Brot backen
Vom Brotbacken und seinen Umständen in den letzten Jahrzehnten der Backhäuser
Für „een Gröschen Geest un twee Gröschen Suurdeeg“ (10 Pfennig Hefe und 20 Pfennig Sauerteig), das waren die Ausgaben in meiner Jugendzeit bei einem Bäcker für unser Backunternehmen im eigenen Backofen.
Bis in die späten Nachkriegsjahre war es gang und gäbe, dass die in unserer Gegend ganz besonders auffälligen kleinen Backhäuser zum Selberbacken der Brotmenge benutzt wurden. Über diese Häuser, das möchte ich nicht unerwähnt lassen, gibt es seit etwa fünf Jahren ein eindrucksvolles und auch zeitgeschichtlich interessantes Buch von Heinz Riepshoff, Verden , der darin Speicher und Backhäuser der Grafschaft Hoya in Wort und Bild erklärend zusammengestellt hat, die heute meist zweckentfremdet genutzt werden.
Auf jedem Hof unserer hoyaischen Landschaft stand so ein Haus mit angebautem Backofen, mehr oder weniger groß, uralt aus Fachwerk und hatten oft vorher den Zweck eines Kornspeichers. Im vorigen Jahrhundert waren sie mit Ziegel extra für das Backen in kleinerem Maßstab gebaut worden und standen, wegen der Feuergefahr, meist vorgeschrieben weiter ab von den anderen Gebäuden. Es gab da auch innerhalb neuer Stallbauten große Backöfen, die oft von der Futterküche im Schweinestall aus bedient wurden. Um 1930 kamen die praktischen kleinen Schamotte-Hausbacköfen von der Fa. Appelt immer mehr auf, die auch in Küchen Platz fanden.
Früher hatten die meisten Häuser und Höfe bei uns wegen der besseren Nutzbarkeit und Holzersparnis „Backnachbarn“, die sich beim Einheizen und Versorgen der Öfen in ihren Backhäusern abwechselten. Unser Backnachbar war ein kinderloses Bauernehepaar mit Knecht und Magd, wie die Hilfen damals noch hießen. Sie waren auch früher die zuständigen Leute zu Hochzeiten, Taufen und Begräbnissen, die ihre Pferde vor die Kutsch– oder Leichenwagen spannten, wie es, umgekehrt, für sie und andere pferdelose Anwesen üblich war. Ein ‚Pattweg’1 durch unseren langen Gemüsegarten und anschließenden Grasanger zu ihrem Backhaus war die Verbindung zum Backgeschehen. Unser Backhaus stand sehr nahe am Wohnhaus mit dem Eingang über die Abwaschküche zur Hausküche. Es hatte bis zum zweiten Scheunenbau auf dem Hof, um 1842, noch als Kornspeicher gedient und war 1730 als Fachwerk erbaut worden. Darum war es auch so geräumig mit einem Zimmer neben dem Eingang, wo der alte Webstuhl mit einem Bollerofen stand, der noch bis zum Kriegsbeginn für die Aussteuer der Töchter benutzt wurde. Leider verbrannte der Webstuhl, ausgeliehen, bei einem Gewitter.
Das 200 Jahre alte Fachwerk hielt 1941 sogar der Splitterbombe stand, die wenige Meter nebenan fiel. Der Druck ließ Dachziegeln und Fenster purzeln und deckte auch den Backofen ab, ließ aber das Gewölbe heil bleiben. so dass wir bald wieder backen konnten. 1996 erlebte das Gebäude noch ein „Umrollen“, wie es nur mit Fachwerk möglich ist. Es steht jetzt schmuck und allein im ehemaligen Hofgarten und wartet auf seine Vollendung zum dauerhaften Wohnen einer der Haustöchter.
Nun aber vom Backen in dem angebauten großen Backofen. Alle drei bis vier Wochen stand der Backtag an. Im Winter, wenn nicht gefrühstückt wurde, die Pferde bei Feldarbeiten dazu und zum Nachmittagskaffee keine dicken Scheiben und Knüste bekamen, für das durstlöschende Brotwasser (Schwarzbrot und Wasser) keine Extrascheiben gebraucht wurden und das Brot auch nicht so leicht schimmelte, lag eine längere Spanne zwischen diesen Tagen. Sechs große Schwarzbrotlaibe gehörten bei uns und unseren Nachbarn zum Grundbedarf. der Termin zum Backen war meist, nach Absprache, ein Freitag oder Sonnabend, damit auch ein Sonntagskuchen mit gegart werden konnte. Für den Sonntagnachmittag war in meiner Jugend meist ein Kuchen üblich und hatte den Stuten verdrängt, den es nun schon mal zum Nachmittagskaffee am Alltag gab und auch mit Schwarzbrot „geklappt“ gut schmeckte.
Mutter backte zwischendurch im Backofen des Holz– und Kohlenherdes in der Küche krosse Butterkuchen. Darin gelangen auch Biskuitteige, Napfkuchen, Kleingebäck, Stuten und sogar das Graubrot, wenn es nicht bis zum großen Backen reichte. Wenn aber im großen Ofen das Backen anstand, musste diese Wärme und die Mühe des Heizens voll ausgenutzt werden und darum war ein Backtag, wie das Wurstmachen, eine überaus arbeitsaufwendige Angelegenheit neben der alltäglichen Arbeit.
Wir hatten auf der Diele eine eigene Mühle mit großem Mahlwerk stehen, wo mein Vater seit der Elektrizität auf dem Hofe (1. März 1914) mit einem Motor im fahrbaren Wagen, damit er auch beim Dreschen in der Scheune genutzt werden konnte, alles für das Füttern notwendige eigene Korn zerkleinerte. Hier wurde auch das Mehl zum Schwarzbrotbacken gemahlen. Der Roggen dazu wurde schon beim Dreschen ausgesucht, wenn großes sauberes Korn aus der Maschine lief, und das wurde manchmal noch durch die handbetriebene Staubmühle gerüttelt, um letztes Unkraut zu trennen. Auch wurde beim Mahlen ein Vorlauf gemacht, damit kein Spelz (Boßeln) vom grob zerquetschten Hafer für die Pferde uns nachher im Brot zwischen die Zähne kam. Etwas grober als das Schweinemehl lief dann das Backmehl in einen eigens dafür handgewebten drellenen Sack.
Für das Graubrot war aber das gebeutelte Roggenmehl nötig und das ebensolche Weizenmehl für Stuten und Kuchen. Das wurde in dicht gewebten Beuteln zu 10 oder 20 Pfund oder mehr von den Mühlen geholt, die die Feinmahlgänge besaßen und das Mehl auch in kleineren Mengen verkauften. Das war in Martfeld, unserem Kirchdorf, die Motormühle. Es gab aber im Ort noch Windmühlen zum Mahlen, drei bis kurz vor dem letzten Krieg. Dorthin fuhren Pferdegespanne, auch Wagen mit Kühen und Ochsen, oder das Mahlgut wurde mit Schiebkarren transportiert. Unser gebeuteltes Mehl holten wir meist mit dem Fahrrad und dazu die zu Anfang erwähnte Hefe mit Sauerteig, wozu immer die eindringliche Ermahnung der Mutter kam, dies ja nicht zu vergessen. Das waren doch die Treibkräfte, um überhaupt zu mildsäuerlichem Brot zu kommen. Es war bei uns nicht mehr üblich, vom letzten Backen einen faustgroßen Klumpen Teig aufzuheben, der die neu angesetzte Mehlmasse zum Gären bringen sollte und sie backfähiger machen.
Unter der Treppe zum Bodenraum im Backhaus stand ein riesiger Trog auf Steinen in Arbeitshöhe vor dem Fenster. Das war ein ausgehöhlter eichener Baumstamm und stammte sicher schon von den Backanfängen in diesem Hause. Darin wurde am Abend vor dem Backen der Schwarzbrotteig angemengt. In nicht zu heißem Wasser, damit die Gärung nicht gleich vernichtet wurde, löste man den Sauerteig auf und vermischte ihn mit dem eingeschütteten Mehl und weiterem warmen Wasser und einer Handvoll Salz zu einem großen Teig. Das war eine Arbeit für Könner, die das Gefühl für das richtige Mengenverhältnis hatten, denn es wurde nichts abgewogen für die sechs Brote. Ein sauberes altes Tischlaken deckte dann den Teig zu, darüber kam ein Bettstück, ein Kissen, das früher in den zweischläfrigen Betten zu Füßen lag und in Länge und Breite passend das Angemengte zum Aufgehen wärmte.
Der Ofenheizer, in meiner Zeit war es mein Vater und beim Nachbarn auch der erfahrene ältere Bauer selbst, hatte schon vorgesorgt. Stroh zum Anheizen lag in der Nähe der Ofentür, auch Ofenmund genannt. Das war ein Loch mit eiserner Tür, ca. 40 x 60 cm groß, vor dem Gewölbe. Groß genug zum Heizen und das Backgut hinein zu schieben, klein gehalten, damit nicht zu viel Hitze entfliehen konnte. Bei Regenwetter wurde schon mal Holz vorher in diesen Vorraum herein geschafft, wo aber auch die Kohlen und die Brikett für den Kachelofen gelagert waren und der große Wasserkessel daneben stand, der mit dem dreibeinigen Waschzuber an solchen Tagen als Ablage diente. Dieser stromlose Raum hat nicht nur das Backen, Wäschewaschen und Wurstkochen erlebt. Der Kessel war nützlich zum Sirupkochen, zum heimlichen Schnapsbrennen nach dem Kriege und endlich auch zum Heißmachen von Wasser für die Zinkbadewanne, Badewasser für die ganze Familie, ehe in späteren Jahren Dusche und Bad ins Haus kamen.
Nun aber ist Brotbacken angesagt. Nach dem Schweinefüttern ging am anderen Mor-gen das Heizen los. Der Ofen sollte möglichst um 11 Uhr heiß sein, damit hinterher Zeit zum Kochen blieb, denn um 12 Uhr war das Mittagessen üblich. Ein schlecht stehender Wind, der den Rauch rein statt raus trieb, konnte das Vorhaben schon mal vereiteln und ebenso feuchtes Holz, das anfangs nicht gut brennen wollte. Buschholz, das zum Hacken zu sperrig war, wurde zum Heizen genommen. Alte Latten, Pfähle, alles Holz mit Nägeln, das nicht zum Sägen taugte, wurde nach und nach mit der Forke hineingeschoben, die nur diesem Zweck diente. Die beste Hitze gab Dornenbuschholz (Weißdorn), ideal zum Butterkuchenbacken. Das war nicht immer vorhanden und auch lästig zu bändigen mit den Dornen.
So legte der Heizer Stunde um Stunde nach und verteilte die Glut nach allen Seiten des Gewölbebodens, bis auch die oberen Steine eine grau-weiße Farbe bekamen und der Ofen heiß genug war. Manchmal band er zwischendurch Birkenreise zu Besen mit im Ofen erwärmten halbierten Weidenruten, die sich so geschmeidiger und fester um ein Bündel wickeln und befestigen ließen. Reisigbesen brauchte man fast jede Woche einen neuen für Diele, Stall und Hof, und dies war auch eine Arbeit für Kenner.
Schon früh stand eine der Frauen im Backhaus und arbeitete den aufgegangenen Schwarzbrotteig durch. Mit einem großen Messer wurde ein Stück abgeschnitten und dann im Trog durchgeknetet und evtl. warmes Wasser zugegeben, wenn er zu fest war. Das war schweißtreibend, aber wichtig für ein gutes Brot. Zuletzt wurde der mit dem Laken bedeckte Teig mit den Füßen getreten, um wieder einen guten Verbund herzustellen. Mit einem Laken bedeckt konnte er dann bis zum Ausmachen nachreifen. Wenn der Zeitpunkt zum Einschieben feststand, wurde wieder tüchtig geknetet, dann wurden sechs Brote gerollt und geformt, so ca. 8 – 10 Pfund schwer, und diese bekamen ein „HH“ als unser Zeichen, der Nachbar hatte ein „M“. Die Laibe lagen bis zum Einschieben für neues Aufgehen im Trog und auf den Ablagen oder wurden mit einer flachen, mit Tüchern belegten Holzschiebkarre zum Nachbarn gefahren.
In der recht warmen Küche war aber schon seit dem frühen Morgen reges Wirken. Mutter hatte in einer Holzmolle, die auch beim Wurstmachen gebraucht wurde, den Teig für Graubrot gemengt. Für das gebeutelte Roggenmehl wurde Hefe genommen und angewärmtes Wasser, Buttermilch oder Molke. Man konnte zum Verfeinern Weizenmehl hinzunehmen, so wurde es mehr ein Weißbrot. Der angerührte Teig musste genau so gut durchgearbeitet werden, wie beim Schwarzbrot, nur brauchte er weniger Zeit zum Aufgehen. An kalten Tagen hatte das ausgebeutelte Mehl vorher schon zum Aufwärmen in der Küche gestanden.
Nach dem Graubrot– war der Kuchenteig angerührt worden. Nach dem Vorgehen der Hefe mit etwas Zucker wurde Fett in warmer Milch aufgelöst und mit dem Mehl vermengt. Wie viel Butter, Schmalz, Margarine oder Talg (machte einen krossen Teig!) hineinkam, war immer eine Frage der Art und Qualität des Kuchens und des Vorhandenseins von Fett. Auch mit Öl ließ er sich backen. Da gab es den guten Butterkuchen, mit dem man bei Gästen Ehre einlegen wollte, der Butter im Teig und üppigen Belag mit Butter hatte und bei dem auch das Blech damit eingefettet war. Sogar zu den Festtagen waren die Kuchen unterschiedlich belegt. Nach alter Sitte gab es an diesen Tagen zum Morgenkaffee schier Butterkuchen zum Sattessen, der uns Süßmäulern immer ein Genuss war. Hier lagen die Fettaugen nicht so dicht beieinander und der Zucker nicht so dick und für solche Kuchen wurden die Bleche mit Speck-schwarten, Schmalz oder Margarine eingerieben. Für Butterkuchen wurde ein Backtag oft genutzt, um ihn hinterher zum Trocknen einzuschieben.
Der gleiche Teig war nach dem Durchwalken und erneutem Gehen auch saisonbedingt für Apfel– und Zwetschenkuchen brauchbar und für den Streuselkuchen und unseren beliebten, lange frisch bleibenden Wickelkuchen mit Rosinen, Korinthen, Succade , Zimt-Zucker und Butter gefüllt.
Wenn alle benötigten Bleche gefettet waren, der Teig gerollt oder gewickelt darauf lag, scholl oft der Ruf durch’s Haus „Döör to! De Kooken wat kold!“ Nun wurden die Brote aus dem Feinmehl geformt. Anschließend piekte man mit einer Gabel die aufgegangenen Kuchenteige, ehe sie den Belag bekamen. Kalte Butter in Flöckchen, Streuzucker mit Vanille und Zimt aromatisiert musste darauf verteilt werden. Die Bleche waren mehr als doppelt so groß, wie die für die Elektroherde. 6 – 7 solcher Platten wurden Festtagen gebacken. Die Bleche waren oft ohne Kanten, sie waren billiger zu schmieden. Das schnelle Backen ließ der Butter keine Zeit zum Herunterlaufen und sie waren einfach mit dickem Zeitungspapier nach dem Backen oder vor dem fetten zu reinigen.
Der Heizer hatte inzwischen mit einem Schaber an einem langen Stock die letzte Glut aus dem Ofen in eine Blechbalge gezogen und rausgetragen und bei Wind wegen Feuersgefahr abgedeckt. Dann tauchte er einen Sack am Stiel in einen Eimer mit Wasser und rieb den Ofenboden von der letzten Asche sauber. Nun konnte das Backen losgehen!
Meist wurden Plattenkuchen wegen der guten Hitze zuerst eingeschoben und so standen die Frauen bereit und legten sie auf den Holzschieber, womit der Heizer sie nacheinander und nebeneinander in den Ofen balancierte. Nun die Tür zu, aber bald nachgeschaut, ob ein Kuchen Blasen warf. Dann ließ ein Nagel an einem langen Stab mit einem Piek diese Luft raus. Wenn nach 10 Minuten Knistern und Bruzzeln des Fettgemisches die richtige lichte Bräune erreicht war, wurde der Kuchen von unten leicht angehoben und begutachtet, ob die Hitze durch und der Kuchen mit schöner Bräune gar war. Mit Topflappen trugen wir die fertigen Kuchen auf die Diele und schütteten sie auf ausgebreitetes Stroh zum Auskühlen. Da musste dann jemand aufpassen, dass Hund und Katzen nicht daran naschten.
An Feiertagen wurde so ein Kuchen nach dem anderen gebacken und es gab hochrote Köpfe vor Hitze und Aufregung, bis alles abgekühlt im Keller oder sonst an sicheren Orten aufbewahrt war. Aber dieser Geruch von frisch gebackenem Kuchen!! Da schnitt sich mein Vater manchmal mit dem Taschenmesser ein Randstück ab. Das mochte er immer gern und er hatte es sich nach schwerer Arbeit verdient, wo er so oft kniend vor der Ofentür saß.
Waren nun die schnellen Bleche bedient, wurden die Schwarzbrote Stück für Stück mit dem Schieber sorgfältig Seite an Seite hinten in den Ofen geschoben. Vorne fanden Graubrote, Stuten, Wickelkuchen Platz, die vor dem Schwarzbrot raus mussten. Manchmal kam ein Sauerkrauttopf mit Speck dazu, auch mal ein vorher in Buttermilch eingelegtes Stück Bratenfleisch im eisernen Bräter für den Sonntag und im Herbst die Steintöpfe mit Essigzwetschen, die sich zugebunden lange hielten. Dann wurde der Ofen verschlossen und der Mittag mit dem Essen und dem kleinen Schläfchen war dran, wenn die Zeit dafür noch reichte.
Die Anheizersfrau hatte ihr Auge auf den Backofen zu halten. Sie musste die hellen Brote heraus ziehen, wenn sie sich beim Abklopfen als gar erwiesen, und auch das Andere, wenn es genug geschmort hatte. Nun schnitt sie den oder die Butterkuchen in Streifen und verteilte sie auf Bleche und schob sie zum Trocknen wieder in den Ofen. Der zwiebackharte Kuchen war meist mit der Schwarzbrotgarzeit fertig und wurde dann abgekühlt in verschließbare Blechtrommeln gelegt, auch in die großen 20 l-Eimer mit Deckel, als sie zum Melken nicht mehr gebraucht wurden. Getrockneter Butterkuchen stand früher für unverhoffte Gäste auf jedem Hof bereit. Es war ein „Muss“, ihn mit Bohnenkaffee anzubieten, wenn die Nachbarn einen Verstorbenen im Hause gewaschen und angekleidet hatten, wie es bis nach dem 2. Weltkrieg bei uns noch üblich war.
Das Schwarzbrot brauchte Stunden zum Garwerden. Größe und Hitze waren nie gleich. So probierte man, mit dem Abklopfen den richtigen Zeitpunkt zu finden, und das musste ein hohler Klang sein. Behutsam wurden die Laibe heraus geholt und auf Bretter zum Abkühlen abgelegt, damit sie keine losen Rinden bekamen. Gegen Abend holte sich jeder seinen Teil in Haus und Keller auf die Brotborte, denn im Backhaus waren sie vor Mäusefraß nicht sicher.
Im Herbst wurde vielfach die Restwärme zum Dörren von Obst ausgenutzt. Zwet-schen, Äpfel und Birnen ließen sich so haltbar machen. Backobst brauchte man für „Schwattstippels“ (Schwarzsauer) und schmeckte gut zu Kartoffelklößen. Das Schälen der Äpfel und sie zu Ringen schneiden brauchte viel Zeit und Sorgfalt braucht sowieso das Dörren von Obst. Als in den Läden das Mischobst mit Aprikosen und Feigen zu kaufen war, schmeckte das süßer und saftiger und das aufwendige Selbertrocknen wurde mehr oder weniger aufgegeben. Wo ein Oma oder ein Opa im Haus sich Zeit und Muße dafür nahm, blieb es noch länger in Mode.
Bei den Backterminen war auch anderen Nachbarn die Gelegenheit geboten, einen Kuchen oder helles Brot mit zu backen, und wir nahmen das an ihrem Backtag gleichfalls wahr, wenn es passte. So konnte ein geheizter Backofen immer voll genutzt werden. Das war auch möglich, wenn für das Braune-Kuchen-Backen vor Weihnachten extra geheizt wurde, weil sonst nicht genug Bleche vorhanden waren.
Diese Kekse aus Sirup, Mehl und Gewürzen sind manchmal Wochen vorher mit Pottasche angesetzt worden, und täglich wurde der Teig durchgeknetet. Es gibt viele Rezepte und sie werden noch immer (heute mit viel Butter und Bachpulver) gebacken. Sie gehören zu Weihnachten in unserem Raum. Wir Kinder hatten unser Vergnügen am Ausrollen und Ausstechen des Teiges am Abend vor dem Backen und naschten schon vorher. Vor dem Fest wurden nach Feierabend jedem zwei Kekse zugeteilt, damit der Vorrat bis ins neue Jahr reichte. An den Festtagen konnte man sich abends satt essen und Mutter kochte auf den glühenden Kohlen im Kachelofen eine Alutopf heißes Wasser auf für Fliedersaft oder auch Rotwein, denn der Küchenherd war kalt geworden und elektrische Wasserkocher gab es noch nicht.
Das sind Jugenderinnerungen, als es nicht mehr so sparsam zuging, wie in den ersten Kinderjahren. Ich bin anfangs der Inflationszeit geboren. Mir hat sich ein Bild eingeprägt, dass ich als kleines Kind von der Küche auf den großen Hausflur kam und dort Männer und Frauen mit Rucksäcken voller Geld standen und saßen. Später ging mein Vater mit meinem Onkel mit prallgefüllten Rucksäcken und Beuteln nach Bruchhausen zur Sparkasse oder zum Amt. Mein Vater war bis Mai 1924 Vorsteher der Gemeinde und die Leute hatten Pacht oder Steuer bezahlt. Wir haben später oft mit den Inflationsgeldscheinen gespielt. In dieser kargen Zeit bin ich herangewachsen, dennoch unbeschwert, weil man nichts Besseres kannte. Das herausgewachsene Kleid meiner älteren Schwester zu tragen, war lange Selbstverständlichkeit für mich, und gehungert haben wir nicht. Aber wie Kinder so sind: Wenn auch wirklich gute Brote in unserem alten Backhaus gebacken wurden, wir waren begierig nach einem Stück „Bäckerbrot“ mit der blanken Rinde. Auch ein Groschenstück Kranzkuchen von Bäcker Apel in Bruchhausen, beim Hefekauf erstanden, bedeutete Seligkeit. Die Bäcker fuhren schon mit Pferd und Wagen umher, gleich den Schlachtern, und belieferten Kunden. Zu uns kamen sie nicht. In der Schulzeit, und das hatte schon lange Tradition, kam Bäcker Kornau von Bruchhausen zu Fasslage (Fasching) mit Wäschekörben von Hedwigs (Heisswecken) auf dem Leiterwagen zur Schule und verkaufte die flachen, runden, weichen Rosinenbrötchen zu fünf Pfennig das Stück oder drei für 10 Pfennige. Dafür gab es natürlich Geld von zuhause mit.
Der Krieg 1939/45 brachte neue Bestimmungen über Lebensmittel, und die Zuteilun-gen hatten wir auch als Erzeuger zu spüren. Knapp wurde es erst recht 1945/46, als der Flüchtlings– und Vertriebenenstrom in die Dörfer floss und diese vielen Menschen zusätzlich ernährt werden mussten. Diese brauchten auch ihr Brot. Nach der schlimmen Zeit kamen immer mehr Bäcker zu den Wohnungen gefahren und brachten ihr Sortiment zum Aussuchen mit. Das ist bis heute üblich und nicht selten hupt dreimal in der Woche ein Auto vorm Hause, um frische Backwaren anzubieten. Dazu gehören selbstverständlich die Sorten mit den Rezepten aus Ostpreußen, Schlesien und Pommern.
Als die übervoll besetzten Häuser sich leerten, die ganze landwirtschaftliche Struktur sich änderte, die Arbeitszeit gar nicht mehr für einen aufwendigen Backtag reichte, ja, weil man sich frisches Brot täglich leisten konnte, sogar Brötchen am Morgen, blieb das Selberbacken in der alten Art und Weise allmählich aus. Das Brot von damals musste wochenlang haltbar sein und sollte bis auf den letzten Krumen gut schmecken. Wem darf man heute noch drei bis vier Wochen altes Brot anbieten?
Aber es gibt sie noch, die Traditionsbewussten, Liebhaber und Kenner von den großen Backöfen. Auch die noch solchen funktionsfähigen besitzen und ab und zu mit Freunden einen Backtag einlegen! Sonst gibt es den auch noch an Museums– oder Dorffesttagen. Jeder Hof, jeder Haushalt hatte seine eigenen Gewohnheiten und auch seine Rezepte. Ich habe sie in Erinnerung an unsere Art und Weise niedergeschrieben.