine run­den Stem­pel. Nun erst durfte daran wei­ter­ge­ar­bei­tet wer­den. (Die Fleisch­be­schau wurde 1879 gesetz­lich ver­ord­net und durfte nur von dazu aus­ge­bil­de­ten Leu­ten aus­ge­übt wer­den. Für Klein– und Anbauer frü­her ein Zubrot, heute wird es von Tier­ärz­ten getan.)

Den rich­ti­gen Schlacht­ter­min zu fin­den, war nicht immer ein­fach. Wenn ein weib­li­ches Schlacht­schwein „eberte“, musste der Tag ver­scho­ben wer­den, weil sonst die Halt­bar­keit des Schlacht­flei­sches nicht gewähr­leis­tet war. Darum wur­den meist kas­trierte Fer­kel spe­zi­ell für die Haus­schlach­tung gemästet.

Schon das Her­aus­füh­ren aus dem Stall zum Schlacht­platz musste behut­sam gesche­hen, damit das Tier nicht auf­ge­regt wurde. Bei uns frü­her wurde eine wind­ge­schützte Stelle am Stall dafür gesucht. Ein Bund Stroh sorgte für Sau­ber­keit, wor­auf das getö­tete Schwein lag und abge­brüht wurde. Eine Schlacht­bank erleich­terte das Blut­auf­fan­gen, war aber eine Pro­ze­dur für das lebende Tier, dar­auf gelegt und gefes­selt zu wer­den. Ein geschick­ter Schlach­ter betäubte schnell mit dem Bol­zen­schuss­ap­pa­rat. Hin­ten und vorne war nur ein Bein gefes­selt und wurde fest­ge­hal­ten, damit das schnell an der Kehle abge­sto­chene Schwein nicht zu sehr zap­pelte, denn das aus­strö­mende Blut musste für die Würste und für „Swattstip­pels“ (Schwarz­sauer) auf­ge­fan­gen wer­den. Beim Blut­auf­fan­gen wurde mit der lin­ken Hand eine fla­che Schale unter den Keh­len­stich des am Boden lie­gen­den Schwei­nes gescho­ben. War die Schüs­sel gefüllt, presste der Schlach­ter den Ein­stich mit der Hand zusam­men und blitz­schnell wurde die Schale in den neben­ste­hen­den Eimer ent­leert, wo sofort die rechte Hand mit kreuz­wei­sem durch­grei­fen­den Rüh­ren begann und sich bil­dende Klümp­chen aus­drückte und ent­fernte, wäh­rend die linke Hand gleich wie­der die Schüs­sel unter den Blut­strahl schob und alles sich wie­der­holte, bis das letzte Blut aus­lief. So man­ches Mal habe ich Blut gerührt. Gefühle muss­ten dabei abge­mel­det wer­den, die oft fri­vo­len Reden der Schlach­ter hal­fen schon dazu. Das Blut musste bis zum Abküh­len eif­rig gerührt wer­den, damit es nicht klumpte und gerann. Dann wurde es im Kel­ler bis zum Wurst­ma­chen und spä­te­ren Ver­brauch aufbewahrt.

Nun musste man sich spu­ten, aus dem gro­ßen Mau­er­kes­sel im Back­haus das kochend­heiße Was­ser mit dem vom Ruß gerei­nig­ten Was­ser­kes­sel, wie sol­cher frü­her auf jedem Herd stand, zu holen. Ver­zinkte Gieß­kan­nen hatte nicht jeder Haus­halt und eine kleine Tülle ließ beim Auf­gie­ßen das Was­ser geziel­ter ver­tei­len. Etap­pen­weise wur­den mit dem hei­ßen Was­ser die Bors­ten ein­ge­weicht und gleich vom Schlach­ter mit einem spe­zi­el­len Eisen abge­schabt. Kräf­tige Arme muss­ten das Schwein dre­hen hel­fen, um es von allen Sei­ten sau­ber zu bekom­men. Die Klauen wur­den mit einem am Scha­bei­sen befind­li­chen Haken abge­ris­sen und mit schar­fem Mes­ser ausrasiert.

Nun wurde das Schwein auf eine mit Stroh gepols­terte Lei­ter gelegt und mit viel Kraft auf die Diele zum Auf­hän­gen gezo­gen. Ein Holz­stück spreizte die Hin­ter­beine. Mit Stri­cken, die im Som­mer für das Bin­den von Heu– und Stroh­wa­gen benutzt wur­den, wurde das Schwein zu den Haken in den dicken Decken­bal­ken hoch­ge­zo­gen. Das Auf­win­den war ein geschickt aus­ge­klü­gel­tes Ver­fah­ren mit in Haus und Hof gebrauch­ten Gerä­ten (Spa­ten, Hacke usw.), damit das Hoch­ge­drehte nicht wie­der zurück­rol­len konnte. Für uns Kin­der waren die Stri­cke nach dem Schlach­ten immer eine herr­li­che Schau­kel­mög­lich­keit. Wer keine Haken­vor­rich­tun­gen hatte, hing ein nicht so schwe­res Schwein auch an Lei­tern zum Abküh­len auf.

In Arbeits­höhe auf­ge­dreht wurde das Schwein nun erst mal von außen gründ­lich abge­wa­schen, um dann nach Bauch­schnitt von oben bis unten das Innere her­aus zu holen. Eine Holz­molle (Wanne) auf einem Stuhl fing das Gedärme auf, das spä­ter am Mist­hau­fen gerei­nigt wurde. Herz, Lunge, Leber und Milz kamen in die Küche bzw. in den Keller.

Mit geschick­ten Grif­fen löste der Schlach­ter die Flo­men (Bauch­wand­fett) von der Bauch­wand und befes­tigte die noch wab­be­lige Masse mit je einer Gabel zum Hart­wer­den wie­der am Fleisch auf jeder Seite. Aus dem Flo­men wurde spä­ter das Schmalz berei­tet. Gewür­felt oder durch den Fleisch­wolf gedreht, nicht zu heiß aus­ge­bra­ten und durch ein Sieb gege­ben, ent­stand das reine weiße Schmalz und das Griebenschmalz.

Die Vor­der­beine wur­den so ein­ge­schnit­ten, dass sie her­un­ter bau­mel­ten. Ein Holz­spieß hielt die Rip­pen aus­ein­an­der, damit das Fleisch bis zum Zer­tei­len bes­ser aus­küh­len konnte. Nicht immer war güns­ti­ges Frost­wet­ter beim Schlacht­tag. Darum wurde oft bei einem grö­ße­ren Schwein schon jetzt der Rücken durch­ge­sägt. Nun konnte die Haufrau begut­ach­ten, wie dick der Speck gewach­sen war, die­ser wich­tige Fett­lie­fe­rant fürs ganze Jahr! Unsere Mut­ter blickte glück­lich, wenn für ihre große Fami­lie die abend­li­che Brat­kar­tof­fel­ver­sor­gung gesi­chert war.

Jetzt wurde das Schwein von innen aus­ge­wa­schen. Nur die Flo­men durf­ten nicht nass wer­den. Blut und Säge­reste wur­den sorg­fäl­tig ent­fernt und dann das Tier so hoch gedreht, dass die Kat­zen nicht ran­sprin­gen konn­ten. Bei einem Rind wurde ein Bett­be­zug des­we­gen rübergezogen.

Das nun fol­gende Rei­ni­gen der Därme brauchte noch viel Zeit und Geschick für den Schlach­ter. Noch stramm gefüllt, putzte er zuerst das Fett vor­sich­tig von den Där­men, die drau­ßen in der Holz­molle schon abge­kühlt waren. Dann wurde der ganze Darm­in­halt mit geüb­ten Grif­fen übern Rand aus­ge­presst. Darum war der Mist­hau­fen auch der geeig­nete Ort für diese Ent­lee­rung. Viel hei­ßes Was­ser und Salz löste wei­ter Schmutz und Schleim. Dann stülpte der Schlach­ter die Gedärme nach­ein­an­der durch einen mes­sing­nen Ring, den er in zwei Grö­ßen neben Mes­ser­kö­cher und Wetz­stab am Kop­pel trug, nach innen, damit für die Würste die glat­tere (oder appe­tit­li­chere?) Außen­seite genom­men wer­den konnte. Es war spa­ßig, zu sehen, wie die Därme durch sich sel­ber flutsch­ten. Dann teilte der Schlach­ter schon mal die Grö­ßen für die jewei­li­gen Wurst­sor­ten auf und schnitt sie in die nötige Länge. In kal­tem Salz­was­ser auf­ge­ho­ben und im Kel­ler kühl gela­gert konn­ten sie auf die Wurst­fül­lung warten.

Schwie­ri­ger war, eine Kuh­panse zu rei­ni­gen. Dazu brauchte man eine große Wanne oder einen Bot­tich. Häck­sel, das für die Pferde aus Hafer­stroh geschnit­ten war, wurde mit etwas Was­ser hin­zu­ge­fügt und ein Mann musste mit Gum­mi­stie­feln (frü­her mit Holz­schu­hen) dar­auf rum­tram­peln, damit sich die rau­hen Teile lös­ten und aus­ge­wa­schen wer­den konn­ten. Ja, viel hei­ßes Was­ser, viel Holz, brauchte das Haus­schlach­ten und die erste Frage nach der Begrü­ßung war beim Schlach­ter immer: „Ist das Was­ser heiß?“

Nicht zu ver­ges­sen ist, dass auch die Blase gerei­nigt wurde und dann, wie ein Luft­bal­lon auf­ge­pus­tet, abge­bun­den zum Trock­nen über dem Herd hing. Die wurde am nächs­ten Tag in drei bis vier Teile geschnit­ten und mit über­wen­di­gen Sti­chen, mit Zwirn, zu Wurst­häu­ten für die Mett­wurst ver­näht. Das selbe geschah mit den abge­zo­ge­nen Häu­ten der Flo­men, die zurecht­ge­schnit­ten erst­klas­sige Mett­wurst­hül­len ergaben.

Der Schlach­ter nahm noch einen Imbiss oder aß zu Mit­tag, um dann zum nächs­ten Ter­min zu fah­ren. Er hatte, in etwa, fol­gen­den Rhyth­mus in sei­nem win­ter­li­chen Tages­ab­lauf (som­mers arbei­tete er meis­tens als Mau­rer): Ab 10 Uhr, oder auch etwas frü­her, wurde geschlach­tet. Nach­mit­tags bis zum frü­hen Abend wurde das am Vor­tage Geschlach­tete zer­teilt. Dann blie­ben ihm bis zum Wurst­ma­chen, das, wenn er es eilig hatte, manch­mal schon bald nach Mit­ter­nacht begann, vier bis fünf Stun­den Schlaf. Bei Wind und Wet­ter, Schnee und Eis konnte er nur per Fahr­rad seine Wir­kungs­stätte im Dun­keln errei­chen. Das waren mit­un­ter ganz schlechte Wege im Regen zu den ablie­gen­den Gehöf­ten. Eine Kar­bid­lampe mit Dau­er­schein war oft von Vor­teil vor dem ver­schlamm­ten Dynamo. An die Fahr­rad­zwi­schen­stange war der Fleisch­wolf geschraubt und spä­ter noch eine spe­zi­elle Stopf­ma­schine für die Würste. Am Ziel war er erleich­tert, wenn Licht im Hause brannte und nicht ver­schla­fen wor­den war.

Aber vor dem Wurst­ma­chen muss noch erst der zweite Schlacht­tag, das Zer­tei­len beschrie­ben wer­den. Wie gesagt, dazu kam der Schlach­ter meist am frü­hen Nach­mit­tag. Ein sta­bi­ler Tisch, Mol­len, Wan­nen und Eimer stan­den schon bereit. das Schwein wurde wie­der auf Arbeits­höhe her­un­ter gedreht, Flo­men abge­nom­men und ent­häu­tet, die Vor­der­beine und der Schwanz raus geschnit­ten. Nun hob der Schlach­ter die eine Schwei­ne­hälfte auf seine Schul­ter, der Tisch wurde her­an­ge­rückt und jemand musste die Sehne am Hin­ter­bein durch­schnei­den, an der das Tier an einer Eisen­stange gehan­gen hatte und schon ließ der Schlach­ter die Hälfte auf den Tisch fal­len. Das erste Auf­tei­len konnte begin­nen. Die Haus­frau konnte ihre Wün­sche nach Braten-, Koch– und Pökel­fleisch äußern, es wurde nach Begeh­ren zurecht geschnit­ten. Koch­fleisch und Speck­schwar­ten für die Würste wur­den schon zum Kes­sel im Back­haus geschafft. Bra­ten­fleisch wurde für die spä­tere Ver­ar­bei­tung in den Kel­ler getra­gen. Dort­hin kamen auch die Schin­ken, die Speck­sei­ten, Eis­beine, Pföt­chen, wenn gewünscht, zum Ein­pö­keln nach dem Zer­tei­len des Schwei­nes. Das Ein­sal­zen in den höl­zer­nen Wan­nen, oder oft zemen­tier­ten, fest­sit­zen­den Behäl­tern im Kel­ler, war fast immer das Werk des Schlach­ters, weil das gute Sal­zen die Vor­be­din­gung für die Halt­bar­keit der Dau­er­ware war. Nach sechs bis acht Wochen wurde das Salz warm abge­wa­schen. Mit Haken oder dicken Bind­fä­den ver­se­hen wur­den Schin­ken und Speck­sei­ten zum Luft­trock­nen oder Räu­chern in der Räu­cher­kam­mer auf­ge­hängt. Ein eiser­ner Topf mit Holz­spä­nen sorgte dann für den gewünsch­ten Rauch und Geschmack.

Wenn der Schlach­ter dann zu sei­nem nöti­gen Schlaf nach Hause fuhr, war für die Haus­frau und ihre Töch­ter oder Mägde noch lange keine Ruhe. Holz und Was­ser waren für die Wurst­brühe ins Back­haus, wo bei uns der Mau­er­kes­sel stand, zu tra­gen. Alles musste so vor­be­rei­tet wer­den, dass nachts bei Petro­le­um­lam­pen­schein (dort war noch kein elek­tri­sches Licht!) das Feuer schnell ent­facht wer­den konnte. Auch der Holz­kas­ten neben dem Herd musste für das viele Nach­le­gen gefüllt sein. Die Weck­glä­ser waren schon griff­be­reit, aber Zwie­beln muss­ten in Men­gen abge­zo­gen wer­den. Grütze, Rog­gen­mehl für die Beu­tel­wurst, Salz und die ver­schie­de­nen Pfef­fer­sor­ten wur­den bereit gestellt. Das Nähen der Wurst­häute fiel an (Spä­ter auch mit Zick­zack­näh­ma­schi­nen gemacht), das waren auch die aus Lei­nen für Beu­tel­würste. Wurst­bän­der, frü­her in Knäu­eln, wurde pas­send geschnit­ten und die Spie­len, zum Schlie­ßen und Hal­ten der Wurst­haut, nicht ver­ges­sen. Die Körbe für die Würste muss­ten mit Heu oder Stroh aus­ge­legt sein, wie auch unend­lich viele Gefäße bereit ste­hen muss­ten. Dies Vor­be­rei­ten geschah nach dem Fami­li­en­aben­d­es­sen, wenn die Küche wie­der frei war. Auch das Mel­ken war mit dem fol­gen­den Abwasch der Geräte immer zwi­schen­durch zu erle­di­gen. Natür­lich muss­ten auch die Män­ner ein­sprin­gen, sonst wäre alles nicht zu schaf­fen gewesen.

Nach kur­zem Schlaf war vor des Schlach­ters Ankunft die Küche schon warm und der Kes­sel im Back­haus ange­heizt, so konnte ein zügi­ges Arbei­ten begin­nen. Es war der Alp­traum des Schlach­ters, ein ver­schla­fe­nes Haus anzu­tref­fen oder wenn ein Gewürz fehlte.

Mit dem Durch­dre­hen (per Hand) des Flei­sches, das der Schlach­ter in pas­sende Stü­cke schnitt, begann das Wurst­ma­chen. Grob oder fein, war Ansichts­sa­che. Das Mett würzte der Schlach­ter und mengte es sehr gründ­lich durch. Nun wurde die Masse durch eine Tülle der Maschine (oder spä­ter durch die Stopf­ma­schine, dann konnte man näm­lich den Fleisch­wolf schon für das gekochte Fleisch benut­zen!) in die Därme gepresst. Es war eine Kunst, eine gute Mett­wurst zu gewin­nen: Stramm ein­ge­füllt (der Schlach­ter hielt sie sel­ber in den Hän­den, drückte, rieb und piekte mit der Gabel die Luft raus) und musste dann noch ganz fest abge­bun­den wer­den. Da gab es die meis­ten Sti­che­leien, dass man zu schwach dafür sei!! Diese kost­ba­ren Würste wur­den vor­sich­tig in die vor­be­rei­te­ten Körbe gelegt und nach dem Ende des Wurst­ma­chens zum Räu­chern oder Luft­trock­nen auf Spie­len gehängt, wo sie sich nicht berüh­ren durften.

In wel­cher Rei­hen­folge die nächs­ten Würste dran­ka­men, weiß ich nicht mehr genau. Erst aber wurde ein Früh­stück mit Mett und Boh­nen­kaf­fee genos­sen. Zwi­schen­durch wurde aber immer wie­der unterm Kes­sel und auf dem Herd Holz nach­ge­legt. Das Fleisch für die Wurst im Kes­sel durfte nicht zu weich sein. Was­ser vom Herd wurde stän­dig gebraucht. In Holz­mol­len kühlte das abge­tropfte Fleisch aus dem Kes­sel ab. Der Schlach­ter schnitt die Schwar­ten für Knipp ab, sor­tierte für jede Wurst das Nötige her­aus, das dann nach Bedarf gewür­felt oder durch den Wolf gedreht wurde. Die Leber­wurst bekam nach Wunsch rohe Leber, gekochte oder gar keine. Der Brei wurde gemengt, abge­schmeckt und dann mit­tels des Wur­strin­ges per Hand in die Därme gefüllt. Einer musste dane­ben ste­hen und gleich um die runde Wurst das Band schlin­gen, abbin­den und die Auf­hän­ge­schlaufe zukno­ten. Ein Korb zum Able­gen stand wie­der dabei. Für die Grütz­wurst (wir sag­ten immer: „Sup­pen­wurst“!) wurde heiße Brühe aus dem Kes­sel geholt und die Her­stel­lung war wie bei der Leber­wurst, nur mit ande­ren Zuta­ten. Ein gefüll­ter Magen für den Grün– oder Braun­kohl hatte ein beson­de­res Rezept und war bei unse­ren Groß­el­tern ein Festessen.

Für Sülze, Blut– und Zun­gen­wurst saß schon jemand und schnitt Fleisch und Speck in Wür­fel. Auch das wurde dann mit Gewür­zen ange­mengt, mit abge­schöpf­ter Gal­lert­masse für Sülze ver­se­hen und in die brei­te­ren Därme gefüllt. Da musste immer einer beim Auf­hal­ten hel­fen und der Schlach­ter füllte die Masse hin­ein und drückte sie vorm Abbin­den zurecht. Für die Blut­würste wurde das Blut geholt und in die Speck­wür­fel­masse gegos­sen. Das wur­den dann Würste mit vie­len „Sonn­ta­gen“, wie wir die Speck­wür­fel nann­ten, und mit weni­ger Mehl als für alle Tage, aber auch die gute flei­schige Zun­gen­wurst für den Besuch wurde gestopft. Das letzte waren die Beu­tel­würste, mit Rog­gen­mehl und Speck­wür­feln, die spä­ter in Schei­ben geschnit­ten in der Pfanne als Mit­tag­es­sen gebra­ten wur­den und mit Äpfeln gut schmeckten.

Es wurde aber schon in mei­nen jun­gen Jah­ren Wurst in klei­nere Weck­glä­ser gefüllt und zuge­kocht. Diese Wurst, ob Leber– oder Blut­wurst oder Sülze, schmeckte fri­scher und mil­der. Auch Mett, von Eis­bein­fleisch umhüllt und in Sturz­glä­ser gefüllt, war ein lecke­rer Aufschnitt.

Bei dem letz­ten Wurst­fül­len war schon jemand zum Grüt­ze­ko­chen ins Back­haus abkom­man­diert wor­den. Die Brühe vom Fleisch­ko­chen war im Kes­sel geblie­ben. So konnte die Grütze zum Knipp­ko­chen schnell ein­wei­chen. In der Küche wur­den die Schwar­ten, Inne­reien, Abfälle usw. durch den Wolf gedreht und nach dem Gar­wer­den der Grütze samt Salz und Gewür­zen in den gro­ßen Kes­sel getan. Da musste vor­her und nun eif­rig gerührt wer­den, damit nichts anbrannte. Das Knipp musste auch gut durch­ge­kocht sein, weil es ja wochen­lang, in Schüs­seln gefüllt, im Kel­ler zum Ver­zehr hal­ten musste. Frü­her war das ein mor­gend­li­ches Essen auf Schwarz­brot, wir moch­ten es gerne knusp­rig gebra­ten. Damit es keine Streit unter uns fünf Kin­dern gab, teilte Mut­ter für uns die Pfanne in Stü­cken auf. das Knipp sparte die But­ter in den Win­ter­mo­na­ten, wenn die Milch zum But­tern durch die tro­cken­ste­hen­den Kühe knapp war.

Der Schlach­ter hatte das Knipp noch abge­schmeckt, früh­stückte mit Spie­ge­lei­ern, Mett und Bauch­fleisch, trank gerne einen Grog dazu (Schnapps hatte es natür­lich die ganze Schlacht­zeit gege­ben!!) ließ sich seine Arbeit bezah­len und ging zum nächs­ten Wurst­ma­chen oder zum neuen Schlachten.

Bei uns kam nach dem Aus­fül­len des Knipps und gro­ben Rei­ni­gen des Kes­sels das Wurst­ko­chen. Was­ser musste neu von der Haus­pumpe her­ge­tra­gen und zum Sie­den gebracht wer­den. Hei­ßer durfte das Was­ser nicht sein, damit die Wurst­haut nicht platzte und der Brei im Wurst­was­ser ver­schwand. Mit einer Kelle wur­den die schwim­men­den Würste immer wie­der getaucht, damit die Haut feucht blieb. Jede Wurst­sorte hatte ihre Gar­zeit. Um die rich­tige Gar­zeit der dicken, in End­därme gefüll­ten Blut­würste fest­zu­stel­len, piekte man sie mit Wurst­spie­len (Holz­stäb­chen) an. Trat Blut oder braune Flüs­sig­keit aus, waren sie noch nicht gar. Wenn eine klare, fette Brühe her­aus spritzte, konn­ten die Würste her­aus­ge­ho­ben wer­den. Mit der Kelle und einer Hand, die den Bind­fa­den fasste, wur­den sie auf die Stoh­un­ter­lage zum Trock­nen gelegt. Spä­ter wur­den auch sie in die Räu­cher­kam­mer gebracht. Räu­cher­wurst hielt sich ein­fach län­ger. Schwere Würste erhiel­ten oft eine Bauch­binde aus Lei­nen­strei­fen, damit das Wurst­band nicht aus­riss und die Mäuse sich an der Wurst laben konnten.

Das Wurst­ma­chen ging bis in die Mor­gen­stun­den. Gemol­ken musste dann zwi­schen­durch wer­den. Die Küche musste vom Fett befreit wer­den, damit der Tisch für die große Fami­lie zum Früh­stück benutzt wer­den konnte. Was musste nicht alles abge­wa­schen und bei­seite geschafft wer­den! Zum Mit­tag gab es dann meist eine Grütz­suppe mit Sup­pen­wurst, wir nann­ten sie „Behelfs­suppe“, aber sie schmeckte, mit Por­ree und Kar­tof­feln, trotz allem fett– und Gewürz­ge­ru­ches, immer sehr gut. Der Herd wurde für den Weck­topf gebraucht. Bald blub­ber­ten die ers­ten Wurst­glä­ser im Topf. danach kam des Bra­ten­fleisch in die hohen Glä­ser. In mei­ner Jugend war es die gän­gigste Art, Fleisch zu kon­ser­vie­ren. Auch das Sup­pen­fleisch wurde so halt­bar gemacht, denn es schmeckte doch fri­scher als das ein­ge­pö­kelte Fleisch. Tage­lang stand der Weck­topf auf dem Herd, bis alles Fleisch bei­seite geschafft war.

Fiel ein Back­tag in die­ser Zeit an, wurde gern ein mari­nier­tes gro­ßes Stück Fleisch im Brä­ter mit dem Schwarz­brot in den Back­ofen gescho­ben und bruz­zelte dort zum leckers­ten Bra­ten. Ein guter Back­ofen im Herd schaffte das auch und geschmorte Fleisch­stü­cke nach dem Schlach­ten waren gang und gäbe. Es wurde nie fri­sches Fleisch vom Schlach­ter­la­den geholt, son­dern nur von den eige­nen Schwei­nen gegessen.

In den 30er Jah­ren kamen immer mehr die Kon­ser­ven­do­sen auf. Viele Haus­halte rich­te­ten sich ganz dar­auf ein. Es war nur umständ­lich: Die gebrauch­ten Dosen muss­ten vor der Wie­der­ver­wen­dung abge­schnit­ten wer­den. Sol­che Maschi­nen gabs nicht viele. Man musste zum Klemp­ner, der auch die Deckel hatte und die Dosen nach dem Fül­len ver­schloss. Da musste immer ein Fuhr­werk, sei es auch nur der Hand­wa­gen, die Dosen hin­fah­ren und im gro­ßen Kes­sel muss­ten sie dann auch noch gekocht wer­den. Unser Haus­schlach­ter hatte sich spä­ter eine Vor­rich­tung zum Abschnei­den und Schlie­ßen der Dosen ange­schafft, die seine Frau bediente. Dosen hat­ten den Vor­teil, siche­rer ver­schlos­sen zu sein. Bei den Glä­sern gab es schon mal ver­dor­be­nen Inhalt durch defekte Ringe oder Feh­ler am Glas.

So ist mit viel Arbeit das Schlach­ten been­det wor­den. Kann man das als „Schlacht­fest“ bezeichnen?

Sicher, es war bei all dem vie­len Tun ein Spaß, sich gut unter­hal­ten zu kön­nen. Der Schlach­ter, der durch viele Häu­ser kam, wußte viel Neues. Der „Klare“ zwi­schen­durch löste die Zunge und so wurde eif­rig über Dorf­ge­schich­ten geklatscht und über das Welt­ge­sche­hen geredet.

Es blieb im Win­ter meist nicht bei einem Schlacht­vor­gang. Je nach Hau­halts­größe und Wohl­ha­ben­heit wur­den zwei, drei und auch mehr Schweine geschlach­tet. Oft kam zu zwei fet­ten Schwei­nen noch gegen Früh­jahr ein leich­tes, mage­res „Bra­ten­schwein“. Dann wurde kaum Wurst gemacht. Nur „Knipp“ fiel immer an.

Ich glaube nicht, dass frü­her üppig gelebt wurde. Die vie­len hung­ri­gen Mün­der am bäu­er­li­chen Mit­tags­tisch brauch­ten für die kör­per­lich harte Arbeit die nöti­gen Kraft­stoffe zum Durch­hal­ten. Gemü­see­in­töpfe mit einem Stück Speck und Fleisch waren die Regel der Ernäh­rung. Auch das erwähnte „Schwarz­sauer“ aus Fleisch– und Speck­stü­cken, Back­obst und Brühe, mit Blut ein­gesämt und sauer abge­schmeckt, war an meh­re­ren Tagen nach dem Schlach­ten ein preis­wer­tes und nahr­haf­tes Mit­tag­es­sen. Zu den all­abend­li­chen Brat­kar­tof­feln gehörte ein­fach das Räu­cher­speck. Zum Mit­tag­es­sen waren dafür immer so viele Kar­tof­feln gekocht wor­den, dass sie auch noch für abends reichten.

Char­lotte Homfeld