Selbstversorgung in der Viehhaltung
Von der Viehhaltung für den Eigenbedarf und als Einnahmequelle
Wir Eingesessenen der niedrigen Geest, nur wenige Kilometer von den fruchtbaren Lehmböden der Wesermarsch entfernt, bauten noch vor 70 Jahren auf den sandigen Äckern fast nur Kartoffeln, Roggen, Hafer und Futterrüben an und verbrauchten die Ernte in eigener Wirtschaft. So war es seit der Kultivierung der Landschaft üblich. Es war ein Kreislauf: Der Mensch sorgte für das Vieh und das Vieh sorgte für den Menschen.
Hier über das Mist-Fahren und dessen Ausbreiten auf dem Acker, das Pflügen, Eggen, Graben, Säen, Pflanzen, Legen, Hacken, das Heuen, Kornmähen, Binden, Aufhocken, und Einfahren, vom Dreschen und von Kartoffeln– und Rübenernten im Einzelnen zu schreiben, würde zu weit führen. Dabei sind diese Arbeiten die Grundbedingungen für die Ernährung von Vieh und Mensch gewesen und nur reiche Ernten bescherten Wohlstand.
Die Kühe waren in den täglichen Versorgungsabläufen die vorrangigen Tiere auf dem Hof, hauptsächlich wegen der Einhaltung der Melkzeiten.
Das Heu, oft in zwei Mahden im Sommer auf den Wiesen geerntet, bildete neben Stroh das Rauhfutter für Rindvieh und Pferde im Winter. Die Runkelrüben, das Saftfutter für das eingestallte Vieh, waren die zweite Grundlage für die Winterfütterung. Zuckerrüben wurden erst nach dem Kriege bei uns angebaut und unterbrachen dann mit Kartoffeln und Korn den langen Selbstverbrauch der gezogenen Früchte durch Verkauf an Zuckerfabriken.
Die saftigen Runkelrüben hatten mit ihren besseren Erträgen und neutralem Ge-schmack die Steckrüben und den Strunkkohl als Futter im Anbau verdrängt. Auch Futterwurzelfelder sah man seltener. Kohl und Steckrüben gaben der Milch einen strengen Geschmack. Das war auch zu spüren bei überreichlicher Fütterung von Stoppelrüben, die als Nachfrucht ein streckendes Herbstfutter vom Acker weg bildeten. Schon die selbst gemachte Butter ließ sich mit einem guten Geschmack besser verkaufen, und nichts geht über eine „Maibutter“ vom ersten Weidegang und über die „Grasbutter“ überhaupt. Klee mag dafür noch besser sein. Bei uns sah man solche Felder selten.
Die Kühe und Rinder mussten aber ohne frisches Gras durch den Winter kommen. Das Heu lag auf dem Dachboden über der Diele. Die geernteten Runkeln lagerten gut bedeckt in großen Mieten. Sie wurden bei Bedarf fuderweise in die Runkelkammer an der Diele geholt. Wenn es nötig war, säuberte man sie von der anhaftenden Erde. Ein Rübenschneider zum Drehen – später mit Motor – zerkleinerte sie zur besseren Futteraufnahme. Das hatte man früher mit einem Stampfer in den Händen tun müssen. Der geschnittene Haufen wurde mit Haferspreu vermengt und den Kühen in die Krippe geschoben. Je nach Kuh und ihrer Leistung wurde Sojaschrot und anderes Kraftfutter darüber gestreut. Das war die erste Mahlzeit. Morgens wurde vorher gemolken. Früher war es so, um Zeit für die Verarbeitung der Milch zu haben, später, um den Milchwagen beim Abholen der Kannen nicht zu verpassen. Die Kühe standen beim Melken ruhiger, wenn sie nicht nach Futter langten. Abends war der Stall beim Rübenfressen ausgemistet worden und zum Melken schön sauber. Auch Kühe wurden mit Kardätsche und Striegel gepflegt und ihnen lange Schwanzhaare entfernt. So hingen nicht mehr die langen „Klatten“ an ihren Schenkeln, wie in den Zeiten der Tiefställe. Über das Melken selbst wurde an anderer Stelle geschrieben. Das Heu war die nächste Mahlzeit. Danach wurde noch Haferstroh vorgeschoben. Deren Rest ergab mit dem vom Strohschneider in drei Teile geschnittenen Roggenstroh die Einstreu. Das Mittelstück des Roggenstrohbundes blieb zusammen und ließ sich prima über den Hof zu anderen Viehställen tragen. Mit dem Reisigbesen musste immer wieder gefegt werden, auch die Futterkrippen und zum Futterabschluss die Diele.
Alles hatte gewissermaßen seinen Rhythmus. Aber das Kalben einer Kuh konnte den Tagesablauf ganz schön durcheinander bringen. Nicht immer kalbte eine Kuh allein. Wir holten die Nachbarn zu Hilfe, die Nachbarn holten uns (Meist waren es die Män-ner!).Das konnte nachts und tagsüber stundenlanges Warten auf die Geburt bedeuten, um dann mit Zughilfe der Kuh das Kalben zu erleichtern. Unterhaltung und ein paar Schnäpse hielten wach und munter. Eine gute Geburt tröstete über den entbehrten Schlaf oder die verlorene Zeit. Was waren Nachbarn früher für wichtige Menschen!
Die Geburt eines Kalbes mag hier als Hinweis dienen, dass ein gekörter Bulle im Ort, bei einem Bauern aufgestallt und versorgt, für diesen Nachwuchs sorgte. Die rindernden Kühe wurden am Strick dorthin geführt.
Bei uns überwinterte der schon größere Rindviehnachwuchs in einem Laufstall in der großen Scheune. der war für drei Jahrgänge unterteilt, damit die großen Tiere die kleineren nicht bedrängten. Dieses Jungvieh bekam auch einen Teil des geschnittenen Saftfutters hergetragen und vom Heu, je nach der Ernte, größere oder kleinere Mengen. Sonst füllte Haferstroh den Rest an hungernden Mägen. Die Rinder hatten oft bis zum Frost und Schnee Weidegang gehabt, je nach Jahr und Wetter. Die dreijährigen Ochsen daraus waren gut befleischt verkauft worden, ehe der Graswuchs zu sehr nachließ, und ebenso die tragenden Rinder vor dem ersten Kalben. So war wieder Platz für die heranwachsenden Kälber im Stall. Der Erlös aus dem Rindviehverkauf war neben den Mastschweinen die Geldquelle des Landwirts. Da waren Han-delspreise ganz entscheidend für gute oder schlechte Einnahmen, aber auch die Qualität der Tiere nach futterreichen oder armen Sommern. Eine „Starke“, wie bei uns das Rind hieß, das zum ersten Mal kalbte, mit einem guten Euteransatz und einer leistungsstarken Mutter behielt man gern für sich und verkaufte eine nicht so gute Milchkuh dafür. Auch wir trachteten nach guten Milcherträgen von dem geernteten Futter, wenn wir auch kein eingetragenes Herdbuchvieh hatten und nicht für Versteigerungen mit Höchstpreisen züchteten. Man stand gewissermaßen unter Leistungszwang. Herdbuchgesellschaften waren Vereinigungen und nichts für meinen Vater, wie alle Genossenschaften. Dabei ergaben die späteren Milchkontrollen im Stall über Fett– und Milchleistungen der einzelnen Kühe eine sehr gute Steigerung der Milch-produktion durch Ausmerzen der leistungsschwachen Tiere. Weil vom Fettgehalt der angelieferten Milchmenge entscheidend die Auszahlung durch die Molkerei abhing, halfen die Anstrengungen bei der Zucht, die Milch zu einer immer wichtigeren Einnahmequelle zu machen.
Die Schweinehaltung war das nächste Standbein für die Selbstversorgung und die Einnahmen in der Landwirtschaft, und bei guten Schweinepreisen war oft das Beste. Nach der Inflation 1921/23 entwickelte sich die Mast mit dem „Hoyaer Landschwein“ bis hin zum kleinsten Anbauer, und ihre Produkte waren bis ins Ruhrgebiet gefragt. So rollten die Fuhrwerke mit den schrägen Brettern als Schutz vor Überspringen und die breiten Federwagen mit den hohen Seitenhecks von den Wiegestellen beim örtlichen Gasthaus zum Güterbahnhof in Bruchhausen-Vilsen, natürlich von Pferden bespannt, zum Verladen der quiekenden Fracht in die Viehwagen der Kleinbahn. Mit fetten Schweinen musste man behutsam umgehen. Schweine haben ein schwaches Herz und verfettet verkraften sie schlecht Aufregungen und kippten tot um.
Zur Viehwaage bei der Gastwirtschaft wurden sie deswegen gern langsam hingetrieben, damit war ihnen das Greifen und Hocheben erspart worden, denn nicht jeder Hof besaß eine Rampe zum Rauflaufen auf den Wagen. Für den Mäster selbst waren solche Anlieferungstage meist ebenfalls sehr anstrengend. Das Treffen und Reden mit anderen Anlieferern entwickelte sich oft zum vielen Zuprosten. So kam es zu einem beschwerlicheren Heimweg, als es morgens das Hintreiben mit den Schweinen war. Die Schweine hatten vielfach ein eigenes Gebäude auf dem Hof, und sei es nur ein Bretterkoben.
Mein Vater sah in der Mast den Profit und erneuerte 1926/27 den alten Stall (mit einem Plumpsklo von außen) zum modernen Neubau; mit einer großen Futterküche vornan, daneben ein Raum, der noch wenige Jahre als „Knechtskammer“ diente, dann Lager– und Abstellraum wurde, war der Stall sinnvoll eingerichtet. Im Dachraum über der holzverschalten Stalldecke lagerten die gedroschenen Strohbunde für die Einstreu aller Tiere, die auf der Diele zerschnitten wurden. Wie es schon immer in Schweinställen üblich war, teilten halbhohe Wände die Boxen. Vorn zum Gang befand sich der Trog mit einer schwenkbaren Klappe zum Einschütten für den Drank und daneben eine gleich hohe Tür als Zugang. So waren beidseitig die Ställe angelegt. Güste und tragende Sauen teilten sich vorm Ferkeln einen Raum. Muttersauen lagen mit ihrem Nachwuchs darin allein im Stroh. Später war ein Nebenstall mit verschließbarem kleinem Durchlauf für die Ferkel der Ort, wo den Ferkeln zugefüttert wurde und wo ihnen niemand was wegfraß. Abgesetzt von der Mutter bekamen sie noch den gewohnten Auslauf neben dem Stall, wie sie es mit der Mama kannten.
In diese Zeit fiel das Kastrieren der männlichen Ferkel. Noch eine schmerzhafte Prozedur war das „Wiern“ der größeren Läufer, die mit ihren Rüsseln zu sehr den Auslauf umwühlten. Spezielle Drahtkrampen wurden mit ebensolcher Zange unblutig vor die Nasenlöcher gesetzt und verhinderten mit der Empfindlichkeit das Wühlen, nicht aber das Fressenkönnen.
Die Sauen hatten nachmittags ihren täglichen Auslauf im Apfelgarten. Muttersauen wurden für kurze Zeit von den Ferkeln getrennt. Der Auslauf bedeutete Bewegung und Futterersparnis. Hier war Gras unter den Obstbäumen, im Herbst auch Fallobst. Willig rannten die Tiere den Weg zur Weide, eilig folgten sie abends dem Lockruf „Jüch, Jüch, Jüch!“ von meinem Vater, wenn das Futter im Stall bereit stand und kamen allein zurück.
Die Mastställe lagen im Quergang des Gebäudes. Es gab damals schon Belüftungs-wege in den Mauern unter den Fenstern. Eine große Grube unter dem Gebäude sammelte die Jauche, die auch vom Kuhstall hierher geleitet wurde. In sehr kalten Wintern konnte dieser Gang zufrieren, das war übel. Über der Jauchegrube im Stall, aber nur von außen betretbar, und durch hochgezogene Wände ohne den Geruch von Schweinen, befand sich der neue Abort mit hölzernem Sitz. Dieser nun gescheuert, mit weiß getünchten Wänden, mit Türfenster und Zeitungspapier war ein Luxus gegenüber den „einsichtigen“ alten Klos. Dabei war doch schon jene Aufstellung vor Jahren ein riesiger Fortschritt zur Verrichtung der Notdurft der Menschen gewesen! (Heute verplörren wir dazu das gute Wasser!!).
Die Sauenställe wurden wöchentlich ausgemistet. Die Ställe der fetten Schweine be-kamen kein Stroh. Ihr weicher Dung, den wir „Schweineknipp“ nannten, musste täglich mit einer Kastenschiebkarre weit ab vom Haus in eine Grube gefahren werden., denn der stank. Das wurde später ein starker Dünger auf dem Feld für Runkeln.
Man konnte Schweine langsam heranmästen, die blieben durch Auslauf beweglich und setzten gutes Fleisch an. Speckiger wurde es durch Schnellmast. Mastschweine waren auch empfindlich für Rotlauf, die bei hohem Fieber mit hinzukommender Lungenentzündung zum Tode führte. Pest und die Maul– und Klauenseuche gingen auch früher schon mehr oder weniger verlustreich durch den Viehbestand und waren hart für den Bauern. Mit allen Mitteln der Desinfektion und amtstierärztlicher Behandlung, die nötig war, wurde dennoch nicht so viel Aufhebens davon gemacht, wie heute.
Einkuhlen durfte man die Tierleichen seit 1862 nicht mehr. Mit dem Abdeckerzwang holte nun ein Fuhrwerk aus Asendorf die Kadaver in die dortige Abdeckerei. Mit einer Winde wurden sie auf den speziellen Wagen gezogen. Schrecklich war das Bild, wenn der peitschen-knallende, meist betrunkene Fahrer über die Landstraßen fuhr und die vier oder mehr Beine von Rindvieh oder Pferden steif und steil in die Luft ragten. Die nützlich Verwertung der toten Tierkörper ist noch heute üblich, aber jetzt in Steyerberg. Ich wurde als junges Mädchen per Rad zur Abdeckerei geschickt, um Pferdefett für die an „Gelber Galt“ erkrankten Kuh zu holen. Unser „Tierheilpraktiker“ im Kirchspielort, der bei leichten Krankheitsfällen geholt wurde (weil er billiger als ein Tierarzt behandelte), hatte das zum Einreiben des Euters empfohlen. Es hat geholfen, das quittengelbe Fett!!
Um den lebenden Kreislauf im Schweinestall mit immer vollen Ställen zu haben — bei uns war es eigene Aufzucht – mussten die Sauen gedeckt werden. Unser nächster Nachbar hielt dafür einen gekörten Eber, da war das Hintreiben der Sau kein Problem. In meinen Kinderjahren stand der Deckeber in Hollen, zwei km von uns entfernt. Meine älteren Brüder mussten die Sau dort hinleiten; ich bin mitgelaufen. So fiel keine Arbeitskraft der Großen aus. Den halben Weg lang standen Lindenbäume an der Landstraße. In Hollen waren es Apfelbäume. Da war kein Vorwärtskommen, wenn die Sau unter jedem Baum nach Äpfeln suchte. Beim zweiten Gang rannte sie meist schon schneller zu dem Eber.
Nach 110–118 Tagen hieß es dann „im Schweinestall sitzen“, um eine verlustlose Geburt der Ferkel zu begleiten. Manche Sauen waren durch die Wehenschmerzen so wütend, dass sie nach den Neugeborenen schnappten und sie tot bissen, aber auch den Aufpasser angriffen, wenn er helfen wollte. Andere lagen wiederum allein ferkelnd und friedlich säugend im Stroh und hatten dem Züchter keine schlaflose Nacht gebracht. Das war in Erntezeiten gut so. Noch besser wurde es, als die Infrarotlampen aufkamen und die Ferkelaufzucht durch das Überhängen dieser Lampen verlustloser werden ließ.
Die Fütterung war maßgebend für den Erfolg der Mast. Gute Zucht allerdings auch, darum gab es bei Schweinen Landwirte mit Herdbuchaufzuchtnachweisen. Alles, was im Haushalt anfiel, wurde in die Drankeimer unter der Spüle in der Abwaschküche geschüttet. Die holte mein Vater, er war der „Futtermeister“ im Schweinestall, zu den Futterzeiten. Dazu gehörte „Wattje“, wie wir die Molke nannten und auch Magermilch für abgesetzte Ferkel.
Kartoffeln wurden früher täglich im Mauerkessel in der Futterküche gekocht und heiß durch den Quetscher in den Dranktrog gedreht, worin das Futter angerührt wurde. Bald kamen Dämpfer auf, die mit wenig Wasser und weniger Brennstoff die Kartoffeln schneller garten und sich dazu durch Kippen schneller leeren ließen.
Der Anbau von stärke– und ertragreichen Kartoffelsorten ließ als nächsten Fortschritt das „Einsäuern“ aufkommen,. Lange Erdauswürfe wurden mit Steinen ausgelegt. Dahinein schüttete man den gekochten Erntevorrat. Nun dämpfte eine Dampfkolonne, die von Hof zu Hof zog, in einem Arbeitstag die Kartoffeln. Dafür war natürlich viel Wasser und Heizmaterial nötig, um die Kartoffeln zu waschen und um die nacheinander garenden Kessel zu heizen. Mit Säcken und dann mit Erde wurden die heiß eingefüllten Kartoffeln bedeckt. Bald konnte die breiige Masse das ganze Jahr über ohne Verlust verfüttert werden.
Hier sahen die Molkereien ein Geschäft mit ihren überflüssigen Dämpfen der Kessel-heizung und bauten Dämpfanlagen. Dorthin fuhr man nach abgemachtem Termin mit einer Fuhre loser Kartoffeln und kam bald mit einer heiß dampfenden zum Entleeren in die Grube heim. Das war preiswerter und nicht so arbeitsaufwendig wie ein Dämpftag mit der Kolonne, auch wenn man diese Fahrten öfters wiederholen musste, bis die Grube gefüllt war. Mit diesen Kartoffeln und dem gemahlenen Roggen lief die Schweinemast vorzüglich. Eine Handvoll Fischmehl gehörte als Eiweißgabe für gutes Gedeihen dazu. Nur durfte man es hiermit nicht übertreiben, damit das Fleisch – wie auch die Hühnereier – nicht tranig schmeckten.
Die Sauen bekamen dünnere Suppen und im Sommer neben Weidegang gemähtes Gras, Ackerspörgel oder Seradella. Im Winter ersetzten Runkeln dieses Grünzeug. Das zu schlachtende Schwein wurde von den fetten genommen, aber auch güste Sauen wurden herangemästet für mehr Wurst und ein jüngeres manchmal als „Bratenschwein“.
Auch bei den Schweinen bestimmten Nachfrage und Qualität den Preis. Nicht immer war die Arbeit für einen Stall voller gemästeter Schweine gut bezahlt. Eigenerzeugtes Futter war die Grundlage für einen Erfolg. Deswegen machten viele aus dem Boden gestampfte Mästereien, die nach der Inflation in der Schweinemast eine Goldgrube sahen, bald pleite. Sie hatten den teuren Kornpreis nicht berechnet, den sie für diesen Kauf bezahlen mussten. Die alte Eichelmast war schon lange nicht mehr üblich. In herkömmlicher Aufzucht bis zur Mast halten sich heute nur noch ganz wenige Landwirte Schweine neben Milchkühen. Die Hausschlachtung findet kaum noch statt. Wo noch ein oder mehr Schweine zum Schlachten extra heran gemästet werden, werden sie meist in den Schlachthäusern der Berufsschlachter oder in denen von ehemaligen Hausschlachtern eingerichteten so verarbeitet, wie man es wünscht. Alle hiesigen Schlachter beschicken die Wochenmärkte der Umgebung mit ihren Hausmacherprodukten. So kann noch jeder sein Knipp und seine Wurst in altgewohnter Art dort oder an Wochenenden in ihren geöffneten Läden erstehen.
Es gibt eine Bio-Hofstelle, wo sich die Schweine das ganze Jahr frei, d.h. mit einem Unterschlupf in Hütten bei zu viel Sonne und Regen, im Topinamburfeld das Futter selbst ausbuddeln und dort bis zum Schlachten fleischig heranwachsen. Dafür wurde das robuste Bentheimer Schwein gewählt.
Dem weißen Hoyaer Landschwein, den begehrten und weit berühmten veredelten Landschweinen mit den Schlappohren, war früher ein schwarz-weißer Eber zum Decken zugeführt worden. So sah man vielfach die bunten Ferkel und Mastschweine.
Nach den Hungerjahren des letzten Krieges florierte die Zuckt mit dem Hoyaer Landschwein wieder. Als dann die Sättigungswelle eintrat und man mehr Fleisch als Speck essen wollte, holte man sich zur Zucht die langen Kotelettenschweine aus Holland. Das Hoyaer Landschwein verschwand aus der Zuchtfolge. Mit ihm auch die landschaftlich so bekannte Mast auf jedem Anwesen hier.
Es gibt vereinzelt Höfe, die neben Landbau in größerem Maße Sauen für Ferkelaufzucht halten und diese dann als Läufer an Mästereien verkaufen. Diese mästen sie in großen Stallanlagen neben Landanbau zum Verkauf heran. So änderte sich die Existenz in den letzten Jahrzehnten bei den nur noch wenig gebliebenen Bauernhöfen.
Eine Nahrungsquelle bildete ebenfalls die Hühnerhaltung. In einem wesentlich kleineren Maßstab bereicherte sie dennoch den Haushalt mit den Eiern und dem Fleisch zu der Milch und Butter, zu Schweinefleisch und Wurst. Das Krähen eines Hahns, ob kleines oder größeres bäuerliches Anwesen, gehörte mit der Hühnerschar dazu. Früher hatten die Hühner vielfach ihren Wiemen über dem Kuhstall im Hause. Eine Leiter vorm Hause mit kleinem Durchschlupf ließ sie zum Schlafen nach oben klettern. Wir hatten einen Stall mit Stangen und Nestern an der Frontseite der großen Scheune, woran der Rinderstall grenzte. Ein Hühnerloch in der Tür erlaubt deren Geschlossenhalten bei schlechtem Wetter, sonst gab ein flaches Schauer draußen zusätzlich Unterschlupf bei Regen und zuviel Sonne. Dort wurde auch im Sand gebadet. Stroh und Porzellaneier lockten in den Nestern zum Legen, damit man nicht versteckte Gelege suchen musste .Es kam schon mal vor, dass plötzlich eine Henne mit frisch ausgebrüteten Küken angegluckt kam.
Wasser stand in ausgedienten Pötten immer bereit und Muschelkalk gab es für feste Eierschalen. Das war so wichtig, wo der Sammler die Eier lose in große Weidenkörbe legte, die dann eine Wagenfahrt nach Bremen auf schlechten Pfaden überstehen sollten. Häcksel war hier eine stoßdämpfende Hilfe.
Morgens bestand das Futter aus den gekochten Schweinskartoffeln mit Hafermehl und ein bisschen Fischmehl. Nach dem Nachmittagskaffee gab es die Haferkörner frei hingestreut mit manchmal etwas gekauftem Mais für gelbe Dotter. Dafür half auch das Gras. Jetzt wurden die gelegten Eier den Nestern entnommen und im Keller gelagert.
Frühe Dunkelheit und Kälte änderten den Plan. Zeitig suchte das Federvieh die Sitz-stangen auf und war bei Schnee im kleinen Raum dämmerig eingesperrt. Durchgeschnittene Runkeln ersetzten das Gras, aber wenn diese und auch das Wasser im Stall einfroren, „gefror auch den Hühnern der Hintern“. So nannten wir es, wenn sie dann das Legen aufgaben. Da war es gut, wenn sich die Hausfrau einen Vorrat an Eiern in Kalkwasser zum Konservieren eingelegt hatte. eine Holzasche soll auch gut dafür gewesen sein, erzählt man.
In frostfreien Zeiten hatten die Hühner große Freiheit und fanden sogar den Weg zum Blumen– und Gemüsegarten zum Ärger der Hausfrau. Überall wurde gescharrt und der Misthaufen war ein geliebtes Ziel, die Würmer daraus zu picken. So war auch ihr eigener Dreck überall verteilt, wo sie nach etwas suchten. Daran erfreuten sich nur die Schweine, wenn sie zur Weide liefen, und schmatzten diesen Leckerbissen als ein für sie nötiges Antibiotikum hinein.
Zwischen den Hühnern liefen einige Gänse für einen Braten und etwas Weihnachts-geld. Meist waren auch noch ein paar Enten mit ihrem Geschnatter da, die so gern das Hühnertrinkwasser verdreckten und auch sonst den Hofraum stark verschmutzten. Zwerghühner mit den schönen Kämmen waren das Hobby meiner Brüder, und dazu kamen noch Puten mit einem schrecklich aufgeregten „Mann“. Das waren Festtagsbraten und Nebenverdienst durch Verkauf.
Auch einen Taubenschlag gab es eine Zeit lang oben in der Scheune. Heute ist unsere Gegend ein Land der Reisebrieftauben, als Hobby und für Wettbewerbe, geworden. Ebenso wird Rassegeflügel gezüchtet und in Ausstellungen mit Preisen bewertet. Nur wer Lust und den passenden Stall mit Auslauf hat, hält sich noch Hühner für den Eigenverbrauch und verkauft den Überfluss an Freunde und Bekannte.
Wir zogen unser Federvieh durch Brüten selbst heran. Gluckte eine Henne, man merkte es am Nesthocken und an ihrem glucksenden Laut, ließ man sie brüten. Wenn zu viele Hennen gluckten, sperrte man sie in Käfige. Sie vereinnahmten sonst die Nester, die die anderen Hühner zum Legen brauchten. Fürs Brüten wurde im ruhigen, dämmerigen Apfelkeller auf dem Boden ein Nest mit Steinen geformt und mit Heu ausgepolstert. Die ausgesuchten Eier von guten Legern sollte die Glucke nun mit ihrer Körperwärme ausbrüten. Täglich wurde geprüft, ob sie alle Eier richtig bedeckte. Man hob eine eifrige Brüterin für kurze Zeit zum Fressen und Trinken und Darmentleeren vom Nest herunter, denn 20–21 Tage dauerte es, bis die Küken schlüpften. Sie kamen dann zusammen in einen Drahtkasten auf der Diele, um hier vor Katzen und anderem Getier geschützt, aufzuwachsen. Bald spazierte die Gluckhenne mit ihnen über den Hof und scharrte eifrig nach Würmern, wenngleich Kükengrütze und Wasser die Hauptnahrung war. Immer besser werdende Gefäße für sauberes Wasser und Futterentnahme sorgten bei allem Federvieh für weniger Verluste. So ertranken keine Küken mehr in den alten Pötten.
Auch die Puten-, Enten– und Gänseeier brüteten meist die Hühnerglucken aus. Die Leghornrasse hatte selten die Ausdauer für die Brütezeit von 25–33 Tagen, die je nach Art, diese Eier brauchten. Da brüteten Rhodeländer und dicke Mischhennenrassen besser. Diesen Glucken machte es hinterher nichts aus, die artfremden Zöglinge auszuführen, die meist Wasserpfützen mehr liebten, als das Kratzen am Misthaufen. Wenn genug gegluckt war, hatte die Henne auch wieder Lust zum Eierlegen und ließ von den Küken ab. Ihr Instinkt wollte die nächste Brut vorbereiten.
Heranwachsende Hähnchen wurden für ein leckeres Sonntagsessen geschlachtet. Hühnersuppe und Ragout, wie wir das Frikassee nannten, waren für uns nicht nur ein Hochzeitsessen. Es war aber lange üblich, den damals im Hause feiernden Nachbarn ein Suppenhuhn zu bringen, dazu ein Stück oder ein Pfund Butter. Auch zu Beerdigungen gehörte lange die Butterspende für den Kuchen der Trauergäste, die früher im Hause bewirtet wurden. Nachbarn, ich schrieb es schon einmal, waren früher ganz wichtige Menschen.
Im Haushalt wurde manchmal mit Eierkost gegeizt, um durch Verkauf ein bisschen Mehr Geld zu haben. Ein Rezept wie folgendes, dem Rezeptbuch „ As’n fröher ääten hett“ vom Plattdeutschen Verein Verden entnommen, wäre in meiner Jugendzeit schon nicht mehr denkbar gewesen: Brottorte mit 24 Eiern. 24 Eigelbe mit 500 g Zucker 3⁄4 Stunde schlagen. 320 g altes geriebenes Schwarzbrot, 250 g geriebene Mandeln, 10 g Nelken, 32 g Zimt, 1 abgeriebene Zitronenschale, 125 g geriebene Schokolade und Mark einer Vanillestange der Reihe nach unterschlagen. 24 Eiweiß zu Schnee schlagen und unterheben. Eine Form mit Butter ausfetten und mit Zwiebackkrumen ausstreuen. Bei Mittelhitze backen. Nicht die Ofentür während der Bachzeitöffnen! (Die Länge der Backzeit war nicht angegeben.)
Diese Menge hätte für 2 – 3 Mahlzeiten für die vielen Esser in der Woche gereicht. Ein Spiegelei pro Person zu Kartoffelsalat, extra eins nach schwerem Arbeitstag zu Bratkartoffeln, Rührei oder gekochte Eier am Sonntagabend, wenn die Hühner fleißig legten und die Eier billig waren, das reichte. Zu Pfannkuchen, gelbem Pudding und Klütschenstippels wurden mehr Eier verbraucht, und natürlich ebenso für Topfkuchen und Torten. „Arme Ritter“, Schwarzbrot mit zwei Eiern in der Pfanne gebraten, war für uns Kinder absolut kein „armes“ Essen, wenn wir spät von der Schule kamen und vom Mittagstisch nichts Ordentliches mehr übrig geblieben war. Zum Osterfest gab es gekochte Eier satt.
An ein schönes Federvieh sei noch gedacht: Ein radschlagender Pfau zierte manche Hofstelle früher mit seiner Gattin. Heute hört man manchmal noch so einen aufgeregten „Frau-Frau-Ruf“ über das Dorf schallen. Auch die Perlhühner gicksten mit ihren unüberhörbaren Lauten auf einigen Höfen. Davon gibt es im Nachbarort, als begehrtes Fleisch und für gute Einnahmen, seit einigen Jahren Massenaufzucht in Freilandhaltung. Puten dagegen werden in großen Ställen gemästet. Sie sind sehr empfindlich. In Martfeld existiert seit 15 Jahren die Mastküken-Brüterei Weser-Ems am Ende des Ortes in großen Hallen. Dennoch ist der kleine idyllische Hühnerhof nicht ganz passe´. Liebhaber erhalten ihn zu mancher stillen Freude.
Der Bericht von den „ernährenden Tieren“ hätte eigentlich die Pferde an die erste Stelle setzen müssen. Sie waren früher die wichtigsten Tiere, um eine Landwirtschaft in Bewegung zu halten. Ohne sie wäre Saat und Ernte nicht möglich gewesen, um uns und das andere Vieh zu versorgen. Allerdings ist Tatsache, dass sie mit ihrem Fleisch und ihrer Wurst auch eine Nahrungsquelle waren. Kenner und Liebhaber aßen Pferdefleisch; es war bei uns nicht üblich.
Für uns bedeutete ein Pferd Mobilität! Wer gute Tiere züchtete und verkaufte, hatte ein zusätzliches Einkommen. Hier, um Verden/Aller, wurden und werden die Hannoveraner gehalten. Sie sind gute Zugpferde gewesen. Sie waren und sie sind beste Reittiere. Auch früher gab es Reitvereine und Turniere. Reiter begleiteten einen Hochzeitszug und ritten im Festumzug mit. Nur waren es damals fast ausschließlich junge Männer, die diesen Sport ausübten. Das kam sicher aus der Tradition der Väter, die als Husaren und Ulanen dienen mussten, wie mein Großvater früher neun Jahre lang in Verden. Zu Erntezeiten gab es damals langen Urlaub mit dem Pferd, um auf dem Hof der Eltern beizustehen und die Bergung der Ernte zu sichern.
Nicht nur Hannoveraner waren die Helfer vor Pflug und Wagen. Schwere Warmblüter gab es ebenso. Wir hatten vor dem Kriege Oldenburger, Max und Moritz hießen sie. Max musste in den Krieg. Ihre – sie war eine Stute – aufgeregte Art hat sie sicher bald kaputt gemacht. Ruhige Pferde waren leichte Kaltblüter. Sie wurden viel von kleineren Betrieben als Einspänner gehalten. Früher passierten viele tödliche Unfälle durch wild gewordene Pferde, wo der Fuhrmann vom Wagen überrollt wurde. Die Sägereien und die Fuhrbetriebe spannten die Belgier, die ganz schweren Kaltblüter, vor ihre Wagen. Drei bis vier solcher Pferde zogen die Langholzwagen mit den schweren Baumstämmen auf tief verschlammten Wegen aus unserem Staatsforst „Hoyaer Weide“.
Pferdemarkt war seit alten Zeiten am letzten Dienstag im August in Bruchhausen auf dem Marktplatz. „Brokser Heiratsmarkt“ nennt man ihn noch heute, weil sich bei dieser Begegnung von weit her kommende für’s Leben kennen gelernt haben. Heute dauert er mit seinen vielen Buden und Angeboten von Freitag bis Dienstag Nachmittag. Pferdemarkt, aber auch Kleinviehangebot ist noch immer am Dienstag. Früher war nur der Sonntagnachmittag zusätzlicher Markttag. Am Dienstag setzten Händler und Bauern mit Handschlag ihre Pferde um. Frühmorgens zogen schon die Pferde, hintereinander gebunden, reihenweise auf den Landwegen zum Markt. Radfahrer und Kutschwagen füllten die Landstraße mit Verkehr. Nach 1930 verkehrte ein Mietauto zwischen den Ortschaften und manche unternahmen das Wagnis, damit schnell zum Platz zu kommen. Dienstboten bekamen frei und Extrageld für den Marktbesuch. Die Hausfrau musste Melken gehen. So war es Tradition.
Pferde mussten gepflegt werden. Sie repräsentierten stets den Besitzer. Vor dem An-schirren wurden sie gestriegelt und blank geputzt. Gutsitzende Geschirre sind Kunstwerke des Sattlers. Sie waren wichtig für gute Zugleistungen. Ebenso das Futter. Grobgeschroteter Hafer mit leicht angefeuchtetem Häcksel bildete das Kraftfutter. In der Krippe hielt ein tiefes Loch den Eimer für das Trinkwasser fest, damit er nicht umkippen konnte. Zum Häckseln wurde Haferstroh durch die Häckselmaschine getrieben, die mit großem Schwungrad und den zwei Messern darin das Stroh in kurze Stücke schlug. Diese Maschine wurde vor der Elektrizität mit dem Pferdegöpel oder per Hand betrieben. Ich habe das Rundgehen der Pferde vor einem Göpel für das Dreschen noch bei einem Nachbarn erlebt.
Nun durften die Pferde nach getaner Arbeit ohne Göpeldrehen ruhen und nach dem Kraftfutter Heu fressen. Grobes Heu bekam ihnen besser durch intensiveres Kauen. Kolik war und ist ein gefürchtetes Pferdeleiden.
Die Pferde waren nicht nur Motoren vor Ackerwagen und allen möglichen Ackergerä-ten. Wie bei dem Backbericht schon erwähnt wurde, war ihr Anspannen mit einem Extrageschirr vor Kutschwagen nötig, wenn nachbarliche Taufen und Hochzeiten anstanden, für die Fahrt zur Kirche. Zu Begräbnissen zogen sie langsam den Leichenwagen oder auch den Kutschwagen mit den Angehörigen. Hochzeitsfahrten waren dagegen schnelle Fahrten ohne Anhalten, denn Anhalten brachte dem jungen Paar Unglück, wie ein alter Aberglaube besagte.
Zu Familienfahrten fuhr man zweispännig, zu den Gottesdiensten an Sonn– und Feiertagen und zu den Verwandten zog unser „Moritz“ allein. Verwandtenbesuche endeten meist in der Dunkelheit. Moritz hätte ohne Lampe zielsicher heimgefunden. Vorschrift waren die beidseitigen Wagenlampen mit Kerzen, später auch ein Rückstrahler hinten. Der Wind pustete die Lichter oft aus. Ein Fuhrwerk begegnete uns selten. Man kann es sich fast nicht vorstellen, dass vor siebzig Jahren kaum ein Auto unterwegs war! Die in den dreißiger Jahren beginnende Entwicklung wurde durch den Krieg unterbrochen. So blieben noch einige Jahrzehnte die Pferde die unentbehrlichen Helfer für das Vorwärtsbewegen auf dem Lande. Die Pferdezucht für Nachwuchs blühte nach dem Kriege auf und damit auch wieder der Reitsport. Luftbereifte Räder machten Kutschfahrten bequemer. Die vielen Nachkriegshochzeiten brachten prächtige Kutschwagenkorsos.
Allmählich kam die Mechanisierung. Melkmaschinen lösten das Handmelken ab und der Traktor die Pferde. Auch ein Auto zum Ausfahren konnte man sich bald leisten. Der Pferdestall wurde auf den meisten Höfen leer. Andere Tiere nahmen ihn in Beschlag. Dennoch sind Pferde geblieben. Vielfach stehen sie auf Reiterhöfen in Pflege. Heute reiten Kinder, junge Mädchen und junge Frauen neben wenigen Männern. Zuhause ist oft kein Platz für ein Pferd. Es gibt aber noch Höfe, wo Pferde gezüchtet und betreut werden. Auch sind Pferde mit allen möglichen Wagenarten zu mieten, sogar mit Hochzeitskutschen.
Es sollte nicht unerwähnt bleiben, dass noch in vielen Kleinbetrieben Kühe– und Ochsengespanne bis nach dem zweiten Weltkrieg die Hilfen zur Bewirtschaftung der Wiesen und Felder und zur Heranschaffung von Gütern gewesen sind. Sie müsste man in ihrer Doppelfunktion im Nachhinein als die 100%igen Nutztiere bezeichnen. Kühe gaben neben ihrem Arbeitseinsatz Milch und Butter, Ochsen ließen sich als Schlachttiere verkaufen und Mist zum Düngen der Äcker machten sie noch dazu.
Interessant mag es für manchen zu lesen sein, dass es bis weit über 1920 hinaus in den Dörfern und Flecken Kaufleute, Beamte, Ärzte, Apotheker, auch der Pfarrer, der Kantor und Lehrer ein Pferd zum Fortkommen, Kuh oder Kühe oder Ziegen für Milch und Butter, Schweine zum Schlachten und Hühner für die Eier hielten und mit Hilfe von Dienstboten Äcker und Wiesen bewirtschafteten. Pfarrhöfe waren früher Meierhöfe zur Selbstversorgung. Ehe es die Besoldung der Lehrer gab, wohnte der Kantor frei im Küsterhaus mit zugehörigem Land für seine Ernährung.
Sind Hunde Nutztiere? Ein Hund gehörte immer zu einem bäuerlichen Anwesen, das mag groß oder klein gewesen sein. Er war Wächter, Helfer beim Viehtreiben, scheuchte Hühner auf Befehl aus dem Garten, zog den Milchwagen und die Kinder auf dem Schlitten und war im Allgemeinen Hausgenosse, Freund und Kamerad.
Unser „Waldo“, sonst ein toller Hund, war in den Kriegsjahren ein Melder bei Luftan-griffen, ohne dass es Alarm gab, ebenso bei Gewitter. Er öffnete die Tür von der Diele zum Flur und musste unbedingt in den Keller. Dort lag er auf dem Tisch und hechelte vor Aufregung und löschte die Kerzen mit seinem Geifer. Da hatte er Schiss!
Auch die Katzen konnte man nicht entbehren. Was wäre aus der eingebrachten Ernte geworden, hätten Katzen sie nicht vor Mäusefraß geschützt?! Der Hund schlief im Heuhaufen auf der Diele. Die Katzen hatten ihr Napf auf der „Hillen“, dem Raum über dem niedrigen Kuhstall, wo das Streustroh lagerte, um dort, vom Hund ungestört, fressen zu können. Warme Kartoffeln mit Magermilch oder Reste vom Eintopf war das Futter für Hund und Katzen gleich nach unseren Mahlzeiten. Keiner soll heute sagen „Unmöglich!“ Sie waren prächtig genährte Tiere. Schmusekatzen mit viel Vertrauen zum Menschen hatten wir auch. Unsere „Minchen“ meldete stets ihre schwere Stunde zum Gebähren an und kam dazu in die Küche. Wir mussten ihr in der Häcksellade auf der Diele ein Nest herrichten. Später zeigte sie uns schnurrend ihren Nachwuchs. Gestreichelt wollte sie werden. Gestreichelt mochten alle Tiere gern werden, dennoch gab’s auch Prügel. Geprügelt wurde früher überhaupt viel, beim Vieh und auch beim Tanzen.
Eine oder mehrere Ziegen gehörten schon immer zu einem Häusling, sie war die „Kuh des kleinen Mannes“. Häuslinge gab es viele. Den nachgeborenen Kindern blieb früher auf den Höfen oft keine andere Möglichkeit, als untergeordnet auf dem Hof mitzuarbeiten oder anderswo. Als diese Häuslinge nach der Feldmarkverteilung unserer Landschaft vor 160 Jahren und später eigene kleine und kleinste Anbaustellen mit Land kaufen konnten, hielten sie Ziegen noch immer zu einer Kuh, um bei deren Trockenstehen, vier Wochen vor dem Kalben, Milch und Butter zu haben. Es gab viele Ziegen in dicht bewohnten Dörfern und den Flecken bis nach dem 2. Weltkrieg. Dazu gehörte immer ein gehörnter Gemeindeziegenbock zum Decken. Für den jeweiligen Halter brachte er ein Zubrot. Ziegen waren genügsam im Futterverbrauch, sie brauchten wenig Platz zum Aufstallen und ließen sich an kleinsten Grasstellen anpflocken. Man benötigte keine Weide. Sie waren ganz wichtige Ernährer der minderbemittelten Bevölkerung. Als die Männer dann Arbeit in Industrie und Gewerbe fanden, auch die Frauen sich bezahlte Beschäftigungen suchten, war es mit der Ziegenhaltung vorbei.
Da aber „Bio-Kost“ „in“ ist und Leute Lust auf leckeren Ziegenkäse haben, hat sich ein junges Paar im Ort ein bäuerliches Anwesen zur Haltung von Ziegen und Schafen gekauft und stellt erstklassigen Käse mit dem Namen „Windhof“ her, Sonst sieht man Ziegen mehr als Ziertiere auf Weiden laufen.
In den frühen Kinderjahren bin ich eigentlich mit Ziegen und den frechen kleine Zicklein aufgewachsen. Einer unserer Nachbarn hielt zu seinen 3 – 4 Kühen, die er meist an Wegrändern hütete, einige Ziegen, weil sie deren Milch und Butter liebten. Dort spielte ich viel. Als ich einmal ein Gerstenkorn im Auge hatte, musste ich mich vor einer Ziegen hinknien und mich von ihrem Atem bepusten lassen. Es hat geholfen – oder ging es so weg? Ich weiß es nicht mehr. Eine der Ziegen zog im Geschirr den Handwagen mit dem gehinderten Sohn. Das war damals keineswegs ungewöhnlich. Ziegen zogen willig ein Gefährt, und das nützten vielen für kleine Frachten aus, wenn ihr Hund zu klein dafür war.
Bei uns stand im Kuhstall eine Zeit lang ein Ziegenbock angebunden. Er sollte mit seinem Gestank das krankhafte Verwerfen der Kühe verhindern.
Obwohl ich viel Umgang mit den anschmiegsamen, gelehrigen und sauberen Tieren hatte, gemolken habe ich nie eine und auch keine Ziegenmilch getrunken.
In den Außendörfern des Kirchspiels Martfeld sah man weniger Ziegen bei den Häuslingen. Dort gaben Graswege zu den Äckern und Wiesen die Möglichkeit, Kühe zu hüten. Solche Wege wurden früher von der Gemeinde aus an Häuslinge verpachtet, oder sie bekamen sie unentgeltlich zum Jahreslohn, wenn sie Wegschaufler, Schul– oder Gemeindediener oder Feldhüter (Schütter) waren. In gut wachsenden Jahren konnten sie dort sogar ein bisschen Heu ernten. Sonst wurde bei Auktionen Gras zum Heuen himtsaatweise (12 Himtsaat = 1 ha) gekauft, um die Kuh durch den Winter zu bringen.
Kühe hüten war Geduldsarbeit. In Martfeld ist Nordhausen Becka unvergessen, die ihre Kuh am Strick mit Hut und Handschuhen am Landstraßenrand zwischen den Lindenbäumen grasen ließ. Unser alter Nachbar, Sudmeyers Opa, saß auf einem Klapphocker bei seinen lose laufenden Kühen und freute sich auf ein Gespräch. Manche alten Leute hüteten strickend das Vieh, bis die Kinder sie nach der Schule ablösten. Das war langweilig für sie bei Regenwetter. Klar, dass andere Dorfkinder Gesellschaft leisteten. Zeitvertreib gab es mit dem Flechten von „Poggenstühlen“ aus dem Risch. Geschnitzt wurde alles Mögliche aus Hasel-, Weiden und anderem Holz. Erste Rauchversuche mit den Fruchtbechern der Eicheln oder ausgehöhlten Kastanien mit einem Mundstück und trockenem Laub gehörten dazu. Streichhölzer? Niemand durfte von solchem Besitz wissen, aber käsige Gesichter machten die Er-wachsenen doch ein wenig stutzig. Bei uns zuhause wurde nicht geraucht. Nur bei Besuch zog Zigarrenduft durch die Räume. Mein Vater liebte es nicht und meine Brüder mussten auf die immer mehr aufkommenden Zigaretten verzichten, wir Mädchen sowieso („Das gehört sich nicht!“). Dabei ist mein Großvater ein leidenschaftlicher Pfeifenraucher gewesen mit einer langen Pfeife. Gepriemt wurde noch von vielen älteren Leuten in meiner Jugend. Manchem lief die braune Soße durch die Bartstoppeln. Vor den Mahlzeiten klebten sie den Priem irgendwo fest, um ihn nachher wieder in den Mund zu stecken. Blechschachteln mit dem Kautabak, oder Stücke, steckten mit kleinen Pfeifen in den Taschen. Von einem Hausschlachter wird noch heute erzählt, er hätte vielfach die Wurst versalzen, weil er beim Abschmecken stets den Priem im Mund behielt. Dieses hier zu erwähnen war ein Abstecher zum Thema „Genussmittel Früher“!
So ein Genussmittel hat sicher auch ein Schäfer früher hinter seine „Kusen“ (Backen-zähne) geschoben, wenn er die Schafherde hütete. Die gab es vor hundert Jahren noch auf einigen Höfen. Für die eigene Wollversorgung sind immer Schafe gehalten worden. Manche gaben sie den größeren Schafhaltern in Pension. In meinen jungen Jahren sah man so ein Tier seltener. nach dem 2. Weltkrieg holte man sich die sparsamen Fresser wegen der Wolle wieder auf die Hausstellen. Noch heute sieht man die „Rasenmäher“ bei Häusern und auf Weiden aus vielerlei persönlichen Gründen grasen.
Eine Kaninchenhaltung war die Nebenversorgung für die Häuslinge und die Liebhaber. Nach dem Krieg boomte sie als Zusatzversorgung. Flüchtlinge, Ausgebombte und Heimatvertriebene bauten sich manchen Stall in einer Ecke auf den Höfen, um einen Braten zu bekommen. Heute ist die Kaninchenzucht ein Hobby mit Ausstellungen und Schönheitswettbewerben.
Bienenkörbe standen einst nicht wenige im Immenschauer von Landwirten mit Lust und Liebe zur Imkerei. Im Frühjahr nährten Lindenblüten und die ganze Flora in der Nachbarschaft die Völker. Zur Heideblütenzeit wurden sie mit Pferdegespannen, später mit kleinen Lastkraftwagen, hinter Verden/Aller zu abgemachten Plätzen gebracht. Dort kümmerte sich manchmal der Stellplatzgeber um sie oder der Eigentümer schaute mit einer Tagesreise nach ihnen bis zur Tracht. Den Honig konnte man beim Imker scheibenweise kaufen, oder man holte ihn geschleudert in mitgebrachten Gefäßen. Der Imker hatte „seine“ Kunden. Als noch Rübsenfelder für Lampenöl blühten und reiften und es Ölmühlen dafür allerorten gab – bis nach dem 1. Weltkrieg — , hatten die Bienen mehr Nahrung im Frühjahr. Lange wurde bei uns die Wintersaat, wie wir Rübsen nennen, grün als Dünger untergepflügt. Lupinen wurden dafür auch ausgesät. Da gab es keine Blüte.
Heute blüht und duftet im Frühjahr die ganze Umgebung gelb von Rapsfeldern, die zum Verkauf reif geerntet werden. Die neue Zwischenfrucht, die blaue „Phaelia“ zieht mit ihrem süßen Duft die Bienen an und ist beim Imker beliebt. Es gibt sie noch immer in jedem Ort, die Hobby-Bienenzüchter! Nur die geflochtenen Bienenkörbe sind durch Kästen ersetzt worden und werden auch nicht mehr von allen Imkern in die Heide gebracht. Dieser Raps– oder Sommer-Blütenhonig schmeckt auch ohne Heide gut. Wer ihn verkauft, hat sich an die Lebensmittelkennzeichnungsverordnung zu halten und muss ihn in 1-Pfunds-Gläsern anbieten. Grüne Kontrollklebestreifen mit Unterbezeichnung und Herkunft garantieren den deutschen Bienenhonig darin. Da ist etwas mehr Mühe im Glas als früher im Freiverkauf.
Gefischt wurde früher im Moorgraben und in den Wätern, den Wasserläufen unserer Region, dazu in Kuhlen, die auch dem Löschen bei Bränden dienten. 1910 liest man im Gemeindeprotokollbuch des Vorstehers: „Die hiesige Fischerei wird auf sechs Jahre an den Lehrer Jeinsen für jährlich drei Mark verpachtet.“ Damals zog die Gemeinde Profit aus diesen Wässern. Sicher darf heute niemand ohne Schein der Fischerei nachgehen. Es ist und war ein Hobby. Was damals der Lehrer in seinen Reusen fing, kann ich leider nicht beschreiben. der 1885 gebaute Meliorationskanal und das Flüsschen „Eyter“ haben sicher besondere Ausschreibungen zur Fischereiberechtigung gehabt.
Die Feldmarksjagd ist eine alte Einrichtung in unserer Landgemeinde Kleinenborstel und auch sonst überall gewesen. Betuchte und dieser Passion verfallene Leute waren die Jagdpächter. Acht Taler und sechs Groschen hat sie 1853 für ein Jahr gekostet. 1925 betrug die Pacht 1.000 Reichsmark für die 862 Hektar. Damals wurde das Pachtgeld für Gemeindelasten verwendet. Hasen und Rehe konnten immer gut in unserer mit Waldstücken vermischten Landschaft gedeihen. Die Staatsforst „Hoyaer Weide“ lag daran, gehörte aber nicht zum Jagdrevier. Fasanen und Rebhühner hatten in den Feldern tolle Verstecke und erschreckten uns oft beim Auffliegen mit ihrem lauten Schrackern. Für die Jagdpächter waren Wildbraten zusätzliche Genüsse. Ein Verkauf der Beute half, den Pachtpreis und die Ausrüstung zu finanzieren.
Die letzten beiden Themen entsprechen vielleicht, wie auch sonst ein paar Abweicher im Text, nicht ganz der Überschrift des Artikels. Ich fand sie wichtig zu erwähnen. Sie zeigen einen alten Nahrungserwerb. Aus der alten Notwendigkeit ist allerdings schon lange eine Liebhaberei zum Fischen und Jagen geworden, zu der aber auch die Hege gehört und nicht nur der Genuss. Somit sind wir wieder bei den Anmerkungen der ersten Seite. Es ist ein Kreislauf: Der Mensch sorgt für das Vieh, das Vieh versorgt den Menschen.
Charlotte Homfeld