Die Ernäh­rung auf dem Lande – Auf­zeich­nun­gen von Char­lotte Hom­feld aus Kleinenborstel

Arbeit für war­mes Essen

Gesinde, Mägde, Knechte

Sie sind jetzt 70 bis 90 Jahre alt, und sie sind die letz­ten Leben­den, die noch als Dienst­bo­ten in der Land­wirt­schaft und im Haus­halt gear­bei­tet haben.

Nach dem 2. Welt­krieg ver­schwan­den die Häus­linge aus dem Dorf­bild – und nach und nach die Dienst­leute von den Höfen. In den Nach­kriegs­jah­ren waren die Räume in den Häu­sern mit Hei­mat­ver­trie­be­nen und Flücht­linge über­be­legt. Für eine warme Mahl­zeit oder Lebens­mit­tel hal­fen diese Men­schen bei allen Arbeiten.

Mit dem wirt­schaft­li­chen Auf­stieg such­ten die Flücht­linge bald Stel­len in der Indus­trie und im Bau­ge­werbe und bau­ten sich Häu­ser. Damit wohn­ten auf den Höfe immer weni­ger Men­schen. Schul­ent­las­sene, die frü­her nur auf Bau­ern­hö­fen unter­kom­men konn­ten, fan­den nun Berufe im gewerb­li­chen Bereich. In der Land­wirt­schaft ent­wi­ckelte sich zuneh­mend die Mecha­ni­sie­rung der Arbeit. Es wur­den weni­ger hel­fende Hände gebraucht. Da Maschi­nen viel Geld kos­te­ten, sparte man an hohen Löh­nen und Las­ten für Gehil­fen. Bald sah man kaum noch Dienst­bo­ten in den Dörfern.

„Dienst­bo­ten“,
die­ses Wort ist in der heu­ti­gen Umgangs­spra­che sel­ten gewor­den. Sie waren das Per­so­nal, das man zur Ver­rich­tung der häus­li­chen und land­wirt­schaft­li­chen Arbei­ten zusätz­lich brauchte, wenn eine Fami­lie sie nicht allein schaffte oder sie nicht sel­ber tun wollte.

„Gesinde“
war die Bezeich­nung für das Gesamt­per­so­nal. Dafür wurde 1832 von der Lan­des­re­gie­rung ein Gesetz her­aus­ge­ge­ben, die Gesinde-Ordnung.

Das Gesetz sollte die Rechts­ver­hält­nisse der ledi­gen Bediens­te­ten fest­le­gen. Haupt­ab­sicht war die Bin­dung an den Dienst­herrn. Diese Gesinde-Ordnung hielt man mit Ver­än­de­run­gen bis 1918 für anwend­bar. Von da ab hie­ßen Per­so­nen, die für Lohn, Woh­nung und Ver­pfle­gung arbei­te­ten, Land­ar­bei­ter, Haus­an­ge­stellte oder Haus­ge­hil­fin­nen. Knechte und Mägde nannte man sie ebenso. Ihr müh­se­li­ger Dienst wurde sel­ten besun­gen. Doch ein Gedicht des Wie­ner Schrift­stel­lers Anton Wild­gans (1881 – 1932) offen­bart so tref­fend ihr Schicksal:

„Dienst­bo­ten
Sie sind immer nur da, um zu die­nen,
nie­mand fragt sie nach ihrem Begehr.
Solang sie gehor­chen, ist man zu ihnen
freund­lich so wie zu Frem­den – nicht mehr.
Sie woh­nen mit uns im sel­ben Quar­tiere,
aber für sie muss der schlech­teste Raum gut genug sein.
Für unsere Tiere
sor­gen wir zärt­li­cher als für ihre
mensch­li­chen Wün­sche.
Die ken­nen wir kaum.

Sie sind die Hände, die nie bedankt sind,
wir wech­seln sie aus wie brü­chi­gen Stahl
einer Rad­achse. Wenn sie erkrankt sind,
müs­sen sie aus dem Haus ins Spital.

Manch­mal könnte ein Wort der Güte
ein Tag im Früh­ling,  um aus­zu­ruhn,
in ihrem ver­dros­se­nen Gemüte
eine ver­schämte schüch­terne Blüte
leise erwe­cken und Wun­der tun.

So aber sind sie gewohnt, die letz­ten
bei allem, was freut und not­tut, zu sein,
und wer­den wie alle Zurück­ge­setz­ten
ent­we­der gebro­chen oder gemein.

Man­che frei­lich, die haben ohne
Hass dem eige­nen Leben ent­sagt,
waren Müt­ter an frem­dem Sohne,
tra­gen eine heim­li­che Krone
wie Maria die Magd“.

Das Leben auf dem Hofe - Knechte und Mägde hat­ten Fami­li­en­an­schluss, aber Lager über den Ställen

Lange Zeit gehörte in den alten Bau­ern­häu­sern das Gesinde zur Haus­ge­mein­schaft. Wenn das auf­ge­stallte Vieh zu bei­den Sei­ten der Diele ver­sorgt war, saß die Herr­schaft zu den Mahl­zei­ten mit den Dienst­leu­ten an einem Tisch im obe­ren Hause und an kal­ten Aben­den mit ihnen an der ein­zi­gen Feu­er­stelle auf dem zur Diele hin offe­nen Flett. Ein Kien­span, spä­ter die Öllampe, ver­stärkte den Feu­er­schein für die noch nöti­gen Arbei­ten vor dem Schla­fen­ge­hen. Für das Auf­fin­den der Schlaf­stel­len reichte dann das schwa­che Licht des Herd­feu­ers, des­sen Glut nachts eine Feu­er­kiepe schützte.

Die weni­gen But­zen (Alko­ven) am Flett lang­ten gerade für die Fami­lie. Dort schlie­fen zumeist meh­rere Ange­hö­rige in einem Ver­schlag. So such­ten die Knechte ihre Lager­stät­ten über den Pfer­de­stäl­len auf und die Mägde die über den Kühen auf den Hil­len. Erst zu spä­te­ren Zei­ten beka­men sie Schlaf­stel­len in Kam­mern an der Diele.

Kei­ner konnte sich verbergen

Kei­ner konnte sich vor dem ande­ren ver­ber­gen, alles, Mensch und Vieh, lebte in einem ein­zi­gen Raum. Das Schla­fen­le­gen und das Auf­ste­hen des Gesin­des geschah unter den Augen des Haus­herrn und noch mehr unter denen der Haus­her­rin. Sie über­schaute tags­über vom Herd­platz jeg­li­ches Gesche­hen im Haus. Unvor­stell­bar für uns heute, wie nach sol­chen Nacht­la­gern und gerin­ger Kör­per­pflege der nach­fol­gende lange Arbeits­tag bewäl­tigt wer­den konnte! So ging es Tag für Tag, jahr­aus, jahr­ein, nur mit ver­schie­de­nen Jahreszeiten.

Die Dienst­bo­ten waren immer greif­bar, hat­ten für jede Arbeit bereit zu sein. Sie waren als Unver­hei­ra­tete, meist Häus­lings­kin­der, durch Ver­trag ver­pflich­tet und, um über­haupt leben zu kön­nen, abhän­gig von der gebo­te­nen Kost, vom gerin­gen Lohn, der Klei­dung und dem Dach über dem Kopf.

Schon in der Bibel liest man im 1. Petrus­brief Kap. 2, Vers 18: „Ihr Knechte, seid Unter­tan mit aller Furcht den Her­ren, nicht allein den güti­gen und gelin­den, son­dern auch den wun­der­li­chen“. Es folgt der Hin­weis, dass Unrecht lei­den als Got­tes Gnade zu emp­fin­den sei. Der Apos­tel Pau­lus schreibt im Ephe­ser­brief auch von sol­chem Gehor­sam mit Furcht und Zit­tern, nur die­ses nicht wegen des leib­li­chen Herrn, son­dern um Gott zu gefal­len, und mahnt auch die Dienst­her­ren, ihr Gesinde ohne Dro­hen zu behan­deln. Vor Gott gebe es kein Anse­hen der Per­son nach sei­nem Stande. So hat es Mar­tin Luther auf sei­ner „Haus­ta­fel für aller­lei christ­li­che Stände“ im klei­nen Kate­chis­mus wei­ter empfohlen.

Wie aber ent­wi­ckelte sich das Dienst­bo­ten­we­sen nach der Refor­ma­tion, nach den Glau­bensun­ru­hen und dem 30-jährigen Krieg? Von der katho­li­schen Vor­zeit ist wenig über­lie­fert. Das ist schade für unsere Region.

In der Lüne­bur­gi­schen Kir­chen­ord­nung wird 1643 ein­dring­lich gefor­dert, dass auch in den Dör­fern die Men­schen aller Klas­sen sich jeden Sonn­tag zum Kate­chis­mus­ler­nen und –üben in den Kir­chen ein­fin­den sol­len. Das war weni­ger ein Got­tes­dienst als ein Unter­richt. Da kaum einer lesen und schrei­ben konnte, wurde bald ver­stärkt die längst ver­ord­nete Schul­pflicht der Kin­der auf den Dör­fern gefor­dert. Erst danach ver­wan­del­ten sich die Sonn­tags­lek­tio­nen der Pas­to­ren und Küs­ter zu Got­tes­diens­ten mit Pre­dig­ten und mehr Gesängen.

Kirch­li­cher Unterricht

Wenn die Knechte am Sonn­tag­mor­gen die Dienst­her­ren und Fami­lien zur Kir­che gefah­ren hat­ten, muss­ten sie bis zum Ende der Kirch­zeit die Pferde hal­ten. Sie soll­ten aber laut Kir­chen­ord­nung an kei­nem Sonn­tag den kirch­li­chen Unter­richt ver­pas­sen. Das galt auch für die Mägde, die vor­mit­tags Alte, Kranke, Vieh und das Herd­feuer zu ver­sor­gen hat­ten. Für sie und andere Ver­hin­derte hat­ten die Pas­to­ren ein­dring­lich die Ver­ord­nung erhal­ten, zu einer Stunde nach Mit­tag die Unter­wei­sung vor­zu­neh­men. Aller­dings wurde den Unter­rich­ten­den ange­ra­ten, dass das Läu­ten, Sin­gen, die Aus­le­gung des Kate­chis­mus und das Nach­fra­gen nicht län­ger als eine Stunde dau­ern sollte, damit die Leute nicht ermü­de­ten und sie mit Kin­dern und Gesinde zei­tig und gern dazu herkämen.

Für die Bewoh­ner der Kirch­dör­fer war der Kirch­gang kein Pro­blem. Aber die Außen­dör­fer der Kirch­spiele hat­ten zum Teil lange und beschwer­li­che Wege bei Wind und Wet­ter. Nicht jeder spannte an. Man ritt zu Pferd oder man ging zu Fuß.

Zu Fuß mach­ten sich auch die Knechte und Mägde nach dem Mit­tags­mahl auf den Weg zur kirch­li­chen Unter­wei­sung. Das war wohl ihre ein­zige Frei­zeit von der Arbeit. Durf­ten sie dabei Spaß haben? Sicher hat einer der Bau­ern oder eine fromme Frau sie mah­nend beglei­tet, damit sie den Sonn­tag nicht entheiligten.

Die­nen, dul­den – kaum Rechte

Gesinde-Ordnung von 1732 liest sich heute wie eine Zumutung

Für das Zufuß­ge­hen waren schon früh, ver­mut­lich bereits in katho­li­schen Zei­ten, spe­zi­elle Wege für den Kirch­gang ein­ge­rich­tet wor­den. Sie führ­ten über Fel­der und Flu­ren fast gera­de­aus von den Neben­or­ten zu den Kir­chen. Kein Bauer durfte von dem Weg, der sei­nen Acker durch­querte, etwas abpflügen.

Die Kirch­wege waren so ein­ge­rich­tet, dass sie an kei­nem Krug oder Aus­schank vor­bei­lie­fen und nie­mand ange­trun­ken in der Kir­che erschien. Aus dem­sel­ben Grunde gab es Ver­ord­nun­gen, keine Krüge am Kirch­platz zu dul­den, damit weder die Bur­schen beim Auf­pas­sen auf die Pferde noch andere Manns­leute in Ver­su­chung kom­men sollten.

Todes­ur­teil für schwe­ren Diebstahl

Die anfangs erwähnte Gesinde-Ordnung vom 28. März 1732, die immer wie­der Ver­än­de­run­gen erfuhr, liest sich heute als eine unmensch­li­che Zumu­tung. Es gab zwar ein vier­tel­jähr­li­ches Kün­di­gungs­recht für beide Sei­ten und ein Dienst­herr wurde für ein Abwer­ben mit höhe­ren Lohn­ver­spre­chun­gen mit Geld­strafe bedroht. Die Dienst­bo­ten aber durf­ten nicht auf­mu­cken und soll­ten mit gewöhn­li­chem Essen zufrie­den sein.

Spä­ter wurde noch stren­ger auf den sonn– und fest­täg­li­chen Nachmittags-Gottesdienstbesuch für sie geach­tet, damit sie nicht frei her­um­lie­fen, Die­be­reien bege­hen konn­ten und mit ande­ren Hand­lun­gen den Sonn­tag entheiligten.

1772 wurde ver­ord­net, Dieb­stähle von Gegen­stän­den über 15 Taler Wert mit dem Tode durch den Strang zu bestra­fen. Sol­che Urteile soll es wirk­lich gege­ben haben. Unter 20-Jährige wur­den zu lebens­lan­gem Zucht­haus oder zum Kar­ren­schie­ben ver­ur­teilt. Wer aus Hun­ger Essen oder Getränke an sich nahm, konnte Lei­bes­züch­ti­gun­gen, Fes­tungs­bau oder Zucht­haus als Strafe erhalten.

Haben diese Men­schen „Unrecht zu lei­den als Gnade zu emp­fin­den“ begrif­fen und bei den sonn­täg­li­chen Lek­tio­nen gelernt, gehor­sam zu sein? Oder wur­den sie, wie Anton Wild­gans es for­mu­lierte, „wie alle Zurück­ge­setz­ten ent­we­der gebro­chen oder – gemein“? Wohl­tu­end sind da andere Vor­komm­nisse zu berichten:

Fami­liäre Bande konn­ten entstehen

Auf man­chen kin­der­lo­sen Höfen ent­wi­ckelte sich das Zusam­men­le­ben von Bäue­rin und Magd zu einem Mutter-Tochter-Verhältnis und von Bau­ern zum Knecht wie Vater und Sohn, das sogar zu einer Erb­schaft führte. Umge­kehrt wurde ein Knecht zum Erzie­her des her­an­wach­sen­den Soh­nes, wenn der Vater früh ver­stor­ben war. Die Magd ersetzte den Kin­dern die kranke oder tote Mut­ter mit jener Hin­gabe die Anton Wild­gans berührte. Es kam auch vor, dass die ver­wit­wete Bäue­rin den tüch­ti­gen Knecht hei­ra­tete oder der ver­wit­wete Bauer die flei­ßige Magd.

Auf dem Jagd­mei­er­hof in Mart­feld pflegte die Toch­ter des beim gro­ßen Brand 1881 ver­stor­be­nen Häus­lings Hein­rich Huch von 1884 bis 1892 die schwind­süch­tige Bäue­rin bis zu deren Tode und schlief bei ihr in der Kammer.

Was aber ver­dien­ten Dienst­bo­ten frü­her? Hie­sige Anga­ben lie­gen nicht vor. Bar­lohn gab es, freie Kost, Woh­nung und Natu­ra­lien, das ist all­ge­mein bekannt. Die Bar­löhne waren land­schaft­lich sehr ver­schie­den, so wie die Boden­ver­hält­nisse es den Bau­ern zu geben erlaub­ten. Am Ende des 18. Jahr­hun­derts hatte ein Knecht durch­schnitt­lich 20 Taler Jah­res­lohn, bekam zwei Hem­den, zwei Hosen aus Lein­wand, Wolle zum Strümp­festri­cken und ein Paar Schuhe. Eine Magd erhielt meis­tens den hal­ben Lohn, bekam grobe und etwas feie Lein­wand für Klei­dung, ein Paar Schuhe und Pan­tof­feln, even­tu­ell ein Tuch und eine Mütze und Flachs zum Sel­ber­spin­nen. Das sind sehr grobe Anga­ben und die Ver­dienste schwank­ten in den jewei­li­gen Abma­chun­gen vor dem Dienstbeginn.

Die Fran­zo­sen­zeit brachte einige Frei­hei­ten. Bald nach Ende der Fremd­herr­schaft häuf­ten sich die Beschwer­den über Unord­nung. Zügel­lo­sig­keit und wider­spens­ti­ges Betra­gen der Dienstboten.

Dar­auf­hin ord­nete die Regie­rung am 1. Juli 1815 zu der Gesinde-Ordnung von 1732 zusätz­lich an, dass Urlaub und Erho­lung und not­wen­dige Geschäfte nicht ver­sagt wer­den dürf­ten. Aber die Dienst­zeit solle am Sonn­abend bis zum Ves­per­brot dau­ern und an jedem ande­ren Werk­tag den gan­zen Tag über. Ohne Wis­sen und Erlaub­nis der Herr­schaft dürfe kein Dienst­bote das Haus ver­las­sen und haben um 10 Uhr abends wie­der da zu sein. Für Über­tre­tun­gen wür­den ein bis acht Tage Gefäng­nis­strafe ver­hängt wer­den. Wer nächt­li­chen Aus­gang bei sei­ner Anstel­lung aus­be­din­gen würde, bekäme drei Tage Gefäng­nis. Der Dienst­herr, der dafür bereit wäre, hätte 20 Reichs­ta­ler Geld­buße zu zah­len. Das war in die­ser Ver­ord­nung die ein­zige Straf­an­dro­hung gegen Dienstherren.

Ange­bot guter Knechte …“

An Gehil­fen man­gelte es nicht. Lohn zu Hause abgeben.

Es rumorte schon in Dienst­bo­ten­krei­sen. Noch lange nach der Fran­zo­sen­herr­schaft miss­ach­tete die Regie­rung die Zeit­ent­wick­lung. Gedan­ken um Kran­ken­ver­si­che­run­gen kamen schon um 1850 auf und wur­den hier und da bei Fabrik­ar­bei­tern umge­setzt. Erst Bis­marck ord­nete 1883 die gesetz­li­che Kran­ken­ver­si­che­rung an. 1884 folgte die Unfall– und 1889 die Inva­li­den– und Alters­ver­si­che­rung. War sie für die Dienst­bo­ten schon all­ge­mein gül­tig? Die Gesinde-Ordnung bestand bis 1918. Im Novem­ber 1901 lehnte die Klein­bors­te­ler Gemein­de­ver­samm­lung die emp­foh­lene neue Dienst­bo­ten­ver­si­che­rung ab. Man befürch­tete, sie würde nur ver­mehrte Kran­ken­tage und somit höhere Kos­ten brin­gen. Im Sep­tem­ber 1906 steht im Gemein­de­pro­to­koll­buch: „Alle Dienst­bo­ten­be­sit­zer sind der neuen Ver­si­che­rung beigetreten.“

An Dienst­bo­ten man­gelte es nicht. „Das Ange­bot guter brauch­ba­rer Knechte im Alter von 18 Jah­ren auf­wärts hat sehr zuge­nom­men“, ließ die Land­wirt­schafts­kam­mer Han­no­ver am 2. Dezem­ber 1902 in der Die­p­hol­zer Kreis­zei­tung veröffentlichen.

Gehil­fen gab es genug aus den kin­der­rei­chen Fami­lien der Häus­linge und Klein­bau­ern. Um diese mit zu ernäh­ren, muss­ten sie ihren kar­gen Lohn meist noch zu Hause abge­ben. Dort war die Mei­nung, die jun­gen Leute hät­ten ja alles, was zum Leben nötig sei, bei dem Bau­ern oder der Herr­schaft: Essen und Schlaf­statt. Die Eltern bestimm­ten die Anschaf­fung von Klei­dung. Andere Wün­sche hatte man nicht zu haben.

Sel­ten sind sie gefragt wor­den, ob die aus­ge­han­delte Stelle ihren Vor­stel­lun­gen ent­sprach. Das hat­ten Vater oder Mut­ter mit dem Dienst­herrn abge­macht. Der Arbeits­platz war oft in der Nähe, damit man ein Auge auf die Kin­der behielt und sie zu Fuß nach Hause kom­men konn­ten. Viele Betrof­fene haben mir so über ihre ers­ten Dienst­ver­hält­nisse vor ihrer Mün­dig­keit berichtet.

Wie schon anfangs beschrie­ben, sind die Jun­gen und Mäd­chen mei­ner Gene­ra­tion ziem­lich die letz­ten gewe­sen, die nach Schu­lende mit etwa 14 Jah­ren „in Deens­ten güngen“.

Am Sonn­tag vor Ostern, Pal­ma­rum, war die Kon­fir­ma­tion. Mit der kirch­li­chen Ein­seg­nung schloss meist die acht­jäh­rige Schul­zeit der Kin­der ab. Ostern und Michae­lis (29. Sep­tem­ber) gal­ten seit alten Zei­ten als Stich­tag. So begann am Tage nach Ostern das Arbeits­ver­hält­nis. Dann scho­ben Väter und Müt­ter die weni­gen Hab­se­lig­kei­ten mit dem Fahr­rad zu dem abge­mach­ten Arbeits­platz. So ist das noch um 1937 gesche­hen, so war es auch wohl, zwar ohne Fahr­rad, in all den lan­gen Jah­ren davor.

Das Dienst­bo­ten­schick­sal habe ich erst viel spä­ter begrif­fen, weil ich nach dem Schul­ab­schluss auf dem elter­li­chen Hof blei­ben durfte, wo schon die älte­ren Geschwis­ter arbei­te­ten. Nun konnte Vater den Dienst­bo­ten­lohn spa­ren. Wir muss­ten alle not­wen­di­gen Arbei­ten auf unse­rer Hof­stelle ver­rich­ten und wis­sen, was Knechte und Mägde geleis­tet haben.

Länd­li­cher Alltag

Ein gewis­ses Wohl­er­ge­hen hatte sich im Bau­ern­stand nach dem deutsch-französischen Krieg 1870/71 aus­ge­brei­tet. In den Jah­ren der Groß­el­tern lebte man bequem und groß­zü­gig, weil viele und bil­lige Gehil­fen zur Ver­fü­gung stan­den und Geld dafür da war. Die Alten­tei­ler beka­men die aus­be­dun­gene gute Ver­sor­gung durch die Mit­hilfe meh­re­rer Mägde im Hause. Auch meine Groß­mut­ter hielt zwei „in Diens­ten“, wie man es frü­her nannte. Dabei leb­ten noch eine oder zwei der erwach­se­nen Töch­ter im Hause, die not­falls allent­hal­ben mit­hal­fen. Doch deren Haupt­be­schäf­ti­gung war ihre Aus­steuer, das Weben, Nähen und Sti­cken. Die Mägde hat­ten das Grobe zu ver­rich­ten. Sie durf­ten zwar ein­mal abends in der Woche ihren Spaß im Spinn­köp­pel haben, aber dabei gab es kei­nen Auf­wand an Bekös­ti­gung, wie bei den Spinn­aben­den der Haus­töch­ter und deren Visi­ten mit Freun­din­nen. Die Tan­ten schwärm­ten noch im Alter von der „guten Kai­ser­zeit“. Nach deren Hei­rat hielt mein Vater, der Hoferbe, 1912 Hoch­zeit. Meine Mut­ter musste nach Kriegs­be­ginn 1914 mit dem ers­ten Kind mit einer Gehil­fin aus­kom­men und dazu der rheum­akran­ken Schwie­ger­mut­ter bei­ste­hen. Hilf­reich für sie, kam gleich nach dem Krieg aus Hun­ger­not eine ganz junge Ham­bur­ge­rin ins Haus. Sie blieb bis zur Infla­tion als Kin­der­mäd­chen da.

Von Char­lotte Hom­feld Aus: Hei­mat­blät­ter Nr. 4/2003

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