Molkereien unserer Heimat
1. Centralmolkerei Hollen 1
In der Inflationszeit 1921/23 steckten die Milchwirtschaft und der Schweinemarkt in einer tiefen Krise. Dies führte zur Auflösung der Molkereigenossenschaft Schwarme am 5. September 1921. Danach wurde die Molkerei unter einigen Spekulanten hin und her geschoben. Für eine kurze Zeit gab es sogar keinen Besitzer. So das Tagebuch des Schwarmer Lehrers Bredemeyer, der Zeitungsberichte und örtliche Gegebenheiten zitierte.
Für den letzten Besitzer hatte Hermann Ehlers in Hollen (Nr. 81) eine Bürgschaft übernommen. Nach der Zahlungsunfähigkeit des Betriebes zog Ehlers die Maschinen ab. Er baute sie bei sich im Schweinestall, den er verlängerte, wieder auf. So entstand die „Centralmolkerei Hollen“. Der Betrieb wurde zunächst an D. Hackemack und danach an Bruno Adam aus Schlesien verpachtet. Hermann Ehlers Frau Dorothee warb um Kunden, die dann in der nahen und weiteren Umgebung gefunden wurden. Zur gleichen Zeit gab es noch die kleine Molkerei in Bruchhausen über der Eyter (Anm.: Ein Fluss!) und Dethlefsens Molkerei in Martfeld. Die Schwarmer machten sich in den Folgejahren Gedanken über eine bessere Verwertung der Milch ihrer 1.100 Kühe. Daraufhin wurde am 19. Januar 1928 die Gründung einer neuen Molkerei-Genossenschaft beschlossen. Im selben Jahr wurde die neue Schwarmer Molkerei gebaut.
Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten erfolgte bald die Zwangsbewirtschaftung der Milch. Sie sollte in größere Einheiten zusammengefasst werden. Deshalb wurden moderne Molkereien gebaut. So wurde 1935 in Martfeld eine neue Molkerei in Betrieb genommen. Die kleine Centralmolkerei in Hollen musste darauf ihre Existenz aufgeben und wurde nach und nach abgebaut.
2. Die Molkerei Dethlefsen in Martfeld
Johannes Dethlefsen, ein Bauernsohn von einem 6o ha großen Hof auf der Insel Pellworm, 1868 geboren, war 7 Jahre als Maschinist zur See gefahren. Wegen seiner ständigen Seekrankheit suchte er sich einen Ersatzberuf bei einer Firma, die auch Molkereimaschinen baute.
Bei der Errichtung der Molkerei in Oiste lernte er seine Frau Paula geb. Christ kennen, eine Polizeibeamtentochter aus Verden. 1906 beschloss er mit ihr in Martfeld am Weg „In die Weide“ am Streekfleet, der alten Feldlake, eine Molkerei aufzustellen. Am 25.04.1907 ist eine Molkerei mit Fabrikschornstein, Meierei mit Maschineneinrichtung samt Wohnhaus, Stall und Anbau feuerversichert.
Die geführten Bücher liegen noch im Hause vor und könnten sicher viel über Anlieferung und Vermarktung aussagen.
Ab 1921 machte die Inflation, wie auch die Kriegsjahre vorher, diesem Betrieb zu schaffen und die schlechte Ausbeutung der vielfach gepanschten Milch zwang Dethlefsen 1923/24 zur Aufgabe.
Vor dem 2. Weltkrieg wurde der Schornstein umgelegt. Zur gleichen Zeit wurde auch die uralte Bockwindmühle in Wechold abgerissen. Sie sollten feindlichen Angreifern keine markanten Anflugsziele geben. (Private Mitteilungen und Brandkataster Angaben)
3. Die neue Martfelder Genossenschafts-Molkerei
Die 1935 in Martfeld auf genossenschaftlicher Basis umgebaute supermoderne Molkerei hatte die private Centralmolkerei in Hollen abgelöst, die es seit 1921 dort gab. In Schwarme war die 1889 gegründete Molkerei mit ihrem Pächter finanziell in Schwierigkeiten geraten. Verpanschte Milch ließ vor der Zahlung nach Fettgehalt jeden Molkereieigentümer schwer um seine Existenz kämpfen. Dazu kam die Zwangsbewirtschaftung der Butter im 1. Weltkrieg, die Inflation 1921/23. So kam es auch in diesen Jahren zum Stillstand der privaten Molkerei Dethlefsen in Martfeld, die erst 1906/07 neu gebaut worden war und alle Milch annahm, die man nicht mehr selbst verbuttern wollte.
In Hollen hatte der Anbauer und Gastwirt Ehlers Bürgschaft für den Schwarmer Molkereipächter geleistet und holte sich die Maschinen von dort in seinen Stallanbau. Mit deren Vergrößerung wurde in schwieriger Zeit ein funktioneller Betrieb aufgestellt und an einen Fachmann verpachtet. Lieferanten wurden angeworben und zuerst war nur eine kleine Molkerei in Bruchhausen Konkurrenz. Die Schwarmer bauten 1928 wieder einen eigenen Betrieb auf, der 1975 mit Thedinghausen vereinigt wurde. Ab 1967 hatten sie noch Kochkäse zum Verkauf hergestellt.
Die gut laufende Centralmolkerei in Hollen fiel der Zwangsbewirtschaftung der Milch durch die Machtergreifung der Nationalsozialisten zum Opfer. Diese wollte ein großes Gebiet einheitlich zusammenfassen. So lieferten fast 1.000 Mitglieder aus vielen umliegenden Dörfern bald ihre Milch an Martfeld ab.
Die 20-Liter-Kannen, die jeweils die aufgeschweißte Nummer des Mitglieds trugen, wurden mit Pferdefuhrwerken herangefahren und mit den Jahren mit immer fortschrittlicheren Methoden entleert und nach Wunsch mit Magermilch und Molke (“Watsche“) gefüllt und zurückgefahren. Auch Buttermilch wurde an die Bauern zurückgeliefert, aber diese nur literweise in gesonderten kleinen Buttermilchkannen mit i.d.R. 5 Liter Inhalt. Pferdegespanne und Ackerwagen wurden nach dem Krieg durch luftbereifte Anhänger und Trecker ersetzt. Nur wenige Wagen waren nach 1960 noch mit Pferden bespannt. In den Morgenstunden ist ab 7 Uhr ein lebhaftes Kommen und Fahren an der Rampe gewesen und in allen Straßen sah man die Milchfuhrwerke halten, um die Kannen bei dem jeweiligen Besitzer auf– oder abzuladen. Dafür waren sogenannte Milchbänke vorgeschrieben, damit die Kannen am Boden nicht beschmutzt wurden. Diese Bänke wurden zu einem wunderbaren Sitzplatz für Nachbarschaftsgespräche vor dem Hoftor.
Nach 1945 wurden im Molkereibetrieb Butter, Schnittkäse (Tilsiter) und Quark für Kochkäse hergestellt und mit der Sahne zum Verkauf angeboten. Kaufleute aus dem Ort holten sich frische Waren, sogar auch Großhändler aus Bremen. Da wurde mit drei verschiedenen Preisen abgerechnet: Die Genossenschaftsmitglieder, die Kaufleute und die Privatabnehmer.
Nicht verwertete Milchmenge wurde von der „Nordmilch Zeven“ in Tanks abgeholt und die Butter von der BAZ (Butterabsatzzentrale Hannover). Joghurt von der Nordmilch wurde später in den Handel zum Verkauf einbezogen.
Zu der Milchvermarktung kam eine Kartoffeldämpfanlage für die Genossenschaftsmitglieder, die im Herbst sehr genutzt wurde. Das hatte die 1889 in Schwarme erbaute Molkerei schon 1892 praktiziert, als sie diese Dämpfe in Kübel mit Kartoffeln geleitete, die für die Schweinemast bestimmt waren. Der Kartoffelanbau für die Schweinemast florierte und hier war das Umland für das berühmte „Hoyaer Landschwein“.
Nach 1970 kam in allen Molkereibetrieben eine Flaute. Immer strenger werdende Lieferbedingungen ließen Kleinbetriebe die Milcherzeugung beenden. Die heranwachsenden Kinder suchten sich einen anderen Job als die Landwirtschaft. Die Umstellung auf Kühlräume in den Erzeugerbetrieben mit der Milchabholung durch Tankwagen ließ dann die Mittelbetriebe das Melken der Kühe aufgeben. Erst war in Martfeld nur noch ein Sammellager für die Milch in der Molkerei, dann kam 1984 auch die Verschmelzung mit der Molkerei in Thedinghausen. Das Molkereigebäude wurde 1985 an Familie Arnaschuß aus Bremen verkauft. Sie betreiben eine Wäscherei, auch für Hotel– und Betriebswäsche, eine Teppichreinigung und eine Textilaufbereitung sowie andere Angebote im „Top-Service“. Dazu bauten sie um und große Räume dazu, dem dann der große Schornstein zum Opfer fiel, der 60 Jahre ein drittes Wahrzeichen von Martfeld war.
Fast 1.000 Mitglieder lieferten ihre Milch an, heute kann man sie im Umkreis an den 10 Fingern abzählen, aber statt 5 bis 10 Kühe stehen heute 30 bis 50 Kühe in den Ställen. Die Abholung der Milch erfolgt heute durch Milchtankwagen zur Molkerei Thedinghausen. In Hollen gibt es einen Bio-Milch-Lieferanten mit ca. 40 Kühen, der nach Oldenburg oder ins Rheinland liefert.
Charlotte Homfeld
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1 Quelle: Aus der Schriftenreihe des Heimat– und Verschönerungsvereins Martfeld 5. Band. „Chronik der ehemaligen Gemeinde Kleinenborstel“, Ein Beitrag von Fredy Ehlers, Hollen (Nr. 67).