Die Ernäh­rung auf dem Lande – Auf­zeich­nun­gen von Char­lotte Hom­feld aus Kleinenborstel

Selbst­ver­sor­gung in der Viehhaltung

Von der Vieh­hal­tung für den Eigen­be­darf und als Einnahmequelle

Wir Ein­ge­ses­se­nen der nied­ri­gen Geest, nur wenige Kilo­me­ter von den frucht­ba­ren Lehm­bö­den der Weser­marsch ent­fernt, bau­ten noch vor 70 Jah­ren auf den san­di­gen Äckern fast nur Kar­tof­feln, Rog­gen, Hafer und Fut­ter­rü­ben an und ver­brauch­ten die Ernte in eige­ner Wirt­schaft. So war es seit der Kul­ti­vie­rung der Land­schaft üblich. Es war ein Kreis­lauf: Der Mensch sorgte für das Vieh und das Vieh sorgte für den Menschen.

Hier über das Mist-Fahren und des­sen Aus­brei­ten auf dem Acker, das Pflü­gen, Eggen, Gra­ben, Säen, Pflan­zen, Legen, Hacken, das Heuen, Korn­mä­hen, Bin­den, Auf­ho­cken, und Ein­fah­ren, vom Dre­schen und von Kar­tof­feln– und Rüben­ern­ten im Ein­zel­nen zu schrei­ben, würde zu weit füh­ren. Dabei sind diese Arbei­ten die Grund­be­din­gun­gen für die Ernäh­rung von Vieh und Mensch gewe­sen und nur rei­che Ern­ten bescher­ten Wohlstand.

Die Kühe waren in den täg­li­chen Ver­sor­gungs­ab­läu­fen die vor­ran­gi­gen Tiere auf dem Hof, haupt­säch­lich wegen der Ein­hal­tung der Melkzeiten.

Das Heu, oft in zwei Mah­den im Som­mer auf den Wie­sen geern­tet, bil­dete neben Stroh das Rauh­fut­ter für Rind­vieh und Pferde im Win­ter. Die Run­kel­rü­ben, das Saft­fut­ter für das ein­ge­stallte Vieh, waren die zweite Grund­lage für die Win­ter­füt­te­rung. Zucker­rü­ben wur­den erst nach dem Kriege bei uns ange­baut und unter­bra­chen dann mit Kar­tof­feln und Korn den lan­gen Selbst­ver­brauch der gezo­ge­nen Früchte durch Ver­kauf an Zuckerfabriken.

Die saf­ti­gen Run­kel­rü­ben hat­ten mit ihren bes­se­ren Erträ­gen und neu­tra­lem Ge-schmack die Steck­rü­ben und den Strunk­kohl als Fut­ter im Anbau ver­drängt. Auch Fut­ter­wur­zel­fel­der sah man sel­te­ner. Kohl und Steck­rü­ben gaben der Milch einen stren­gen Geschmack. Das war auch zu spü­ren bei über­reich­li­cher Füt­te­rung von Stop­pel­rü­ben, die als Nach­frucht ein stre­cken­des Herbst­fut­ter vom Acker weg bil­de­ten. Schon die selbst gemachte But­ter ließ sich mit einem guten Geschmack bes­ser ver­kau­fen, und nichts geht über eine „Mai­but­ter“ vom ers­ten Wei­de­gang und über die „Gras­but­ter“ über­haupt. Klee mag dafür noch bes­ser sein. Bei uns sah man sol­che Fel­der selten.

Die Kühe und Rin­der muss­ten aber ohne fri­sches Gras durch den Win­ter kom­men. Das Heu lag auf dem Dach­bo­den über der Diele. Die geern­te­ten Run­keln lager­ten gut bedeckt in gro­ßen Mie­ten. Sie wur­den bei Bedarf fuder­weise in die Run­kel­kam­mer an der Diele geholt. Wenn es nötig war, säu­berte man sie von der anhaf­ten­den Erde. Ein Rüben­schnei­der zum Dre­hen – spä­ter mit Motor – zer­klei­nerte sie zur bes­se­ren Fut­ter­auf­nahme. Das hatte man frü­her mit einem Stamp­fer in den Hän­den tun müs­sen. Der geschnit­tene Hau­fen wurde mit Hafer­spreu ver­mengt und den Kühen in die Krippe gescho­ben. Je nach Kuh und ihrer Leis­tung wurde Soja­schrot und ande­res Kraft­fut­ter dar­über gestreut. Das war die erste Mahl­zeit. Mor­gens wurde vor­her gemol­ken. Frü­her war es so, um Zeit für die Ver­ar­bei­tung der Milch zu haben, spä­ter, um den Milch­wa­gen beim Abho­len der Kan­nen nicht zu ver­pas­sen. Die Kühe stan­den beim Mel­ken ruhi­ger, wenn sie nicht nach Fut­ter lang­ten. Abends war der Stall beim Rüben­fres­sen aus­ge­mis­tet wor­den und zum Mel­ken schön sau­ber. Auch Kühe wur­den mit Kar­dät­sche und Strie­gel gepflegt und ihnen lange Schwanz­haare ent­fernt. So hin­gen nicht mehr die lan­gen „Klat­ten“ an ihren Schen­keln, wie in den Zei­ten der Tief­ställe. Über das Mel­ken selbst wurde an ande­rer Stelle geschrie­ben. Das Heu war die nächste Mahl­zeit. Danach wurde noch Hafer­stroh vor­ge­scho­ben. Deren Rest ergab mit dem vom Stroh­schnei­der in drei Teile geschnit­te­nen Rog­gen­stroh die Ein­streu. Das Mit­tel­stück des Rog­gen­stroh­bun­des blieb zusam­men und ließ sich prima über den Hof zu ande­ren Vieh­stäl­len tra­gen. Mit dem Rei­sig­be­sen musste immer wie­der gefegt wer­den, auch die Fut­ter­krip­pen und zum Fut­ter­ab­schluss die Diele.

Alles hatte gewis­ser­ma­ßen sei­nen Rhyth­mus. Aber das Kal­ben einer Kuh konnte den Tages­ab­lauf ganz schön durch­ein­an­der brin­gen. Nicht immer kalbte eine Kuh allein. Wir hol­ten die Nach­barn zu Hilfe, die Nach­barn hol­ten uns (Meist waren es die Män-ner!).Das konnte nachts und tags­über stun­den­lan­ges War­ten auf die Geburt bedeu­ten, um dann mit Zug­hilfe der Kuh das Kal­ben zu erleich­tern. Unter­hal­tung und ein paar Schnäpse hiel­ten wach und mun­ter. Eine gute Geburt trös­tete über den ent­behr­ten Schlaf oder die ver­lo­rene Zeit. Was waren Nach­barn frü­her für wich­tige Menschen!

Die Geburt eines Kal­bes mag hier als Hin­weis die­nen, dass ein gekör­ter Bulle im Ort, bei einem Bau­ern auf­ge­stallt und ver­sorgt, für die­sen Nach­wuchs sorgte. Die rin­dern­den Kühe wur­den am Strick dort­hin geführt.

Bei uns über­win­terte der schon grö­ßere Rind­vieh­nach­wuchs in einem Lauf­stall in der gro­ßen Scheune. der war für drei Jahr­gänge unter­teilt, damit die gro­ßen Tiere die klei­ne­ren nicht bedräng­ten. Die­ses Jung­vieh bekam auch einen Teil des geschnit­te­nen Saft­fut­ters her­ge­tra­gen und vom Heu, je nach der Ernte, grö­ßere oder klei­nere Men­gen. Sonst füllte Hafer­stroh den Rest an hun­gern­den Mägen. Die Rin­der hat­ten oft bis zum Frost und Schnee Wei­de­gang gehabt, je nach Jahr und Wet­ter. Die drei­jäh­ri­gen Och­sen dar­aus waren gut befleischt ver­kauft wor­den, ehe der Gras­wuchs zu sehr nach­ließ, und ebenso die tra­gen­den Rin­der vor dem ers­ten Kal­ben. So war wie­der Platz für die her­an­wach­sen­den Käl­ber im Stall. Der Erlös aus dem Rind­vieh­ver­kauf war neben den Mast­schwei­nen die Geld­quelle des Land­wirts. Da waren Han-delspreise ganz ent­schei­dend für gute oder schlechte Ein­nah­men, aber auch die Qua­li­tät der Tiere nach fut­ter­rei­chen oder armen Som­mern. Eine „Starke“, wie bei uns das Rind hieß, das zum ers­ten Mal kalbte, mit einem guten Euter­an­satz und einer leis­tungs­star­ken Mut­ter behielt man gern für sich und ver­kaufte eine nicht so gute Milch­kuh dafür. Auch wir trach­te­ten nach guten Milch­er­trä­gen von dem geern­te­ten Fut­ter, wenn wir auch kein ein­ge­tra­ge­nes Herd­buch­vieh hat­ten und nicht für Ver­stei­ge­run­gen mit Höchst­prei­sen züch­te­ten. Man stand gewis­ser­ma­ßen unter Leis­tungs­zwang. Herd­buch­ge­sell­schaf­ten waren Ver­ei­ni­gun­gen und nichts für mei­nen Vater, wie alle Genos­sen­schaf­ten. Dabei erga­ben die spä­te­ren Milch­kon­trol­len im Stall über Fett– und Milch­leis­tun­gen der ein­zel­nen Kühe eine sehr gute Stei­ge­rung der Milch-produktion durch Aus­mer­zen der leis­tungs­schwa­chen Tiere. Weil vom Fett­ge­halt der ange­lie­fer­ten Milch­menge ent­schei­dend die Aus­zah­lung durch die Mol­ke­rei abhing, hal­fen die Anstren­gun­gen bei der Zucht, die Milch zu einer immer wich­ti­ge­ren Ein­nah­me­quelle zu machen.

Die Schwei­ne­hal­tung war das nächste Stand­bein für die Selbst­ver­sor­gung und die Ein­nah­men in der Land­wirt­schaft, und bei guten Schwei­ne­prei­sen war oft das Beste. Nach der Infla­tion 1921/23 ent­wi­ckelte sich die Mast mit dem „Hoyaer Land­schwein“ bis hin zum kleins­ten Anbauer, und ihre Pro­dukte waren bis ins Ruhr­ge­biet gefragt. So roll­ten die Fuhr­werke mit den schrä­gen Bret­tern als Schutz vor Über­sprin­gen und die brei­ten Feder­wa­gen mit den hohen Sei­ten­hecks von den Wie­ge­stel­len beim ört­li­chen Gast­haus zum Güter­bahn­hof in Bruchhausen-Vilsen, natür­lich von Pfer­den bespannt, zum Ver­la­den der quie­ken­den Fracht in die Vieh­wa­gen der Klein­bahn. Mit fet­ten Schwei­nen musste man behut­sam umge­hen. Schweine haben ein schwa­ches Herz und ver­fet­tet ver­kraf­ten sie schlecht Auf­re­gun­gen und kipp­ten tot um.

Zur Vieh­waage bei der Gast­wirt­schaft wur­den sie des­we­gen gern lang­sam hin­ge­trie­ben, damit war ihnen das Grei­fen und Hoch­eben erspart wor­den, denn nicht jeder Hof besaß eine Rampe zum Rauf­lau­fen auf den Wagen. Für den Mäs­ter selbst waren sol­che Anlie­fe­rungs­tage meist eben­falls sehr anstren­gend. Das Tref­fen und Reden mit ande­ren Anlie­fe­rern ent­wi­ckelte sich oft zum vie­len Zupros­ten. So kam es zu einem beschwer­li­che­ren Heim­weg, als es mor­gens das Hin­trei­ben mit den Schwei­nen war. Die Schweine hat­ten viel­fach ein eige­nes Gebäude auf dem Hof, und sei es nur ein Bretterkoben.

Mein Vater sah in der Mast den Pro­fit und erneu­erte 1926/27 den alten Stall (mit einem Plumps­klo von außen) zum moder­nen Neu­bau; mit einer gro­ßen Fut­ter­kü­che vornan, dane­ben ein Raum, der noch wenige Jahre als „Knechts­kam­mer“ diente, dann Lager– und Abstell­raum wurde, war der Stall sinn­voll ein­ge­rich­tet. Im Dach­raum über der holz­ver­schal­ten Stall­de­cke lager­ten die gedro­sche­nen Stroh­bunde für die Ein­streu aller Tiere, die auf der Diele zer­schnit­ten wur­den. Wie es schon immer in Schwein­stäl­len üblich war, teil­ten halb­hohe Wände die Boxen. Vorn zum Gang befand sich der Trog mit einer schwenk­ba­ren Klappe zum Ein­schüt­ten für den Drank und dane­ben eine gleich hohe Tür als Zugang. So waren beid­sei­tig die Ställe ange­legt. Güste und tra­gende Sauen teil­ten sich vorm Fer­keln einen Raum. Mut­ter­sauen lagen mit ihrem Nach­wuchs darin allein im Stroh. Spä­ter war ein Neben­stall mit ver­schließ­ba­rem klei­nem Durch­lauf für die Fer­kel der Ort, wo den Fer­keln zuge­füt­tert wurde und wo ihnen nie­mand was weg­fraß. Abge­setzt von der Mut­ter beka­men sie noch den gewohn­ten Aus­lauf neben dem Stall, wie sie es mit der Mama kannten.

In diese Zeit fiel das Kas­trie­ren der männ­li­chen Fer­kel. Noch eine schmerz­hafte Pro­ze­dur war das „Wiern“ der grö­ße­ren Läu­fer, die mit ihren Rüs­seln zu sehr den Aus­lauf umwühl­ten. Spe­zi­elle Draht­kram­pen wur­den mit eben­sol­cher Zange unblu­tig vor die Nasen­lö­cher gesetzt und ver­hin­der­ten mit der Emp­find­lich­keit das Wüh­len, nicht aber das Fressenkönnen.

Die Sauen hat­ten nach­mit­tags ihren täg­li­chen Aus­lauf im Apfel­gar­ten. Mut­ter­sauen wur­den für kurze Zeit von den Fer­keln getrennt. Der Aus­lauf bedeu­tete Bewe­gung und Fut­ter­er­spar­nis. Hier war Gras unter den Obst­bäu­men, im Herbst auch Fall­obst. Wil­lig rann­ten die Tiere den Weg zur Weide, eilig folg­ten sie abends dem Lock­ruf „Jüch, Jüch, Jüch!“ von mei­nem Vater, wenn das Fut­ter im Stall bereit stand und kamen allein zurück.

Die Mast­ställe lagen im Quer­gang des Gebäu­des. Es gab damals schon Belüftungs-wege in den Mau­ern unter den Fens­tern. Eine große Grube unter dem Gebäude sam­melte die Jau­che, die auch vom Kuh­stall hier­her gelei­tet wurde. In sehr kal­ten Win­tern konnte die­ser Gang zufrie­ren, das war übel. Über der Jau­che­grube im Stall, aber nur von außen betret­bar, und durch hoch­ge­zo­gene Wände ohne den Geruch von Schwei­nen, befand sich der neue Abort mit höl­zer­nem Sitz. Die­ser nun gescheu­ert, mit weiß getünch­ten Wän­den, mit Tür­fens­ter und Zei­tungs­pa­pier war ein Luxus gegen­über den „ein­sich­ti­gen“ alten Klos. Dabei war doch schon jene Auf­stel­lung vor Jah­ren ein rie­si­ger Fort­schritt zur Ver­rich­tung der Not­durft der Men­schen gewe­sen! (Heute ver­plör­ren wir dazu das gute Wasser!!).

Die Sau­en­ställe wur­den wöchent­lich aus­ge­mis­tet. Die Ställe der fet­ten Schweine be-kamen kein Stroh. Ihr wei­cher Dung, den wir „Schwei­ne­knipp“ nann­ten, musste täg­lich mit einer Kas­ten­schieb­karre weit ab vom Haus in eine Grube gefah­ren wer­den., denn der stank. Das wurde spä­ter ein star­ker Dün­ger auf dem Feld für Runkeln.

Man konnte Schweine lang­sam her­an­mäs­ten, die blie­ben durch Aus­lauf beweg­lich und setz­ten gutes Fleisch an. Spe­cki­ger wurde es durch Schnell­mast. Mast­schweine waren auch emp­find­lich für Rot­lauf, die bei hohem Fie­ber mit hin­zu­kom­men­der Lun­gen­ent­zün­dung zum Tode führte. Pest und die Maul– und Klau­en­seu­che gin­gen auch frü­her schon mehr oder weni­ger ver­lust­reich durch den Vieh­be­stand und waren hart für den Bau­ern. Mit allen Mit­teln der Des­in­fek­tion und amts­tier­ärzt­li­cher Behand­lung, die nötig war, wurde den­noch nicht so viel Auf­he­bens davon gemacht, wie heute.

Ein­kuh­len durfte man die Tier­lei­chen seit 1862 nicht mehr. Mit dem Abde­cker­zwang holte nun ein Fuhr­werk aus Asen­dorf die Kada­ver in die dor­tige Abde­cke­rei. Mit einer Winde wur­den sie auf den spe­zi­el­len Wagen gezo­gen. Schreck­lich war das Bild, wenn der peitschen-knallende, meist betrun­kene Fah­rer über die Land­stra­ßen fuhr und die vier oder mehr Beine von Rind­vieh oder Pfer­den steif und steil in die Luft rag­ten. Die nütz­lich Ver­wer­tung der toten Tier­kör­per ist noch heute üblich, aber jetzt in Stey­er­berg. Ich wurde als jun­ges Mäd­chen per Rad zur Abde­cke­rei geschickt, um Pfer­de­fett für die an „Gel­ber Galt“ erkrank­ten Kuh zu holen. Unser „Tier­heil­prak­ti­ker“ im Kirch­spiel­ort, der bei leich­ten Krank­heits­fäl­len geholt wurde (weil er bil­li­ger als ein Tier­arzt behan­delte), hatte das zum Ein­rei­ben des Euters emp­foh­len. Es hat gehol­fen, das quit­ten­gelbe Fett!!

Um den leben­den Kreis­lauf im Schwei­ne­stall mit immer vol­len Stäl­len zu haben — bei uns war es eigene Auf­zucht – muss­ten die Sauen gedeckt wer­den. Unser nächs­ter Nach­bar hielt dafür einen gekör­ten Eber, da war das Hin­trei­ben der Sau kein Pro­blem. In mei­nen Kin­der­jah­ren stand der Decke­ber in Hol­len, zwei km von uns ent­fernt. Meine älte­ren Brü­der muss­ten die Sau dort hin­lei­ten; ich bin mit­ge­lau­fen. So fiel keine Arbeits­kraft der Gro­ßen aus. Den hal­ben Weg lang stan­den Lin­den­bäume an der Land­straße. In Hol­len waren es Apfel­bäume. Da war kein Vor­wärts­kom­men, wenn die Sau unter jedem Baum nach Äpfeln suchte. Beim zwei­ten Gang rannte sie meist schon schnel­ler zu dem Eber.

Nach 110–118 Tagen hieß es dann „im Schwei­ne­stall sit­zen“, um eine ver­lust­lose Geburt der Fer­kel zu beglei­ten. Man­che Sauen waren durch die Wehen­schmer­zen so wütend, dass sie nach den Neu­ge­bo­re­nen schnapp­ten und sie tot bis­sen, aber auch den Auf­pas­ser angrif­fen, wenn er hel­fen wollte. Andere lagen wie­derum allein fer­kelnd und fried­lich säu­gend im Stroh und hat­ten dem Züch­ter keine schlaf­lose Nacht gebracht. Das war in Ern­te­zei­ten gut so. Noch bes­ser wurde es, als die Infra­rot­lam­pen auf­ka­men und die Fer­kelauf­zucht durch das Über­hän­gen die­ser Lam­pen ver­lust­lo­ser wer­den ließ.

Die Füt­te­rung war maß­ge­bend für den Erfolg der Mast. Gute Zucht aller­dings auch, darum gab es bei Schwei­nen Land­wirte mit Herd­buch­auf­zucht­nach­wei­sen. Alles, was im Haus­halt anfiel, wurde in die Dran­kei­mer unter der Spüle in der Abwasch­kü­che geschüt­tet. Die holte mein Vater, er war der „Fut­ter­meis­ter“ im Schwei­ne­stall, zu den Fut­ter­zei­ten. Dazu gehörte „Wattje“, wie wir die Molke nann­ten und auch Mager­milch für abge­setzte Ferkel.

Kar­tof­feln wur­den frü­her täg­lich im Mau­er­kes­sel in der Fut­ter­kü­che gekocht und heiß durch den Quet­scher in den Drank­trog gedreht, worin das Fut­ter ange­rührt wurde. Bald kamen Dämp­fer auf, die mit wenig Was­ser und weni­ger Brenn­stoff die Kar­tof­feln schnel­ler gar­ten und sich dazu durch Kip­pen schnel­ler lee­ren ließen.

Der Anbau von stärke– und ertrag­rei­chen Kar­tof­fel­sor­ten ließ als nächs­ten Fort­schritt das „Ein­säu­ern“ auf­kom­men,. Lange Erd­aus­würfe wur­den mit Stei­nen aus­ge­legt. Dahin­ein schüt­tete man den gekoch­ten Ern­te­vor­rat. Nun dämpfte eine Dampf­ko­lonne, die von Hof zu Hof zog, in einem Arbeits­tag die Kar­tof­feln. Dafür war natür­lich viel Was­ser und Heiz­ma­te­rial nötig, um die Kar­tof­feln zu waschen und um die nach­ein­an­der garen­den Kes­sel zu hei­zen. Mit Säcken und dann mit Erde wur­den die heiß ein­ge­füll­ten Kar­tof­feln bedeckt. Bald konnte die brei­ige Masse das ganze Jahr über ohne Ver­lust ver­füt­tert werden.

Hier sahen die Mol­ke­reien ein Geschäft mit ihren über­flüs­si­gen Dämp­fen der Kessel-heizung und bau­ten Dämpf­an­la­gen. Dort­hin fuhr man nach abge­mach­tem Ter­min mit einer Fuhre loser Kar­tof­feln und kam bald mit einer heiß damp­fen­den zum Ent­lee­ren in die Grube heim. Das war preis­wer­ter und nicht so arbeits­auf­wen­dig wie ein Dämpf­tag mit der Kolonne, auch wenn man diese Fahr­ten öfters wie­der­ho­len musste, bis die Grube gefüllt war. Mit die­sen Kar­tof­feln und dem gemah­le­nen Rog­gen lief die Schwei­ne­mast vor­züg­lich. Eine Hand­voll Fisch­mehl gehörte als Eiweiß­gabe für gutes Gedei­hen dazu. Nur durfte man es hier­mit nicht über­trei­ben, damit das Fleisch – wie auch die Hüh­ner­eier – nicht tra­nig schmeckten.

Die Sauen beka­men dün­nere Sup­pen und im Som­mer neben Wei­de­gang gemäh­tes Gras, Acker­spör­gel oder Ser­adella. Im Win­ter ersetz­ten Run­keln die­ses Grün­zeug. Das zu schlach­tende Schwein wurde von den fet­ten genom­men, aber auch güste Sauen wur­den her­an­ge­mäs­tet für mehr Wurst und ein jün­ge­res manch­mal als „Bratenschwein“.

Auch bei den Schwei­nen bestimm­ten Nach­frage und Qua­li­tät den Preis. Nicht immer war die Arbeit für einen Stall vol­ler gemäs­te­ter Schweine gut bezahlt. Eigen­er­zeug­tes Fut­ter war die Grund­lage für einen Erfolg. Des­we­gen mach­ten viele aus dem Boden gestampfte Mäs­te­reien, die nach der Infla­tion in der Schwei­ne­mast eine Gold­grube sahen, bald pleite. Sie hat­ten den teu­ren Korn­preis nicht berech­net, den sie für die­sen Kauf bezah­len muss­ten. Die alte Eichel­mast war schon lange nicht mehr üblich. In her­kömm­li­cher Auf­zucht bis zur Mast hal­ten sich heute nur noch ganz wenige Land­wirte Schweine neben Milch­kü­hen. Die Haus­schlach­tung fin­det kaum noch statt. Wo noch ein oder mehr Schweine zum Schlach­ten extra heran gemäs­tet wer­den, wer­den sie meist in den Schlacht­häu­sern der Berufs­schlach­ter oder in denen von ehe­ma­li­gen Haus­schlach­tern ein­ge­rich­te­ten so ver­ar­bei­tet, wie man es wünscht. Alle hie­si­gen Schlach­ter beschi­cken die Wochen­märkte der Umge­bung mit ihren Haus­ma­cher­pro­duk­ten. So kann noch jeder sein Knipp und seine Wurst in alt­ge­wohn­ter Art dort oder an Wochen­en­den in ihren geöff­ne­ten Läden erstehen.

Es gibt eine Bio-Hofstelle, wo sich die Schweine das ganze Jahr frei, d.h. mit einem Unter­schlupf in Hüt­ten bei zu viel Sonne und Regen, im Topin­am­bur­feld das Fut­ter selbst aus­bud­deln und dort bis zum Schlach­ten flei­schig her­an­wach­sen. Dafür wurde das robuste Bent­hei­mer Schwein gewählt.

Dem wei­ßen Hoyaer Land­schwein, den begehr­ten und weit berühm­ten ver­edel­ten Land­schwei­nen mit den Schlapp­oh­ren, war frü­her ein schwarz-weißer Eber zum Decken zuge­führt wor­den. So sah man viel­fach die bun­ten Fer­kel und Mastschweine.

Nach den Hun­ger­jah­ren des letz­ten Krie­ges flo­rierte die Zuckt mit dem Hoyaer Land­schwein wie­der. Als dann die Sät­ti­gungs­welle ein­trat und man mehr Fleisch als Speck essen wollte, holte man sich zur Zucht die lan­gen Kote­let­ten­schweine aus Hol­land. Das Hoyaer Land­schwein ver­schwand aus der Zucht­folge. Mit ihm auch die land­schaft­lich so bekannte Mast auf jedem Anwe­sen hier.

Es gibt ver­ein­zelt Höfe, die neben Land­bau in grö­ße­rem Maße Sauen für Fer­kelauf­zucht hal­ten und diese dann als Läu­fer an Mäs­te­reien ver­kau­fen. Diese mäs­ten sie in gro­ßen Stall­an­la­gen neben Land­an­bau zum Ver­kauf heran. So änderte sich die Exis­tenz in den letz­ten Jahr­zehn­ten bei den nur noch wenig geblie­be­nen Bauernhöfen.

 

Eine Nah­rungs­quelle bil­dete eben­falls die Hüh­ner­hal­tung. In einem wesent­lich klei­ne­ren Maß­stab berei­cherte sie den­noch den Haus­halt mit den Eiern und dem Fleisch zu der Milch und But­ter, zu Schwei­ne­fleisch und Wurst. Das Krä­hen eines Hahns, ob klei­nes oder grö­ße­res bäu­er­li­ches Anwe­sen, gehörte mit der Hüh­ner­schar dazu. Frü­her hat­ten die Hüh­ner viel­fach ihren Wie­men über dem Kuh­stall im Hause. Eine Lei­ter vorm Hause mit klei­nem Durch­schlupf ließ sie zum Schla­fen nach oben klet­tern. Wir hat­ten einen Stall mit Stan­gen und Nes­tern an der Front­seite der gro­ßen Scheune, woran der Rin­der­stall grenzte. Ein Hüh­ner­loch in der Tür erlaubt deren Geschlos­sen­hal­ten bei schlech­tem Wet­ter, sonst gab ein fla­ches Schauer drau­ßen zusätz­lich Unter­schlupf bei Regen und zuviel Sonne. Dort wurde auch im Sand geba­det. Stroh und Por­zel­lan­eier lock­ten in den Nes­tern zum Legen, damit man nicht ver­steckte Gelege suchen musste .Es kam schon mal vor, dass plötz­lich eine Henne mit frisch aus­ge­brü­te­ten Küken angeg­luckt kam.

Was­ser stand in aus­ge­dien­ten Pöt­ten immer bereit und Muschel­kalk gab es für feste Eier­scha­len. Das war so wich­tig, wo der Samm­ler die Eier lose in große Wei­den­körbe legte, die dann eine Wagen­fahrt nach Bre­men auf schlech­ten Pfa­den über­ste­hen soll­ten. Häck­sel war hier eine stoß­dämp­fende Hilfe.

Mor­gens bestand das Fut­ter aus den gekoch­ten Schweins­kar­tof­feln mit Hafer­mehl und ein biss­chen Fisch­mehl. Nach dem Nach­mit­tags­kaf­fee gab es die Hafer­kör­ner frei hin­ge­streut mit manch­mal etwas gekauf­tem Mais für gelbe Dot­ter. Dafür half auch das Gras. Jetzt wur­den die geleg­ten Eier den Nes­tern ent­nom­men und im Kel­ler gelagert.

Frühe Dun­kel­heit und Kälte änder­ten den Plan. Zei­tig suchte das Feder­vieh die Sitz-stangen auf und war bei Schnee im klei­nen Raum däm­me­rig ein­ge­sperrt. Durch­ge­schnit­tene Run­keln ersetz­ten das Gras, aber wenn diese und auch das Was­ser im Stall ein­fro­ren, „gefror auch den Hüh­nern der Hin­tern“. So nann­ten wir es, wenn sie dann das Legen auf­ga­ben. Da war es gut, wenn sich die Haus­frau einen Vor­rat an Eiern in Kalk­was­ser zum Kon­ser­vie­ren ein­ge­legt hatte. eine Holza­sche soll auch gut dafür gewe­sen sein, erzählt man.

In frost­freien Zei­ten hat­ten die Hüh­ner große Frei­heit und fan­den sogar den Weg zum Blu­men– und Gemü­se­gar­ten zum Ärger der Haus­frau. Über­all wurde gescharrt und der Mist­hau­fen war ein gelieb­tes Ziel, die Wür­mer dar­aus zu picken. So war auch ihr eige­ner Dreck über­all ver­teilt, wo sie nach etwas such­ten. Daran erfreu­ten sich nur die Schweine, wenn sie zur Weide lie­fen, und schmatz­ten die­sen Lecker­bis­sen als ein für sie nöti­ges Anti­bio­ti­kum hinein.

Zwi­schen den Hüh­nern lie­fen einige Gänse für einen Bra­ten und etwas Weihnachts-geld. Meist waren auch noch ein paar Enten mit ihrem Geschnat­ter da, die so gern das Hüh­n­er­trink­was­ser ver­dreck­ten und auch sonst den Hof­raum stark ver­schmutz­ten. Zwerg­hüh­ner mit den schö­nen Käm­men waren das Hobby mei­ner Brü­der, und dazu kamen noch Puten mit einem schreck­lich auf­ge­reg­ten „Mann“. Das waren Fest­tags­bra­ten und Neben­ver­dienst durch Verkauf.

Auch einen Tau­ben­schlag gab es eine Zeit lang oben in der Scheune. Heute ist unsere Gegend ein Land der Rei­se­brief­tau­ben, als Hobby und für Wett­be­werbe, gewor­den. Ebenso wird Ras­se­ge­flü­gel gezüch­tet und in Aus­stel­lun­gen mit Prei­sen bewer­tet. Nur wer Lust und den pas­sen­den Stall mit Aus­lauf hat, hält sich noch Hüh­ner für den Eigen­ver­brauch und ver­kauft den Über­fluss an Freunde und Bekannte.

Wir zogen unser Feder­vieh durch Brü­ten selbst heran. Gluckte eine Henne, man merkte es am Nest­ho­cken und an ihrem gluck­sen­den Laut, ließ man sie brü­ten. Wenn zu viele Hen­nen gluck­ten, sperrte man sie in Käfige. Sie ver­ein­nahm­ten sonst die Nes­ter, die die ande­ren Hüh­ner zum Legen brauch­ten. Fürs Brü­ten wurde im ruhi­gen, däm­me­ri­gen Apfel­kel­ler auf dem Boden ein Nest mit Stei­nen geformt und mit Heu aus­ge­pols­tert. Die aus­ge­such­ten Eier von guten Legern sollte die Glu­cke nun mit ihrer Kör­per­wärme aus­brü­ten. Täg­lich wurde geprüft, ob sie alle Eier rich­tig bedeckte. Man hob eine eif­rige Brü­te­rin für kurze Zeit zum Fres­sen und Trin­ken und Dar­ment­lee­ren vom Nest her­un­ter, denn 20–21 Tage dau­erte es, bis die Küken schlüpf­ten. Sie kamen dann zusam­men in einen Draht­kas­ten auf der Diele, um hier vor Kat­zen und ande­rem Getier geschützt, auf­zu­wach­sen. Bald spa­zierte die Gluck­henne mit ihnen über den Hof und scharrte eif­rig nach Wür­mern, wenn­gleich Küken­grütze und Was­ser die Haupt­nah­rung war. Immer bes­ser wer­dende Gefäße für sau­be­res Was­ser und Fut­ter­ent­nahme sorg­ten bei allem Feder­vieh für weni­ger Ver­luste. So ertran­ken keine Küken mehr in den alten Pötten.

Auch die Puten-, Enten– und Gän­see­ier brü­te­ten meist die Hüh­nerg­lu­cken aus. Die Leg­horn­rasse hatte sel­ten die Aus­dauer für die Brü­te­zeit von 25–33 Tagen, die je nach Art, diese Eier brauch­ten. Da brü­te­ten Rho­del­än­der und dicke Misch­hen­nen­ras­sen bes­ser. Die­sen Glu­cken machte es hin­ter­her nichts aus, die art­frem­den Zög­linge aus­zu­füh­ren, die meist Was­ser­pfüt­zen mehr lieb­ten, als das Krat­zen am Mist­hau­fen. Wenn genug geg­luckt war, hatte die Henne auch wie­der Lust zum Eier­le­gen und ließ von den Küken ab. Ihr Instinkt wollte die nächste Brut vorbereiten.

Her­an­wach­sende Hähn­chen wur­den für ein lecke­res Sonn­tags­es­sen geschlach­tet. Hüh­ner­suppe und Ragout, wie wir das Fri­kas­see nann­ten, waren für uns nicht nur ein Hoch­zeits­es­sen. Es war aber lange üblich, den damals im Hause fei­ern­den Nach­barn ein Sup­pen­huhn zu brin­gen, dazu ein Stück oder ein Pfund But­ter. Auch zu Beer­di­gun­gen gehörte lange die But­ter­spende für den Kuchen der Trau­er­gäste, die frü­her im Hause bewir­tet wur­den. Nach­barn, ich schrieb es schon ein­mal, waren frü­her ganz wich­tige Menschen.

Im Haus­halt wurde manch­mal mit Eier­kost gegeizt, um durch Ver­kauf ein biss­chen Mehr Geld zu haben. Ein Rezept wie fol­gen­des, dem Rezept­buch „ As’n frö­her ääten hett“ vom Platt­deut­schen Ver­ein Ver­den ent­nom­men, wäre in mei­ner Jugend­zeit schon nicht mehr denk­bar gewe­sen: Brot­torte mit 24 Eiern. 24 Eigelbe mit 500 g Zucker 3⁄4 Stunde schla­gen. 320 g altes gerie­be­nes Schwarz­brot, 250 g gerie­bene Man­deln, 10 g Nel­ken, 32 g Zimt, 1 abge­rie­bene Zitro­nen­schale, 125 g gerie­bene Scho­ko­lade und Mark einer Vanil­le­stange der Reihe nach unter­schla­gen. 24 Eiweiß zu Schnee schla­gen und unter­he­ben. Eine Form mit But­ter aus­fet­ten und mit Zwie­back­kru­men aus­streuen. Bei Mit­tel­hitze backen. Nicht die Ofen­tür wäh­rend der Bach­zeit­öff­nen! (Die Länge der Back­zeit war nicht angegeben.)

Diese Menge hätte für 2 – 3 Mahl­zei­ten für die vie­len Esser in der Woche gereicht. Ein Spie­ge­lei pro Per­son zu Kar­tof­fel­sa­lat, extra eins nach schwe­rem Arbeits­tag zu Brat­kar­tof­feln, Rührei oder gekochte Eier am Sonn­tag­abend, wenn die Hüh­ner flei­ßig leg­ten und die Eier bil­lig waren, das reichte. Zu Pfann­ku­chen, gel­bem Pud­ding und Klüt­schens­tip­pels wur­den mehr Eier ver­braucht, und natür­lich ebenso für Topf­ku­chen und Tor­ten. „Arme Rit­ter“, Schwarz­brot mit zwei Eiern in der Pfanne gebra­ten, war für uns Kin­der abso­lut kein „armes“ Essen, wenn wir spät von der Schule kamen und vom Mit­tags­tisch nichts Ordent­li­ches mehr übrig geblie­ben war. Zum Oster­fest gab es gekochte Eier satt.

An ein schö­nes Feder­vieh sei noch gedacht: Ein rad­schla­gen­der Pfau zierte man­che Hof­stelle frü­her mit sei­ner Gat­tin. Heute hört man manch­mal noch so einen auf­ge­reg­ten „Frau-Frau-Ruf“ über das Dorf schal­len. Auch die Perl­hüh­ner gicks­ten mit ihren unüber­hör­ba­ren Lau­ten auf eini­gen Höfen. Davon gibt es im Nach­bar­ort, als begehr­tes Fleisch und für gute Ein­nah­men, seit eini­gen Jah­ren Mas­sen­auf­zucht in Frei­land­hal­tung. Puten dage­gen wer­den in gro­ßen Stäl­len gemäs­tet. Sie sind sehr emp­find­lich. In Mart­feld exis­tiert seit 15 Jah­ren die Mastküken-Brüterei Weser-Ems am Ende des Ortes in gro­ßen Hal­len. Den­noch ist der kleine idyl­li­sche Hüh­ner­hof nicht ganz passe´. Lieb­ha­ber erhal­ten ihn zu man­cher stil­len Freude.

Der Bericht von den „ernäh­ren­den Tie­ren“ hätte eigent­lich die Pferde an die erste Stelle set­zen müs­sen. Sie waren frü­her die wich­tigs­ten Tiere, um eine Land­wirt­schaft in Bewe­gung zu hal­ten. Ohne sie wäre Saat und Ernte nicht mög­lich gewe­sen, um uns und das andere Vieh zu ver­sor­gen. Aller­dings ist Tat­sa­che, dass sie mit ihrem Fleisch und ihrer Wurst auch eine Nah­rungs­quelle waren. Ken­ner und Lieb­ha­ber aßen Pfer­de­fleisch; es war bei uns nicht üblich.

Für uns bedeu­tete ein Pferd Mobi­li­tät! Wer gute Tiere züch­tete und ver­kaufte, hatte ein zusätz­li­ches Ein­kom­men. Hier, um Verden/Aller, wur­den und wer­den die Han­no­ve­ra­ner gehal­ten. Sie sind gute Zug­pferde gewe­sen. Sie waren und sie sind beste Reit­tiere. Auch frü­her gab es Reit­ver­eine und Tur­niere. Rei­ter beglei­te­ten einen Hoch­zeits­zug und rit­ten im Fest­um­zug mit. Nur waren es damals fast aus­schließ­lich junge Män­ner, die die­sen Sport aus­üb­ten. Das kam sicher aus der Tra­di­tion der Väter, die als Husa­ren und Ula­nen die­nen muss­ten, wie mein Groß­va­ter frü­her neun Jahre lang in Ver­den. Zu Ern­te­zei­ten gab es damals lan­gen Urlaub mit dem Pferd, um auf dem Hof der Eltern bei­zu­ste­hen und die Ber­gung der Ernte zu sichern.

Nicht nur Han­no­ve­ra­ner waren die Hel­fer vor Pflug und Wagen. Schwere Warm­blü­ter gab es ebenso. Wir hat­ten vor dem Kriege Olden­bur­ger, Max und Moritz hie­ßen sie. Max musste in den Krieg. Ihre – sie war eine Stute – auf­ge­regte Art hat sie sicher bald kaputt gemacht. Ruhige Pferde waren leichte Kalt­blü­ter. Sie wur­den viel von klei­ne­ren Betrie­ben als Ein­spän­ner gehal­ten. Frü­her pas­sier­ten viele töd­li­che Unfälle durch wild gewor­dene Pferde, wo der Fuhr­mann vom Wagen über­rollt wurde. Die Säge­reien und die Fuhr­be­triebe spann­ten die Bel­gier, die ganz schwe­ren Kalt­blü­ter, vor ihre Wagen. Drei bis vier sol­cher Pferde zogen die Lang­holz­wa­gen mit den schwe­ren Baum­stäm­men auf tief ver­schlamm­ten Wegen aus unse­rem Staats­forst „Hoyaer Weide“.

Pfer­de­markt war seit alten Zei­ten am letz­ten Diens­tag im August in Bruch­hau­sen auf dem Markt­platz. „Brok­ser Hei­rats­markt“ nennt man ihn noch heute, weil sich bei die­ser Begeg­nung von weit her kom­mende für’s Leben ken­nen gelernt haben. Heute dau­ert er mit sei­nen vie­len Buden und Ange­bo­ten von Frei­tag bis Diens­tag Nach­mit­tag. Pfer­de­markt, aber auch Klein­vieh­an­ge­bot ist noch immer am Diens­tag. Frü­her war nur der Sonn­tag­nach­mit­tag zusätz­li­cher Markt­tag. Am Diens­tag setz­ten Händ­ler und Bau­ern mit Hand­schlag ihre Pferde um. Früh­mor­gens zogen schon die Pferde, hin­ter­ein­an­der gebun­den, rei­hen­weise auf den Land­we­gen zum Markt. Rad­fah­rer und Kut­sch­wa­gen füll­ten die Land­straße mit Ver­kehr. Nach 1930 ver­kehrte ein Miet­auto zwi­schen den Ort­schaf­ten und man­che unter­nah­men das Wag­nis, damit schnell zum Platz zu kom­men. Dienst­bo­ten beka­men frei und Extra­geld für den Markt­be­such. Die Haus­frau musste Mel­ken gehen. So war es Tradition.

Pferde muss­ten gepflegt wer­den. Sie reprä­sen­tier­ten stets den Besit­zer. Vor dem An-schirren wur­den sie gestrie­gelt und blank geputzt. Gut­sit­zende Geschirre sind Kunst­werke des Satt­lers. Sie waren wich­tig für gute Zugleis­tun­gen. Ebenso das Fut­ter. Grob­ge­schro­te­ter Hafer mit leicht ange­feuch­te­tem Häck­sel bil­dete das Kraft­fut­ter. In der Krippe hielt ein tie­fes Loch den Eimer für das Trink­was­ser fest, damit er nicht umkip­pen konnte. Zum Häck­seln wurde Hafer­stroh durch die Häck­sel­ma­schine getrie­ben, die mit gro­ßem Schwung­rad und den zwei Mes­sern darin das Stroh in kurze Stü­cke schlug. Diese Maschine wurde vor der Elek­tri­zi­tät mit dem Pfer­de­gö­pel oder per Hand betrie­ben. Ich habe das Rund­ge­hen der Pferde vor einem Göpel für das Dre­schen noch bei einem Nach­barn erlebt.

Nun durf­ten die Pferde nach geta­ner Arbeit ohne Göpel­dre­hen ruhen und nach dem Kraft­fut­ter Heu fres­sen. Gro­bes Heu bekam ihnen bes­ser durch inten­si­ve­res Kauen. Kolik war und ist ein gefürch­te­tes Pferdeleiden.

Die Pferde waren nicht nur Moto­ren vor Acker­wa­gen und allen mög­li­chen Ackergerä-ten. Wie bei dem Back­be­richt schon erwähnt wurde, war ihr Anspan­nen mit einem Extra­ge­schirr vor Kut­sch­wa­gen nötig, wenn nach­bar­li­che Tau­fen und Hoch­zei­ten anstan­den, für die Fahrt zur Kir­che. Zu Begräb­nis­sen zogen sie lang­sam den Lei­chen­wa­gen oder auch den Kut­sch­wa­gen mit den Ange­hö­ri­gen. Hoch­zeits­fahr­ten waren dage­gen schnelle Fahr­ten ohne Anhal­ten, denn Anhal­ten brachte dem jun­gen Paar Unglück, wie ein alter Aber­glaube besagte.

Zu Fami­li­en­fahr­ten fuhr man zwei­spän­nig, zu den Got­tes­diens­ten an Sonn– und Fei­er­ta­gen und zu den Ver­wand­ten zog unser „Moritz“ allein. Ver­wand­ten­be­su­che ende­ten meist in der Dun­kel­heit. Moritz hätte ohne Lampe ziel­si­cher heim­ge­fun­den. Vor­schrift waren die beid­sei­ti­gen Wagen­lam­pen mit Ker­zen, spä­ter auch ein Rück­strah­ler hin­ten. Der Wind pus­tete die Lich­ter oft aus. Ein Fuhr­werk begeg­nete uns sel­ten. Man kann es sich fast nicht vor­stel­len, dass vor sieb­zig Jah­ren kaum ein Auto unter­wegs war! Die in den drei­ßi­ger Jah­ren begin­nende Ent­wick­lung wurde durch den Krieg unter­bro­chen. So blie­ben noch einige Jahr­zehnte die Pferde die unent­behr­li­chen Hel­fer für das Vor­wärts­be­we­gen auf dem Lande. Die Pfer­de­zucht für Nach­wuchs blühte nach dem Kriege auf und damit auch wie­der der Reit­sport. Luft­be­reifte Räder mach­ten Kutsch­fahr­ten beque­mer. Die vie­len Nach­kriegs­hoch­zei­ten brach­ten präch­tige Kutschwagenkorsos.

All­mäh­lich kam die Mecha­ni­sie­rung. Melk­ma­schi­nen lös­ten das Hand­mel­ken ab und der Trak­tor die Pferde. Auch ein Auto zum Aus­fah­ren konnte man sich bald leis­ten. Der Pfer­de­stall wurde auf den meis­ten Höfen leer. Andere Tiere nah­men ihn in Beschlag. Den­noch sind Pferde geblie­ben. Viel­fach ste­hen sie auf Rei­ter­hö­fen in Pflege. Heute rei­ten Kin­der, junge Mäd­chen und junge Frauen neben weni­gen Män­nern. Zuhause ist oft kein Platz für ein Pferd. Es gibt aber noch Höfe, wo Pferde gezüch­tet und betreut wer­den. Auch sind Pferde mit allen mög­li­chen Wagen­ar­ten zu mie­ten, sogar mit Hochzeitskutschen.

Es sollte nicht uner­wähnt blei­ben, dass noch in vie­len Klein­be­trie­ben Kühe– und Och­sen­ge­spanne bis nach dem zwei­ten Welt­krieg die Hil­fen zur Bewirt­schaf­tung der Wie­sen und Fel­der und zur Her­an­schaf­fung von Gütern gewe­sen sind. Sie müsste man in ihrer Dop­pel­funk­tion im Nach­hin­ein als die 100%igen Nutz­tiere bezeich­nen. Kühe gaben neben ihrem Arbeits­ein­satz Milch und But­ter, Och­sen lie­ßen sich als Schlacht­tiere ver­kau­fen und Mist zum Dün­gen der Äcker mach­ten sie noch dazu.

Inter­es­sant mag es für man­chen zu lesen sein, dass es bis weit über 1920 hin­aus in den Dör­fern und Fle­cken Kauf­leute, Beamte, Ärzte, Apo­the­ker, auch der Pfar­rer, der Kan­tor und Leh­rer ein Pferd zum Fort­kom­men, Kuh oder Kühe oder Zie­gen für Milch und But­ter, Schweine zum Schlach­ten und Hüh­ner für die Eier hiel­ten und mit Hilfe von Dienst­bo­ten Äcker und Wie­sen bewirt­schaf­te­ten. Pfarr­höfe waren frü­her Mei­er­höfe zur Selbst­ver­sor­gung. Ehe es die Besol­dung der Leh­rer gab, wohnte der Kan­tor frei im Küs­ter­haus mit zuge­hö­ri­gem Land für seine Ernährung.

Sind Hunde Nutz­tiere? Ein Hund gehörte immer zu einem bäu­er­li­chen Anwe­sen, das mag groß oder klein gewe­sen sein. Er war Wäch­ter, Hel­fer beim Vieh­trei­ben, scheuchte Hüh­ner auf Befehl aus dem Gar­ten, zog den Milch­wa­gen und die Kin­der auf dem Schlit­ten und war im All­ge­mei­nen Haus­ge­nosse, Freund und Kame­rad.
Unser „Waldo“, sonst ein tol­ler Hund, war in den Kriegs­jah­ren ein Mel­der bei Luftan-griffen, ohne dass es Alarm gab, ebenso bei Gewit­ter. Er öff­nete die Tür von der Diele zum Flur und musste unbe­dingt in den Kel­ler. Dort lag er auf dem Tisch und hechelte vor Auf­re­gung und löschte die Ker­zen mit sei­nem Gei­fer. Da hatte er Schiss!

Auch die Kat­zen konnte man nicht ent­beh­ren. Was wäre aus der ein­ge­brach­ten Ernte gewor­den, hät­ten Kat­zen sie nicht vor Mäu­se­fraß geschützt?! Der Hund schlief im Heu­hau­fen auf der Diele. Die Kat­zen hat­ten ihr Napf auf der „Hil­len“, dem Raum über dem nied­ri­gen Kuh­stall, wo das Streu­s­troh lagerte, um dort, vom Hund unge­stört, fres­sen zu kön­nen. Warme Kar­tof­feln mit Mager­milch oder Reste vom Ein­topf war das Fut­ter für Hund und Kat­zen gleich nach unse­ren Mahl­zei­ten. Kei­ner soll heute sagen „Unmög­lich!“ Sie waren präch­tig genährte Tiere. Schmu­se­kat­zen mit viel Ver­trauen zum Men­schen hat­ten wir auch. Unsere „Min­chen“ mel­dete stets ihre schwere Stunde zum Gebäh­ren an und kam dazu in die Küche. Wir muss­ten ihr in der Häck­sel­lade auf der Diele ein Nest her­rich­ten. Spä­ter zeigte sie uns schnur­rend ihren Nach­wuchs. Gestrei­chelt wollte sie wer­den. Gestrei­chelt moch­ten alle Tiere gern wer­den, den­noch gab’s auch Prü­gel. Geprü­gelt wurde frü­her über­haupt viel, beim Vieh und auch beim Tanzen.

Eine oder meh­rere Zie­gen gehör­ten schon immer zu einem Häus­ling, sie war die „Kuh des klei­nen Man­nes“. Häus­linge gab es viele. Den nach­ge­bo­re­nen Kin­dern blieb frü­her auf den Höfen oft keine andere Mög­lich­keit, als unter­ge­ord­net auf dem Hof mit­zu­ar­bei­ten oder anderswo. Als diese Häus­linge nach der Feld­mark­ver­tei­lung unse­rer Land­schaft vor 160 Jah­ren und spä­ter eigene kleine und kleinste Anbau­stel­len mit Land kau­fen konn­ten, hiel­ten sie Zie­gen noch immer zu einer Kuh, um bei deren Tro­cken­ste­hen, vier Wochen vor dem Kal­ben, Milch und But­ter zu haben. Es gab viele Zie­gen in dicht bewohn­ten Dör­fern und den Fle­cken bis nach dem 2. Welt­krieg. Dazu gehörte immer ein gehörn­ter Gemein­de­zie­gen­bock zum Decken. Für den jewei­li­gen Hal­ter brachte er ein Zubrot. Zie­gen waren genüg­sam im Fut­ter­ver­brauch, sie brauch­ten wenig Platz zum Auf­stal­len und lie­ßen sich an kleins­ten Gras­stel­len anpf­lo­cken. Man benö­tigte keine Weide. Sie waren ganz wich­tige Ernäh­rer der min­der­be­mit­tel­ten Bevöl­ke­rung. Als die Män­ner dann Arbeit in Indus­trie und Gewerbe fan­den, auch die Frauen sich bezahlte Beschäf­ti­gun­gen such­ten, war es mit der Zie­gen­hal­tung vorbei.

Da aber „Bio-Kost“ „in“ ist und Leute Lust auf lecke­ren Zie­gen­käse haben, hat sich ein jun­ges Paar im Ort ein bäu­er­li­ches Anwe­sen zur Hal­tung von Zie­gen und Scha­fen gekauft und stellt erst­klas­si­gen Käse mit dem Namen „Wind­hof“ her, Sonst sieht man Zie­gen mehr als Zier­tiere auf Wei­den laufen.

In den frü­hen Kin­der­jah­ren bin ich eigent­lich mit Zie­gen und den fre­chen kleine Zick­lein auf­ge­wach­sen. Einer unse­rer Nach­barn hielt zu sei­nen 3 – 4 Kühen, die er meist an Weg­rän­dern hütete, einige Zie­gen, weil sie deren Milch und But­ter lieb­ten. Dort spielte ich viel. Als ich ein­mal ein Gers­ten­korn im Auge hatte, musste ich mich vor einer Zie­gen hin­knien und mich von ihrem Atem bepus­ten las­sen. Es hat gehol­fen – oder ging es so weg? Ich weiß es nicht mehr. Eine der Zie­gen zog im Geschirr den Hand­wa­gen mit dem gehin­der­ten Sohn. Das war damals kei­nes­wegs unge­wöhn­lich. Zie­gen zogen wil­lig ein Gefährt, und das nütz­ten vie­len für kleine Frach­ten aus, wenn ihr Hund zu klein dafür war.

Bei uns stand im Kuh­stall eine Zeit lang ein Zie­gen­bock ange­bun­den. Er sollte mit sei­nem Gestank das krank­hafte Ver­wer­fen der Kühe verhindern.

Obwohl ich viel Umgang mit den anschmieg­sa­men, geleh­ri­gen und sau­be­ren Tie­ren hatte, gemol­ken habe ich nie eine und auch keine Zie­gen­milch getrunken.

In den Außen­dör­fern des Kirch­spiels Mart­feld sah man weni­ger Zie­gen bei den Häus­lin­gen. Dort gaben Gras­wege zu den Äckern und Wie­sen die Mög­lich­keit, Kühe zu hüten. Sol­che Wege wur­den frü­her von der Gemeinde aus an Häus­linge ver­pach­tet, oder sie beka­men sie unent­gelt­lich zum Jah­res­lohn, wenn sie Weg­schauf­ler, Schul– oder Gemein­de­die­ner oder Feld­hü­ter (Schüt­ter) waren. In gut wach­sen­den Jah­ren konn­ten sie dort sogar ein biss­chen Heu ern­ten. Sonst wurde bei Auk­tio­nen Gras zum Heuen himt­saat­weise (12 Himt­saat = 1 ha) gekauft, um die Kuh durch den Win­ter zu bringen.

Kühe hüten war Gedulds­ar­beit. In Mart­feld ist Nord­hau­sen Becka unver­ges­sen, die ihre Kuh am Strick mit Hut und Hand­schu­hen am Land­stra­ßen­rand zwi­schen den Lin­den­bäu­men gra­sen ließ. Unser alter Nach­bar, Sud­mey­ers Opa, saß auf einem Klap­pho­cker bei sei­nen lose lau­fen­den Kühen und freute sich auf ein Gespräch. Man­che alten Leute hüte­ten stri­ckend das Vieh, bis die Kin­der sie nach der Schule ablös­ten. Das war lang­wei­lig für sie bei Regen­wet­ter. Klar, dass andere Dorf­kin­der Gesell­schaft leis­te­ten. Zeit­ver­treib gab es mit dem Flech­ten von „Pog­gen­stüh­len“ aus dem Risch. Geschnitzt wurde alles Mög­li­che aus Hasel-, Wei­den und ande­rem Holz. Erste Rauch­ver­su­che mit den Frucht­be­chern der Eicheln oder aus­ge­höhl­ten Kas­ta­nien mit einem Mund­stück und tro­cke­nem Laub gehör­ten dazu. Streich­höl­zer? Nie­mand durfte von sol­chem Besitz wis­sen, aber käsige Gesich­ter mach­ten die Er-wachsenen doch ein wenig stut­zig. Bei uns zuhause wurde nicht geraucht. Nur bei Besuch zog Zigar­ren­duft durch die Räume. Mein Vater liebte es nicht und meine Brü­der muss­ten auf die immer mehr auf­kom­men­den Ziga­ret­ten ver­zich­ten, wir Mäd­chen sowieso („Das gehört sich nicht!“). Dabei ist mein Groß­va­ter ein lei­den­schaft­li­cher Pfei­fen­rau­cher gewe­sen mit einer lan­gen Pfeife. Gepriemt wurde noch von vie­len älte­ren Leu­ten in mei­ner Jugend. Man­chem lief die braune Soße durch die Bart­stop­peln. Vor den Mahl­zei­ten kleb­ten sie den Priem irgendwo fest, um ihn nach­her wie­der in den Mund zu ste­cken. Blech­schach­teln mit dem Kau­ta­bak, oder Stü­cke, steck­ten mit klei­nen Pfei­fen in den Taschen. Von einem Haus­schlach­ter wird noch heute erzählt, er hätte viel­fach die Wurst ver­sal­zen, weil er beim Abschme­cken stets den Priem im Mund behielt. Die­ses hier zu erwäh­nen war ein Abste­cher zum Thema „Genuss­mit­tel Früher“!

So ein Genuss­mit­tel hat sicher auch ein Schä­fer frü­her hin­ter seine „Kusen“ (Backen-zähne) gescho­ben, wenn er die Schaf­herde hütete. Die gab es vor hun­dert Jah­ren noch auf eini­gen Höfen. Für die eigene Woll­ver­sor­gung sind immer Schafe gehal­ten wor­den. Man­che gaben sie den grö­ße­ren Schaf­hal­tern in Pen­sion. In mei­nen jun­gen Jah­ren sah man so ein Tier sel­te­ner. nach dem 2. Welt­krieg holte man sich die spar­sa­men Fres­ser wegen der Wolle wie­der auf die Haus­stel­len. Noch heute sieht man die „Rasen­mä­her“ bei Häu­sern und auf Wei­den aus vie­ler­lei per­sön­li­chen Grün­den grasen.

Eine Kanin­chen­hal­tung war die Neben­ver­sor­gung für die Häus­linge und die Lieb­ha­ber. Nach dem Krieg boomte sie als Zusatz­ver­sor­gung. Flücht­linge, Aus­ge­bombte und Hei­mat­ver­trie­bene bau­ten sich man­chen Stall in einer Ecke auf den Höfen, um einen Bra­ten zu bekom­men. Heute ist die Kanin­chen­zucht ein Hobby mit Aus­stel­lun­gen und Schönheitswettbewerben.

Bie­nen­körbe stan­den einst nicht wenige im Immen­schauer von Land­wir­ten mit Lust und Liebe zur Imke­rei. Im Früh­jahr nähr­ten Lin­den­blü­ten und die ganze Flora in der Nach­bar­schaft die Völ­ker. Zur Hei­de­blü­ten­zeit wur­den sie mit Pfer­de­ge­span­nen, spä­ter mit klei­nen Last­kraft­wa­gen, hin­ter Verden/Aller zu abge­mach­ten Plät­zen gebracht. Dort küm­merte sich manch­mal der Stell­platz­ge­ber um sie oder der Eigen­tü­mer schaute mit einer Tages­reise nach ihnen bis zur Tracht. Den Honig konnte man beim Imker schei­ben­weise kau­fen, oder man holte ihn geschleu­dert in mit­ge­brach­ten Gefä­ßen. Der Imker hatte „seine“ Kun­den. Als noch Rüb­sen­fel­der für Lam­penöl blüh­ten und reif­ten und es Ölmüh­len dafür aller­or­ten gab – bis nach dem 1. Welt­krieg — , hat­ten die Bie­nen mehr Nah­rung im Früh­jahr. Lange wurde bei uns die Win­ter­saat, wie wir Rüb­sen nen­nen, grün als Dün­ger unter­ge­pflügt. Lupi­nen wur­den dafür auch aus­ge­sät. Da gab es keine Blüte.

Heute blüht und duf­tet im Früh­jahr die ganze Umge­bung gelb von Raps­fel­dern, die zum Ver­kauf reif geern­tet wer­den. Die neue Zwi­schen­frucht, die blaue „Phae­lia“ zieht mit ihrem süßen Duft die Bie­nen an und ist beim Imker beliebt. Es gibt sie noch immer in jedem Ort, die Hobby-Bienenzüchter! Nur die gefloch­te­nen Bie­nen­körbe sind durch Käs­ten ersetzt wor­den und wer­den auch nicht mehr von allen Imkern in die Heide gebracht. Die­ser Raps– oder Sommer-Blütenhonig schmeckt auch ohne Heide gut. Wer ihn ver­kauft, hat sich an die Lebens­mit­tel­kenn­zeich­nungs­ver­ord­nung zu hal­ten und muss ihn in 1-Pfunds-Gläsern anbie­ten. Grüne Kon­troll­kle­be­strei­fen mit Unter­be­zeich­nung und Her­kunft garan­tie­ren den deut­schen Bie­nen­ho­nig darin. Da ist etwas mehr Mühe im Glas als frü­her im Freiverkauf.

Gefischt wurde frü­her im Moor­gra­ben und in den Wätern, den Was­ser­läu­fen unse­rer Region, dazu in Kuh­len, die auch dem Löschen bei Brän­den dien­ten. 1910 liest man im Gemein­de­pro­to­koll­buch des Vor­ste­hers: „Die hie­sige Fische­rei wird auf sechs Jahre an den Leh­rer Jein­sen für jähr­lich drei Mark ver­pach­tet.“ Damals zog die Gemeinde Pro­fit aus die­sen Wäs­sern. Sicher darf heute nie­mand ohne Schein der Fische­rei nach­ge­hen. Es ist und war ein Hobby. Was damals der Leh­rer in sei­nen Reu­sen fing, kann ich lei­der nicht beschrei­ben. der 1885 gebaute Melio­ra­ti­ons­ka­nal und das Flüss­chen „Eyter“ haben sicher beson­dere Aus­schrei­bun­gen zur Fische­rei­be­rech­ti­gung gehabt.

Die Feld­marks­jagd ist eine alte Ein­rich­tung in unse­rer Land­ge­meinde Klei­nen­bors­tel und auch sonst über­all gewe­sen. Betuchte und die­ser Pas­sion ver­fal­lene Leute waren die Jagd­päch­ter. Acht Taler und sechs Gro­schen hat sie 1853 für ein Jahr gekos­tet. 1925 betrug die Pacht 1.000 Reichs­mark für die 862 Hektar. Damals wurde das Pacht­geld für Gemein­de­las­ten ver­wen­det. Hasen und Rehe konn­ten immer gut in unse­rer mit Wald­stü­cken ver­misch­ten Land­schaft gedei­hen. Die Staats­forst „Hoyaer Weide“ lag daran, gehörte aber nicht zum Jagd­re­vier. Fasa­nen und Reb­hüh­ner hat­ten in den Fel­dern tolle Ver­ste­cke und erschreck­ten uns oft beim Auf­flie­gen mit ihrem lau­ten Schra­ckern. Für die Jagd­päch­ter waren Wild­bra­ten zusätz­li­che Genüsse. Ein Ver­kauf der Beute half, den Pacht­preis und die Aus­rüs­tung zu finanzieren.

Die letz­ten bei­den The­men ent­spre­chen viel­leicht, wie auch sonst ein paar Abwei­cher im Text, nicht ganz der Über­schrift des Arti­kels. Ich fand sie wich­tig zu erwäh­nen. Sie zei­gen einen alten Nah­rungs­er­werb. Aus der alten Not­wen­dig­keit ist aller­dings schon lange eine Lieb­ha­be­rei zum Fischen und Jagen gewor­den, zu der aber auch die Hege gehört und nicht nur der Genuss. Somit sind wir wie­der bei den Anmer­kun­gen der ers­ten Seite. Es ist ein Kreis­lauf: Der Mensch sorgt für das Vieh, das Vieh ver­sorgt den Menschen.

Char­lotte Homfeld