Die Ernäh­rung auf dem Lande – Auf­zeich­nun­gen von Char­lotte Hom­feld aus Kleinenborstel

Brot backen

Vom Brot­ba­cken und sei­nen Umstän­den in den letz­ten Jahr­zehn­ten der Backhäuser

Für „een Grö­schen Geest un twee Grö­schen Suur­deeg“ (10 Pfen­nig Hefe und 20 Pfen­nig Sau­er­teig), das waren die Aus­ga­ben in mei­ner Jugend­zeit bei einem Bäcker für unser Back­un­ter­neh­men im eige­nen Backofen.

Bis in die spä­ten Nach­kriegs­jahre war es gang und gäbe, dass die in unse­rer Gegend ganz beson­ders auf­fäl­li­gen klei­nen Back­häu­ser zum Sel­ber­ba­cken der Brot­menge benutzt wur­den. Über diese Häu­ser, das möchte ich nicht uner­wähnt las­sen, gibt es seit etwa fünf Jah­ren ein ein­drucks­vol­les und auch zeit­ge­schicht­lich inter­es­san­tes Buch von Heinz Riepshoff, Ver­den , der darin Spei­cher und Back­häu­ser der Graf­schaft Hoya in Wort und Bild erklä­rend zusam­men­ge­stellt hat, die heute meist zweck­ent­frem­det genutzt werden.

Auf jedem Hof unse­rer hoyai­schen Land­schaft stand so ein Haus mit ange­bau­tem Back­ofen, mehr oder weni­ger groß, uralt aus Fach­werk und hat­ten oft vor­her den Zweck eines Korn­spei­chers. Im vori­gen Jahr­hun­dert waren sie mit Zie­gel extra für das Backen in klei­ne­rem Maß­stab gebaut wor­den und stan­den, wegen der Feu­er­ge­fahr, meist vor­ge­schrie­ben wei­ter ab von den ande­ren Gebäu­den. Es gab da auch inner­halb neuer Stall­bau­ten große Back­öfen, die oft von der Fut­ter­kü­che im Schwei­ne­stall aus bedient wur­den. Um 1930 kamen die prak­ti­schen klei­nen Schamotte-Hausbacköfen von der Fa. Appelt immer mehr auf, die auch in Küchen Platz fanden.

Frü­her hat­ten die meis­ten Häu­ser und Höfe bei uns wegen der bes­se­ren Nutz­bar­keit und Hol­zer­spar­nis „Back­nach­barn“, die sich beim Ein­hei­zen und Ver­sor­gen der Öfen in ihren Back­häu­sern abwech­sel­ten. Unser Back­nach­bar war ein kin­der­lo­ses Bau­ernehe­paar mit Knecht und Magd, wie die Hil­fen damals noch hie­ßen. Sie waren auch frü­her die zustän­di­gen Leute zu Hoch­zei­ten, Tau­fen und Begräb­nis­sen, die ihre Pferde vor die Kutsch– oder Lei­chen­wa­gen spann­ten, wie es, umge­kehrt, für sie und andere pfer­de­lose Anwe­sen üblich war. Ein ‚Patt­weg’1 durch unse­ren lan­gen Gemü­se­gar­ten und anschlie­ßen­den Gra­san­ger zu ihrem Back­haus war die Ver­bin­dung zum Back­ge­sche­hen. Unser Back­haus stand sehr nahe am Wohn­haus mit dem Ein­gang über die Abwasch­kü­che zur Haus­kü­che. Es hatte bis zum zwei­ten Scheu­nen­bau auf dem Hof, um 1842, noch als Korn­spei­cher gedient und war 1730 als Fach­werk erbaut wor­den. Darum war es auch so geräu­mig mit einem Zim­mer neben dem Ein­gang, wo der alte Web­stuhl mit einem Bol­ler­o­fen stand, der noch bis zum Kriegs­be­ginn für die Aus­steuer der Töch­ter benutzt wurde. Lei­der ver­brannte der Web­stuhl, aus­ge­lie­hen, bei einem Gewitter.

Das 200 Jahre alte Fach­werk hielt 1941 sogar der Split­ter­bombe stand, die wenige Meter nebenan fiel. Der Druck ließ Dach­zie­geln und Fens­ter pur­zeln und deckte auch den Back­ofen ab, ließ aber das Gewölbe heil blei­ben. so dass wir bald wie­der backen konn­ten. 1996 erlebte das Gebäude noch ein „Umrol­len“, wie es nur mit Fach­werk mög­lich ist. Es steht jetzt schmuck und allein im ehe­ma­li­gen Hof­gar­ten und war­tet auf seine Voll­en­dung zum dau­er­haf­ten Woh­nen einer der Haustöchter.

Nun aber vom Backen in dem ange­bau­ten gro­ßen Back­ofen. Alle drei bis vier Wochen stand der Back­tag an. Im Win­ter, wenn nicht gefrüh­stückt wurde, die Pferde bei Feld­ar­bei­ten dazu und zum Nach­mit­tags­kaf­fee keine dicken Schei­ben und Knüste beka­men, für das durst­lö­schende Brot­was­ser (Schwarz­brot und Was­ser) keine Extra­schei­ben gebraucht wur­den und das Brot auch nicht so leicht schim­melte, lag eine län­gere Spanne zwi­schen die­sen Tagen. Sechs große Schwarz­brot­laibe gehör­ten bei uns und unse­ren Nach­barn zum Grund­be­darf. der Ter­min zum Backen war meist, nach Abspra­che, ein Frei­tag oder Sonn­abend, damit auch ein Sonn­tags­ku­chen mit gegart wer­den konnte. Für den Sonn­tag­nach­mit­tag war in mei­ner Jugend meist ein Kuchen üblich und hatte den Stu­ten ver­drängt, den es nun schon mal zum Nach­mit­tags­kaf­fee am All­tag gab und auch mit Schwarz­brot „geklappt“ gut schmeckte.

Mut­ter backte zwi­schen­durch im Back­ofen des Holz– und Koh­len­her­des in der Küche krosse But­ter­ku­chen. Darin gelan­gen auch Bis­kuit­teige, Napf­ku­chen, Klein­ge­bäck, Stu­ten und sogar das Grau­brot, wenn es nicht bis zum gro­ßen Backen reichte. Wenn aber im gro­ßen Ofen das Backen anstand, musste diese Wärme und die Mühe des Hei­zens voll aus­ge­nutzt wer­den und darum war ein Back­tag, wie das Wurst­ma­chen, eine über­aus arbeits­auf­wen­dige Ange­le­gen­heit neben der all­täg­li­chen Arbeit.

Wir hat­ten auf der Diele eine eigene Mühle mit gro­ßem Mahl­werk ste­hen, wo mein Vater seit der Elek­tri­zi­tät auf dem Hofe (1. März 1914) mit einem Motor im fahr­ba­ren Wagen, damit er auch beim Dre­schen in der Scheune genutzt wer­den konnte, alles für das Füt­tern not­wen­dige eigene Korn zer­klei­nerte. Hier wurde auch das Mehl zum Schwarz­brot­ba­cken gemah­len. Der Rog­gen dazu wurde schon beim Dre­schen aus­ge­sucht, wenn gro­ßes sau­be­res Korn aus der Maschine lief, und das wurde manch­mal noch durch die hand­be­trie­bene Staub­mühle gerüt­telt, um letz­tes Unkraut zu tren­nen. Auch wurde beim Mah­len ein Vor­lauf gemacht, damit kein Spelz (Boßeln) vom grob zer­quetsch­ten Hafer für die Pferde uns nach­her im Brot zwi­schen die Zähne kam. Etwas gro­ber als das Schwei­ne­mehl lief dann das Back­mehl in einen eigens dafür hand­ge­web­ten drel­le­nen Sack.

Für das Grau­brot war aber das gebeu­telte Rog­gen­mehl nötig und das eben­sol­che Wei­zen­mehl für Stu­ten und Kuchen. Das wurde in dicht geweb­ten Beu­teln zu 10 oder 20 Pfund oder mehr von den Müh­len geholt, die die Fein­mahl­gänge besa­ßen und das Mehl auch in klei­ne­ren Men­gen ver­kauf­ten. Das war in Mart­feld, unse­rem Kirch­dorf, die Motor­mühle. Es gab aber im Ort noch Wind­müh­len zum Mah­len, drei bis kurz vor dem letz­ten Krieg. Dort­hin fuh­ren Pfer­de­ge­spanne, auch Wagen mit Kühen und Och­sen, oder das Mahl­gut wurde mit Schieb­kar­ren trans­por­tiert. Unser gebeu­tel­tes Mehl hol­ten wir meist mit dem Fahr­rad und dazu die zu Anfang erwähnte Hefe mit Sau­er­teig, wozu immer die ein­dring­li­che Ermah­nung der Mut­ter kam, dies ja nicht zu ver­ges­sen. Das waren doch die Treib­kräfte, um über­haupt zu mild­säu­er­li­chem Brot zu kom­men. Es war bei uns nicht mehr üblich, vom letz­ten Backen einen faust­gro­ßen Klum­pen Teig auf­zu­he­ben, der die neu ange­setzte Mehl­masse zum Gären brin­gen sollte und sie back­fä­hi­ger machen.

Unter der Treppe zum Boden­raum im Back­haus stand ein rie­si­ger Trog auf Stei­nen in Arbeits­höhe vor dem Fens­ter. Das war ein aus­ge­höhl­ter eiche­ner Baum­stamm und stammte sicher schon von den Back­an­fän­gen in die­sem Hause. Darin wurde am Abend vor dem Backen der Schwarz­brot­teig ange­mengt. In nicht zu hei­ßem Was­ser, damit die Gärung nicht gleich ver­nich­tet wurde, löste man den Sau­er­teig auf und ver­mischte ihn mit dem ein­ge­schüt­te­ten Mehl und wei­te­rem war­men Was­ser und einer Hand­voll Salz zu einem gro­ßen Teig. Das war eine Arbeit für Kön­ner, die das Gefühl für das rich­tige Men­gen­ver­hält­nis hat­ten, denn es wurde nichts abge­wo­gen für die sechs Brote. Ein sau­be­res altes Tisch­la­ken deckte dann den Teig zu, dar­über kam ein Bett­stück, ein Kis­sen, das frü­her in den zweischläf­ri­gen Bet­ten zu Füßen lag und in Länge und Breite pas­send das Ange­mengte zum Auf­ge­hen wärmte.

Der Ofen­hei­zer, in mei­ner Zeit war es mein Vater und beim Nach­barn auch der erfah­rene ältere Bauer selbst, hatte schon vor­ge­sorgt. Stroh zum Anhei­zen lag in der Nähe der Ofen­tür, auch Ofen­mund genannt. Das war ein Loch mit eiser­ner Tür, ca. 40 x 60 cm groß, vor dem Gewölbe. Groß genug zum Hei­zen und das Back­gut hin­ein zu schie­ben, klein gehal­ten, damit nicht zu viel Hitze ent­flie­hen konnte. Bei Regen­wet­ter wurde schon mal Holz vor­her in die­sen Vor­raum her­ein geschafft, wo aber auch die Koh­len und die Bri­kett für den Kachel­ofen gela­gert waren und der große Was­ser­kes­sel dane­ben stand, der mit dem drei­bei­ni­gen Wasch­zu­ber an sol­chen Tagen als Ablage diente. Die­ser strom­lose Raum hat nicht nur das Backen, Wäsche­wa­schen und Wurst­ko­chen erlebt. Der Kes­sel war nütz­lich zum Sirup­ko­chen, zum heim­li­chen Schnaps­bren­nen nach dem Kriege und end­lich auch zum Heiß­ma­chen von Was­ser für die Zink­ba­de­wanne, Bade­was­ser für die ganze Fami­lie, ehe in spä­te­ren Jah­ren Dusche und Bad ins Haus kamen.

Nun aber ist Brot­ba­cken ange­sagt. Nach dem Schwei­ne­füt­tern ging am ande­ren Mor-gen das Hei­zen los. Der Ofen sollte mög­lichst um 11 Uhr heiß sein, damit hin­ter­her Zeit zum Kochen blieb, denn um 12 Uhr war das Mit­tag­es­sen üblich. Ein schlecht ste­hen­der Wind, der den Rauch rein statt raus trieb, konnte das Vor­ha­ben schon mal ver­ei­teln und ebenso feuch­tes Holz, das anfangs nicht gut bren­nen wollte. Busch­holz, das zum Hacken zu sper­rig war, wurde zum Hei­zen genom­men. Alte Lat­ten, Pfähle, alles Holz mit Nägeln, das nicht zum Sägen taugte, wurde nach und nach mit der Forke hin­ein­ge­scho­ben, die nur die­sem Zweck diente. Die beste Hitze gab Dor­nen­busch­holz (Weiß­dorn), ideal zum But­ter­ku­chen­ba­cken. Das war nicht immer vor­han­den und auch läs­tig zu bän­di­gen mit den Dornen.

So legte der Hei­zer Stunde um Stunde nach und ver­teilte die Glut nach allen Sei­ten des Gewöl­be­bo­dens, bis auch die obe­ren Steine eine grau-weiße Farbe beka­men und der Ofen heiß genug war. Manch­mal band er zwi­schen­durch Bir­ken­reise zu Besen mit im Ofen erwärm­ten hal­bier­ten Wei­den­ru­ten, die sich so geschmei­di­ger und fes­ter um ein Bün­del wickeln und befes­ti­gen lie­ßen. Rei­sig­be­sen brauchte man fast jede Woche einen neuen für Diele, Stall und Hof, und dies war auch eine Arbeit für Kenner.

Schon früh stand eine der Frauen im Back­haus und arbei­tete den auf­ge­gan­ge­nen Schwarz­brot­teig durch. Mit einem gro­ßen Mes­ser wurde ein Stück abge­schnit­ten und dann im Trog durch­ge­kne­tet und evtl. war­mes Was­ser zuge­ge­ben, wenn er zu fest war. Das war schweiß­trei­bend, aber wich­tig für ein gutes Brot. Zuletzt wurde der mit dem Laken bedeckte Teig mit den Füßen getre­ten, um wie­der einen guten Ver­bund her­zu­stel­len. Mit einem Laken bedeckt konnte er dann bis zum Aus­ma­chen nach­rei­fen. Wenn der Zeit­punkt zum Ein­schie­ben fest­stand, wurde wie­der tüch­tig gekne­tet, dann wur­den sechs Brote gerollt und geformt, so ca. 8 – 10 Pfund schwer, und diese beka­men ein „HH“ als unser Zei­chen, der Nach­bar hatte ein „M“. Die Laibe lagen bis zum Ein­schie­ben für neues Auf­ge­hen im Trog und auf den Abla­gen oder wur­den mit einer fla­chen, mit Tüchern beleg­ten Holz­schieb­karre zum Nach­barn gefahren.

In der recht war­men Küche war aber schon seit dem frü­hen Mor­gen reges Wir­ken. Mut­ter hatte in einer Holz­molle, die auch beim Wurst­ma­chen gebraucht wurde, den Teig für Grau­brot gemengt. Für das gebeu­telte Rog­gen­mehl wurde Hefe genom­men und ange­wärm­tes Was­ser, But­ter­milch oder Molke. Man konnte zum Ver­fei­nern Wei­zen­mehl hin­zu­neh­men, so wurde es mehr ein Weiß­brot. Der ange­rührte Teig musste genau so gut durch­ge­ar­bei­tet wer­den, wie beim Schwarz­brot, nur brauchte er weni­ger Zeit zum Auf­ge­hen. An kal­ten Tagen hatte das aus­ge­beu­telte Mehl vor­her schon zum Auf­wär­men in der Küche gestanden.

Nach dem Grau­brot– war der Kuchenteig ange­rührt wor­den. Nach dem Vor­ge­hen der Hefe mit etwas Zucker wurde Fett in war­mer Milch auf­ge­löst und mit dem Mehl ver­mengt. Wie viel But­ter, Schmalz, Mar­ga­rine oder Talg (machte einen kros­sen Teig!) hin­ein­kam, war immer eine Frage der Art und Qua­li­tät des Kuchens und des Vor­han­den­seins von Fett. Auch mit Öl ließ er sich backen. Da gab es den guten But­ter­ku­chen, mit dem man bei Gäs­ten Ehre ein­le­gen wollte, der But­ter im Teig und üppi­gen Belag mit But­ter hatte und bei dem auch das Blech damit ein­ge­fet­tet war. Sogar zu den Fest­ta­gen waren die Kuchen unter­schied­lich belegt. Nach alter Sitte gab es an die­sen Tagen zum Mor­gen­kaf­fee schier But­ter­ku­chen zum Sat­tes­sen, der uns Süß­mäu­lern immer ein Genuss war. Hier lagen die Fett­au­gen nicht so dicht bei­ein­an­der und der Zucker nicht so dick und für sol­che Kuchen wur­den die Ble­che mit Speck-schwarten, Schmalz oder Mar­ga­rine ein­ge­rie­ben. Für But­ter­ku­chen wurde ein Back­tag oft genutzt, um ihn hin­ter­her zum Trock­nen einzuschieben.

Der glei­che Teig war nach dem Durchwal­ken und erneu­tem Gehen auch sai­son­be­dingt für Apfel– und Zwet­schen­ku­chen brauch­bar und für den Streu­sel­ku­chen und unse­ren belieb­ten, lange frisch blei­ben­den Wickel­ku­chen mit Rosi­nen, Korin­then, Suc­cade , Zimt-Zucker und But­ter gefüllt.

Wenn alle benö­tig­ten Ble­che gefet­tet waren, der Teig gerollt oder gewi­ckelt dar­auf lag, scholl oft der Ruf durch’s Haus „Döör to! De Kooken wat kold!“ Nun wur­den die Brote aus dem Fein­mehl geformt. Anschlie­ßend piekte man mit einer Gabel die auf­ge­gan­ge­nen Kuchenteige, ehe sie den Belag beka­men. Kalte But­ter in Flöck­chen, Streu­zu­cker mit Vanille und Zimt aro­ma­ti­siert musste dar­auf ver­teilt wer­den. Die Ble­che waren mehr als dop­pelt so groß, wie die für die Elek­tro­herde. 6 – 7 sol­cher Plat­ten wur­den Fest­ta­gen geba­cken. Die Ble­che waren oft ohne Kan­ten, sie waren bil­li­ger zu schmie­den. Das schnelle Backen ließ der But­ter keine Zeit zum Her­un­ter­lau­fen und sie waren ein­fach mit dickem Zei­tungs­pa­pier nach dem Backen oder vor dem fet­ten zu reinigen.

Der Hei­zer hatte inzwi­schen mit einem Scha­ber an einem lan­gen Stock die letzte Glut aus dem Ofen in eine Blech­balge gezo­gen und raus­ge­tra­gen und bei Wind wegen Feu­ers­ge­fahr abge­deckt. Dann tauchte er einen Sack am Stiel in einen Eimer mit Was­ser und rieb den Ofen­bo­den von der letz­ten Asche sau­ber. Nun konnte das Backen losgehen!

Meist wur­den Plat­ten­ku­chen wegen der guten Hitze zuerst ein­ge­scho­ben und so stan­den die Frauen bereit und leg­ten sie auf den Holz­schie­ber, womit der Hei­zer sie nach­ein­an­der und neben­ein­an­der in den Ofen balan­cierte. Nun die Tür zu, aber bald nach­ge­schaut, ob ein Kuchen Bla­sen warf. Dann ließ ein Nagel an einem lan­gen Stab mit einem Piek diese Luft raus. Wenn nach 10 Minu­ten Knis­tern und Bruz­zeln des Fett­ge­mi­sches die rich­tige lichte Bräune erreicht war, wurde der Kuchen von unten leicht ange­ho­ben und begut­ach­tet, ob die Hitze durch und der Kuchen mit schö­ner Bräune gar war. Mit Topf­lap­pen tru­gen wir die fer­ti­gen Kuchen auf die Diele und schüt­te­ten sie auf aus­ge­brei­te­tes Stroh zum Aus­küh­len. Da musste dann jemand auf­pas­sen, dass Hund und Kat­zen nicht daran naschten.

An Fei­er­ta­gen wurde so ein Kuchen nach dem ande­ren geba­cken und es gab hoch­rote Köpfe vor Hitze und Auf­re­gung, bis alles abge­kühlt im Kel­ler oder sonst an siche­ren Orten auf­be­wahrt war. Aber die­ser Geruch von frisch geba­cke­nem Kuchen!! Da schnitt sich mein Vater manch­mal mit dem Taschen­mes­ser ein Rand­stück ab. Das mochte er immer gern und er hatte es sich nach schwe­rer Arbeit ver­dient, wo er so oft kni­end vor der Ofen­tür saß.

Waren nun die schnel­len Ble­che bedient, wur­den die Schwarz­brote Stück für Stück mit dem Schie­ber sorg­fäl­tig Seite an Seite hin­ten in den Ofen gescho­ben. Vorne fan­den Grau­brote, Stu­ten, Wickel­ku­chen Platz, die vor dem Schwarz­brot raus muss­ten. Manch­mal kam ein Sau­er­kraut­topf mit Speck dazu, auch mal ein vor­her in But­ter­milch ein­ge­leg­tes Stück Bra­ten­fleisch im eiser­nen Brä­ter für den Sonn­tag und im Herbst die Stein­töpfe mit Essig­zwet­schen, die sich zuge­bun­den lange hiel­ten. Dann wurde der Ofen ver­schlos­sen und der Mit­tag mit dem Essen und dem klei­nen Schläf­chen war dran, wenn die Zeit dafür noch reichte.

Die Anhei­zers­frau hatte ihr Auge auf den Back­ofen zu hal­ten. Sie musste die hel­len Brote her­aus zie­hen, wenn sie sich beim Abklop­fen als gar erwie­sen, und auch das Andere, wenn es genug geschmort hatte. Nun schnitt sie den oder die But­ter­ku­chen in Strei­fen und ver­teilte sie auf Ble­che und schob sie zum Trock­nen wie­der in den Ofen. Der zwie­back­harte Kuchen war meist mit der Schwarz­brotgar­zeit fer­tig und wurde dann abge­kühlt in ver­schließ­bare Blech­trom­meln gelegt, auch in die gro­ßen 20 l-Eimer mit Deckel, als sie zum Mel­ken nicht mehr gebraucht wur­den. Getrock­ne­ter But­ter­ku­chen stand frü­her für unver­hoffte Gäste auf jedem Hof bereit. Es war ein „Muss“, ihn mit Boh­nen­kaf­fee anzu­bie­ten, wenn die Nach­barn einen Ver­stor­be­nen im Hause gewa­schen und ange­klei­det hat­ten, wie es bis nach dem 2. Welt­krieg bei uns noch üblich war.

Das Schwarz­brot brauchte Stun­den zum Gar­wer­den. Größe und Hitze waren nie gleich. So pro­bierte man, mit dem Abklop­fen den rich­ti­gen Zeit­punkt zu fin­den, und das musste ein hoh­ler Klang sein. Behut­sam wur­den die Laibe her­aus geholt und auf Bret­ter zum Abküh­len abge­legt, damit sie keine losen Rin­den beka­men. Gegen Abend holte sich jeder sei­nen Teil in Haus und Kel­ler auf die Brot­b­orte, denn im Back­haus waren sie vor Mäu­se­fraß nicht sicher.

Im Herbst wurde viel­fach die Rest­wärme zum Dör­ren von Obst aus­ge­nutzt. Zwet-schen, Äpfel und Bir­nen lie­ßen sich so halt­bar machen. Back­obst brauchte man für „Schwattstip­pels“ (Schwarz­sauer) und schmeckte gut zu Kar­tof­fel­klö­ßen. Das Schä­len der Äpfel und sie zu Rin­gen schnei­den brauchte viel Zeit und Sorg­falt braucht sowieso das Dör­ren von Obst. Als in den Läden das Misch­obst mit Apri­ko­sen und Fei­gen zu kau­fen war, schmeckte das süßer und saf­ti­ger und das auf­wen­dige Sel­ber­trock­nen wurde mehr oder weni­ger auf­ge­ge­ben. Wo ein Oma oder ein Opa im Haus sich Zeit und Muße dafür nahm, blieb es noch län­ger in Mode.

Bei den Back­ter­mi­nen war auch ande­ren Nach­barn die Gele­gen­heit gebo­ten, einen Kuchen oder hel­les Brot mit zu backen, und wir nah­men das an ihrem Back­tag gleich­falls wahr, wenn es passte. So konnte ein geheiz­ter Back­ofen immer voll genutzt wer­den. Das war auch mög­lich, wenn für das Braune-Kuchen-Backen vor Weih­nach­ten extra geheizt wurde, weil sonst nicht genug Ble­che vor­han­den waren.

Diese Kekse aus Sirup, Mehl und Gewür­zen sind manch­mal Wochen vor­her mit Pot­ta­sche ange­setzt wor­den, und täg­lich wurde der Teig durch­ge­kne­tet. Es gibt viele Rezepte und sie wer­den noch immer (heute mit viel But­ter und Bach­pul­ver) geba­cken. Sie gehö­ren zu Weih­nach­ten in unse­rem Raum. Wir Kin­der hat­ten unser Ver­gnü­gen am Aus­rol­len und Aus­ste­chen des Tei­ges am Abend vor dem Backen und nasch­ten schon vor­her. Vor dem Fest wur­den nach Fei­er­abend jedem zwei Kekse zuge­teilt, damit der Vor­rat bis ins neue Jahr reichte. An den Fest­ta­gen konnte man sich abends satt essen und Mut­ter kochte auf den glü­hen­den Koh­len im Kachel­ofen eine Alutopf hei­ßes Was­ser auf für Flie­der­saft oder auch Rot­wein, denn der Küchen­herd war kalt gewor­den und elek­tri­sche Was­ser­ko­cher gab es noch nicht.

Das sind Jugend­er­in­ne­run­gen, als es nicht mehr so spar­sam zuging, wie in den ers­ten Kin­der­jah­ren. Ich bin anfangs der Infla­ti­ons­zeit gebo­ren. Mir hat sich ein Bild ein­ge­prägt, dass ich als klei­nes Kind von der Küche auf den gro­ßen Haus­flur kam und dort Män­ner und Frauen mit Ruck­sä­cken vol­ler Geld stan­den und saßen. Spä­ter ging mein Vater mit mei­nem Onkel mit prall­ge­füll­ten Ruck­sä­cken und Beu­teln nach Bruch­hau­sen zur Spar­kasse oder zum Amt. Mein Vater war bis Mai 1924 Vor­ste­her der Gemeinde und die Leute hat­ten Pacht oder Steuer bezahlt. Wir haben spä­ter oft mit den Infla­ti­ons­geld­schei­nen gespielt. In die­ser kar­gen Zeit bin ich her­an­ge­wach­sen, den­noch unbe­schwert, weil man nichts Bes­se­res kannte. Das her­aus­ge­wach­sene Kleid mei­ner älte­ren Schwes­ter zu tra­gen, war lange Selbst­ver­ständ­lich­keit für mich, und gehun­gert haben wir nicht. Aber wie Kin­der so sind: Wenn auch wirk­lich gute Brote in unse­rem alten Back­haus geba­cken wur­den, wir waren begie­rig nach einem Stück „Bäcker­brot“ mit der blan­ken Rinde. Auch ein Gro­schen­stück Kranz­ku­chen von Bäcker Apel in Bruch­hau­sen, beim Hefe­kauf erstan­den, bedeu­tete Selig­keit. Die Bäcker fuh­ren schon mit Pferd und Wagen umher, gleich den Schlach­tern, und belie­fer­ten Kun­den. Zu uns kamen sie nicht. In der Schul­zeit, und das hatte schon lange Tra­di­tion, kam Bäcker Kor­nau von Bruch­hau­sen zu Fass­lage (Fasching) mit Wäsche­kör­ben von Hed­wigs (Heiss­we­cken) auf dem Lei­ter­wa­gen zur Schule und ver­kaufte die fla­chen, run­den, wei­chen Rosi­nen­bröt­chen zu fünf Pfen­nig das Stück oder drei für 10 Pfen­nige. Dafür gab es natür­lich Geld von zuhause mit.

Der Krieg 1939/45 brachte neue Bestim­mun­gen über Lebens­mit­tel, und die Zuteilun-gen hat­ten wir auch als Erzeu­ger zu spü­ren. Knapp wurde es erst recht 1945/46, als der Flücht­lings– und Ver­trie­be­nen­strom in die Dör­fer floss und diese vie­len Men­schen zusätz­lich ernährt wer­den muss­ten. Diese brauch­ten auch ihr Brot. Nach der schlim­men Zeit kamen immer mehr Bäcker zu den Woh­nun­gen gefah­ren und brach­ten ihr Sor­ti­ment zum Aus­su­chen mit. Das ist bis heute üblich und nicht sel­ten hupt drei­mal in der Woche ein Auto vorm Hause, um fri­sche Back­wa­ren anzu­bie­ten. Dazu gehö­ren selbst­ver­ständ­lich die Sor­ten mit den Rezep­ten aus Ost­preu­ßen, Schle­sien und Pom­mern.
Als die über­voll besetz­ten Häu­ser sich leer­ten, die ganze land­wirt­schaft­li­che Struk­tur sich änderte, die Arbeits­zeit gar nicht mehr für einen auf­wen­di­gen Back­tag reichte, ja, weil man sich fri­sches Brot täg­lich leis­ten konnte, sogar Bröt­chen am Mor­gen, blieb das Sel­ber­ba­cken in der alten Art und Weise all­mäh­lich aus. Das Brot von damals musste wochen­lang halt­bar sein und sollte bis auf den letz­ten Kru­men gut schme­cken. Wem darf man heute noch drei bis vier Wochen altes Brot anbieten?

Aber es gibt sie noch, die Tra­di­ti­ons­be­wuss­ten, Lieb­ha­ber und Ken­ner von den gro­ßen Back­öfen. Auch die noch sol­chen funk­ti­ons­fä­hi­gen besit­zen und ab und zu mit Freun­den einen Back­tag ein­le­gen! Sonst gibt es den auch noch an Muse­ums– oder Dorf­fest­ta­gen. Jeder Hof, jeder Haus­halt hatte seine eige­nen Gewohn­hei­ten und auch seine Rezepte. Ich habe sie in Erin­ne­rung an unsere Art und Weise niedergeschrieben.

Char­lotte Homfeld